Hans Fallada - Bauern, Bonzen und Bomben

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Norddeutschland 1929, eine Stadt in Pommern: Im Zuge der Landvolkbewegung, begleitet von Protestaktionen der Bauernschaft und Widerstand gegen Zwangspfändungen, kommt es bei einer Demonstration zum Kampf um die Fahne der Landvolkbewegung, wobei der Fahnenträger schwer verletzt wird. Daraufhin boykottiert die Bauernschaft die Stadt fast ein Jahr lang. In dieser Situation treffen zwei kraftvolle und verschlagene Gegenspieler aufeinander, der deutschnationale Redakteur Stuff und der sozialdemokratische Bürgermeister Gareis. Zwischen ihnen agiert der macht- und orientierungslose und nur auf seinen kurzfristigen Vorteil bedachte Anzeigenwerber und Hilfsredakteur Tredup, der im kleinstädtischen Beziehungsgeflecht zerrieben wird und zu Tode kommt.
Der Roman schildert die historischen Ereignisse um die schleswig-holsteinische Landvolkbewegung und deren Boykott der Stadt Neumünster im Jahr 1929, wobei die Handlung in eine fiktive Stadt in Pommern verlegt wird.

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LUNATA

Bauern, Bonzen und Bomben

Bauern, Bonzen und Bomben

© 1931 Hans Fallada

Umschlagbild: Landesarchiv Berlin

© Lunata Berlin 2020

Inhalt

Vorwort Vorwort Dieses Buch ist ein Roman, also ein Werk der Phantasie. Wohl hat der Verfasser Ereignisse, die sich in einer bestimmten Gegend Deutschlands abspielten, benutzt, aber er hat sie, wie es der Gang der Handlung zu fordern schien, willkürlich verändert. Wie man aus den Steinen eines abgebrochenen Hauses ein neues bauen kann, das dem alten in nichts gleicht, außer dem Material, so ist beim Bau dieses Werkes verfahren. Die Gestalten des Romans sind keine Fotografien, sie sind Versuche, Menschengesichter unter Verzicht auf billige Ähnlichkeit sichtbar zu machen. Bei der Wiedergabe der Atmosphäre, des Parteihaders, des Kampfes aller gegen alle ist höchste Naturtreue erstrebt. Meine kleine Stadt steht für tausend andere und für jede große auch. H. F.

Vorspiel

Erstes Buch

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebentes Kapitel

Zweites Buch

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Drittes Buch

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Nachspiel

Vorwort

Dieses Buch ist ein Roman, also ein Werk der Phantasie. Wohl hat der Verfasser Ereignisse, die sich in einer bestimmten Gegend Deutschlands abspielten, benutzt, aber er hat sie, wie es der Gang der Handlung zu fordern schien, willkürlich verändert. Wie man aus den Steinen eines abgebrochenen Hauses ein neues bauen kann, das dem alten in nichts gleicht, außer dem Material, so ist beim Bau dieses Werkes verfahren.

Die Gestalten des Romans sind keine Fotografien, sie sind Versuche, Menschengesichter unter Verzicht auf billige Ähnlichkeit sichtbar zu machen.

Bei der Wiedergabe der Atmosphäre, des Parteihaders, des Kampfes aller gegen alle ist höchste Naturtreue erstrebt. Meine kleine Stadt steht für tausend andere und für jede große auch.

H. F.

Vorspiel

Ein kleiner Zirkus namens Monte

1

Ein junger Mann stürmt den Burstah entlang. Während des Laufens schießt er wütende, schiefe Blicke nach den Schaufenstern der Läden, die in dieser Hauptstraße von Altholm dicht an dicht liegen.

Der junge Mann, um die 25, verheiratet und nicht häßlich, trägt einen alten schwarzen Rockpaletot, blankgescheuert, einen breitkrempigen schwarzen Filz und schwarz umränderte Brille. Sein Gesicht dazu – und er scheint ein Leichenbitter, würdig jeder »Pietät« und »Ruhe sanft«.

Wenn schon der Burstah der Broadway von Altholm ist, lang ist er nicht. Nach drei Minuten ist der junge Mann am letzten Haus, direkt am Bahnhofsplatz. Er spuckt kräftig aus und verschwindet nach dieser neuen Äußerung seiner Stinkwut im Hause der Pommerschen Chronik für Altholm und Umgebung, Heimatblatt für alle Stände.

Hinter der Barre der Expedition hockt eine gelangweilte Tippeuse, die das Manuskript eines Zeitungsromans wegstecken will. Sie bremst diese Bewegung ab, als sie sieht, es ist nur der Annoncenwerber Tredup.

Er schmeißt einen Papierfetzen auf den Tisch: »Da! Das ist alles. Geben Sie's in die Setzerei. – Sind die andern drinnen?«

»Wo sollen die denn sonst sein?« fragt die Schöne dagegen. »Wird das berechnet?«

»Natürlich wird das nicht berechnet. Haben Sie schon mal gesehen, daß ein Affe uns Anzeigen bezahlt hat?! Neun Mark kostet sie. War der Chef schon unten?«

»Der Chef erfindet schon wieder seit fünf.«

»Gott soll schützen! Und die Chefin? Duhn?«

»Weiß nicht. Denke. Fritz hat ihr um acht eine Pulle Cognac holen müssen.«

»Dann ist ja alles in schönster Ordnung. – O Gott, was mich dieser Stall ankotzt! – Sind die drinnen?«

»Das haben Sie schon mal gefragt.«

»Haben Sie sich nicht, Klara, Klärchen, Klarissa. Ich hab Sie heute nacht um halb eins aus der Grotte kommen sehen.«

»Wenn ich von meinem Gehalt leben sollte ...«

»Weiß ich, weiß ich. Ob der Chef Geld hat?«

»Ausgeschlossen.«

»Und der Wenk, hat der was in der Kasse?«

»Ostseekino hat gestern Abend bezahlt.«

»Also hole ich mir Vorschuss. Drinnen ist er doch?«

»Ich glaube, Sie haben ...«

»Das schon einmal gefragt. Mehr als eine Walze, bitte, meine Holde. Vergessen Sie nicht das Inserat.«

»Gott. Und wenn schon.«

2

Tredup zieht die Schiebetür zum Redaktionszimmer mit einem Ruck auf, geht durch und drückt sie sachte wieder zu. Der lange Geschäftsführer Wenk hockt in einem Sessel und pult an den Nägeln. Redakteur Stuff schmiert irgendeinen Mist.

Tredup feuert seine Mappe in ein Schrankfach, hängt Hut und Mantel beim Ofen auf und setzt sich an seinen Schreibtisch. Er zieht gleichgültig, als fühle er nicht die fragenden Blicke, einen Kartothekkasten hervor und beginnt Karten zu sortieren. Wenk hält mit Nägelschneiden inne, betrachtet sorgend die Klinge im Licht der Sonne, wischt sie an seinem Bürolüsterjackett ab, klappt das Messer zu und sieht Tredup an. Stuff schreibt weiter.

Es erfolgt nichts. Wenk nimmt ein Bein von der Sessellehne und fragt wohlwollend: »Na, Tredup?«

»Bitte, Herr Tredup!«

»Na, Herr Tredup?«

»Du kannst mir mal mit deinem Na!«

Wenk wendet sich an Stuff. »Er hat nichts, Stuff, sage ich dir. Nichts hat er.«

Stuff glupscht unter seinem Klemmer auf Tredup, zieht seinen graumelierten Walrossbart durch die Zähne und bestätigt: »Natürlich hat er nichts.«

Tredup springt wütend auf. Der Kartothekkasten fliegt mit einem Knall auf die Erde. »Was heißt natürlich? Ich verbitte mir natürlich! In dreißig Geschäften bin ich gewesen! Kann ich die Leute notzüchtigen? Soll ich ihnen die Inserate aus der Nase ziehen? Wenn sie nicht wollen, wollen sie nicht. Ich bettle schon ... Und so ein Schreibknecht sagt natürlich. Lächerlich!«

»Reg dich bloß nicht künstlich auf, Tredup. Was hat denn das für einen Sinn?«

»Natürlich rege ich mich auf über dein Natürlich. Geh du doch selber einmal los, Annoncensammeln. Diese Affen! Diese Krämer! Diese drehstierige Bande! Ich inseriere vorläufig nicht. Ich habe keine Meinung für Ihr Blatt. Besteht die Chronik überhaupt noch? Ich dachte, sie wäre längst eingegangen. Kommen Sie morgen wieder. – Es ist zum Kotzen!«

Wenk murmelt aus seinem Sessel: »Ich traf heute früh den Maschinenmeister von den Nachrichten. Die kommen heute mit fünf Seiten Anzeigen raus.«

Stuff spuckt verächtlich: »Das Mistblatt. Kunststück. Wenn man 15 000 Auflage hat.«

»Die haben ebensogut 15 000, wie wir 7000 haben wollen.«

»Bitte, wir haben eine notarielle Bescheinigung über 7000.«

»Du mußt die Stelle mal radieren, wo das Datum steht. Die ist schon ganz schwarz vom Zuhalten mit deinem Daumen, all die drei Jahre, seit die Zahl mal richtig war.«

»Ich spucke auf die notarielle Bescheinigung. Aber den Nachrichten wischt ich für mein Leben gern was aus.«

»Geht nicht. Der Chef will es nicht haben.«

»Natürlich, weil sich der Chef von den Fritzen Geld pumpt, müssen wir uns anstinken lassen.«

Wenk setzt den Bohrer neu an: »Also gar nichts hast du, Tredup?«

»Eine achtel Seite von Braun. Für neun Mark.«

Stuff stöhnt. »Neun Mark? Tiefer geht es nicht mehr.«

»Und sonst nichts?«

»Die Ausverkaufsanzeige vom verkrachten Uhrenschlosser hätt ich kriegen können, aber wir sollen Ware dafür abnehmen.«

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