Die schöne Isabella wies den Weg. Vorbei an Gewändern und Kleidern gelangte er in das eigentliche Zimmer. ‚Aha, ein diskreter Nebeneingang!‘ stellte Karl für sich fest.
„Er wird also unser Inquisitor!“ sagte eine junge Dame, die in der Mitte des Raumes saß und Augenscheinlich von mehreren Zofen gerade angekleidet wurde. Die Unterwäsche hatte sie schon an, aber mehrere Zofen versuchten, ein sehr üppiges Kleid, über den Kopf der Dame zu bringen, was schließlich auch gelang. Karl ließ seinen Blick schnell zu der begleitenden Isabella wandern, um nicht unhöflich zu erscheinen.
„Unser junger Freund hat sogar Manieren! Na Isabella, da habt Ihr es doch nicht so schwer wie ich dachte. Leider habe ich nicht die Zeit Euch in einer offiziellen Audienz zu empfangen, andererseits braucht auch niemand davon Wissen. Isabella, habt ihr Ofterdingen mein Schreiben persönlich übergeben?“ „Ja, sicher doch Majestät!“ war aus dem Mund der Schönen zu hören. Karl war erstaunt, nichts mitbekommen, dass ein Schreiben übergeben wurde.
„Es war auch der Ofterdingen, ganz sicher? Wenn das Briefchen in falsche Hände kommt, dann Gnade uns Gott!“ fragte die Dame nach.
„Der Herr hat sich vorgestellt, er sagte: Marschall Georg von Ofterdingen.“ sprach Isabella mit etwas unsicherer Stimme.
Karl wollte ihr beistehen und sagte: „Ich kann es bezeugen, es war Ofterdingen!“
Statt aber der erwarteten Dankbarkeit, zischte Isabella ihn an: „Man hat -Euch- nicht gefragt!
„Schon gut mein Kind,“ fuhr nun die vollkommen bekleidete Dame dazwischen, „dazu seid Ihr ja da, dem jungen Herren hier, die Manieren und Gepflogenheiten des Hofes beizubringen.“
Karl merkte wie er errötete, owei, das hat gesessen, Bruder Severus hat recht, nicht auffallen! Daher sagte Karl nichts, sondern machte als Entschuldigung eine recht ordentliche Verbeugung.
„Er lernt schnell!“ stellte die Dame fest und winkte Karl heran. Als Karl vor ihr stehen blieb, beugte sie sich vor, so dass ihm ein tiefer Einblick in ihr Dekolleté beschert wurde. Kaum hörbar flüsterte sie: „Nicht mein Bester, seid Ihr erst mal Inquisitor, werdet Ihr auch den Tod meines Freundes Corvinus aufklären, versprochen? Isabella wird Euch dafür die Feinheiten der Diplomatie beibringen. Abgemacht?“
„Ich diene Euch, solange ich lebe!“ war Karls Antwort. Das war seine Stärke, wie die Situation auch ist, auf den Mund gefallen ist Karl nicht. Er bemerkte, wie die Dame ihn, von oben bis unten musterte.
Plötzlich, aus heiterem Himmel, hörte er die Dame sagen, ganz laut und deutlich:
„Ausziehen!“
Alle Farbe wich aus seinem Gesicht. Hilfesuchend blickte er zu der Isabella. Diese aber grinste wie ein Honigkuchenpferd. Dann die Erlösung! Alle anwesenden Damen brachen in schallendes Gelächter aus! Isabella stürzte nach vorn, ergriff Karls Hand und hauchte: „Die Audienz ist beendet, rückwärts hinaus, mit Verbeugung.“
*
„Meine Herrin ist für ihre derben Späße bekannt, wusstet ihr das nicht?“ fragte Isabella mit einem Schmunzeln, als sie die Kleiderkammer hinter sich gelassen hatten.
„Nein, aber selbst, wenn ich es gewusst hätte, was soll man gegen einen Wunsch einer solchen Hoheit machen, und wer ist eigentlich Corvinus?“ fragt Karl. „Ach der, ein Prinz der Ungarn war er. Wunsch? Das war ein Befehl!“ entgegnete Isabella.
„Ach, ihr führt also alle Befehle bedingungslos aus?“ fragte Karl etwas hinterhältig, was Isabella aber nicht bemerkte.
„Natürlich, hohe Herrschaften haben das Recht, und damit bin ich bis zum heutigen Tag gut gefahren!“ Mit einer Handbewegung unterstrich Isabella ihre Ausführung. „Ich bin bald Inquisitor, also ein hochgestellter Herr, richtig?“
„Genau, richtig.“ sagte die Schöne nun erstaunt.
„Und Ihr gehorcht mir?“ fragte Karl, die Worte dehnend.
Da fühlte Isabella, dass es schwierig werden könnte und antwortete etwas umständlich:
„Ihr werdet ja nichts Unmögliches von mir verlangen, natürlich gehorche ich!“
„Gut, ich sehe wir sind allein, ausziehen, fix, aber auch alles!“ sagte Karl mit ernster und finsterer Stimme.
Isabella wich einen Schritt zurück und hielt reflexartig ihre Hände vor die Brust. Karl aber stürmte auf sie zu und versuchte sie in die Arme zu nehmen.
„Rache gelungen! Haha!“ Hielt aber plötzlich inne und fragte: „Traut Ihr mir so eine Gemeinheit zu?“
Isabella hat sich schnell wieder im Griff und antwortete schnippisch:
„Euch, Euch trau ich alles zu! Aus dem Nichts zum Inquisitor…!“ Als sie aber in das traurige Gesicht von Karl schaute, revidierte sie sich:
„Ich glaub, wenn ich Euch alles beigebracht habe, werdet Ihr doch ein anständiger Mensch, aber,“ mit einem schelmischen Lächeln fügte sie noch an, „meine Rache wird fürchterlich sein, für den Schreck den Ihr mir eingejagt habt! So, Ihr müsst zum Ofterdingen, wir sehen uns bald wieder.“ „Ich erwarte Eure Rache mit Freude!“ grinste Karl. Isabella entschwand in Richtung der Gemächer der Tochter des Kaisers.
*
„Arm hoch, genauso halten!“ sagte Meister Rieser, der Hofschneider seiner Majestät. Karl tat wie geheißen. Endlich, ihm fielen fast die Augen zu, war die Prozedur beendet. Ofterdingen trat ein. „Bis Morgen Mittag ist alles fertig?“ fragte er.
„Bis Mittag? Da müsste Luzifer selbst die Nadel führen! Wenn alle meine Helfer die Nacht durch machen, könnten wir es bis morgen Abend schaffen.“ entgegnete der Schneider.
„Ich kenne da noch so ein Zaubermittel,“ sagt Ofterdingen zum Meister von Nadel und Faden,
„Drei Golddukaten, aber kein Heller mehr, bis morgen Mittag!“
„Jawohl Herr, wenn ich die Helfer gut bezahlen kann, werden wir es schaffen!“ Mit viele Verbeugungen verließ die Schneiderschar den Raum.
„Gehen wir zur Abendandacht!“ brummelte Ofterdingen.
„Ha,“ lachte Karl, „Abendandacht, ich glaube Mitternacht steht kurz bevor!“
Ofterdingen, der viel Wert seinem Seelenheil widmete, schlug vor:
„Lassen wir uns doch von Bruder Severus die Absolution erteilen, auf zur Kapelle!“
Karl der nicht so ein eifriger Kirchgänger war, Severus tadelte ihn deswegen des Öfteren, stimmte murrend zu. Zur Kapelle war ein kurzer Weg über den Hof. Weiter weg, huschte eine Person in den Eingang zu den kaiserlichen Gemächern.
„War das nicht Bruder Gottlieb? So spät noch unterwegs?“ fragte Karl.
Ofterdingen: „Was, Bruder Gottlieb? Ich habe auch jemand gesehen, aber Gottlieb, der ist doch viel dicker!“ Beide betraten die Kapelle.
„Hallo, Severus, Kundschaft!“ rief Karl fröhlich. Einige Kerzen flackerten durch die eingetretenen Personen. Keine Antwort. Sie betraten die Sakristei, die Tür stand weit offen. Bruder Severus saß auf einem Sessel, der Kopf hing nach vorn. Blut auf dem Boden. Als sich der erste Schreck gelegt hat, hob Karl den Kopf von Severus an. Er sah, ein großer Blutfleck an der Brust.
Ofterdingen sprang hinzu:
„Der ist Tod! Ich schätze erstochen. Keine Reaktion der Abwehr! Sitzt einfach so da! Der Ausdruck des Toten nicht etwa schmerzverzerrt, sondern erstaunt! Ja, Severus hat vor seinen Tod irgendwas gesehen, was ihn total erstaunte!“ Karl sah auf den Boden. „Schaut mal Herr Marschall, hier dahinter, da stand der Mörder!“
„Tatsache, da hier wohl sehr wenig gereinigt wurde zeigen sich deutlich Spuren! So von hinten…“
Ofterdingen stellte sich hinter dem Toten. Mit einer Armbewegung deutete er an, wie der Mörder gehandelt haben muss!
„Ach nicht gut!“ bemerkte Karl, „Die Spuren sind verdorben, man hätte wenigstens erkennen können ob Stiefel oder Sandale, große oder kleine Füße!“
Ofterdingen blickte schuldbewusst auf seine Füße und die Abdrücke, die sich noch deutlich abzeichneten. Er machte einen großen Schritt zur Seite:
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