Hans Fallada - Der eiserne Gustav

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Hans Fallada zeigt in «Der eiserne Gustav» exemplarisch den Zerfall einer Familie vor dem Hintergrund von Weltkrieg, Notwirtschaft und Inflation. Die Geschichte der Familie des Gustav Hackendahl, genannt «der eiserne Gustav», steht im Mittelpunkt des Romans von Hans Fallada. In den Jahren rund um den Ersten Weltkrieg betreibt der eiserne Gustav ein kleines Droschkenunternehmen. Seinen Spitznamen verdankt er der Härte gegen sich und andere, die er wohl aus seiner Soldatenzeit ins zivile Leben übernommen hat. Seine hohen Erwartungen machen den Kindern das Leben schwer. Als sie älter werden, gehen sie zum tyrannischen Vater auf Distanz, wodurch sein Einfluss auf ein Minimum sinkt. Einer seiner Söhne heiratet heimlich eine Frau, die niemals die Zustimmung des Vaters gefunden hätte. Ein anderer steigt in Schwarz- und illegalen Devisenhandel ein. Auch Hackendahl selbst gerät in Schwierigkeiten: Sein Droschkenunternehme leidet unter dem Aufkommen der Taxis. Dass die Familie auseinanderdriftet, ist allerdings nicht allein ihm zuzuschreiben. In den turbulenten zwanziger Jahren kämpft jeder um sein persönliches Überleben. Die familiären Beziehungen werden auch durch die Not in Mitleidenschaft gezogen.

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Titelseite Hans Fallada Der eiserne Gustav Roman Alle Gestalten dieses Buches, einschließlich des eisernen Gustav, sind Geschöpfe der freien Phantasie. Nirgend soll auf reale Personen auch nur angespielt werden. Der Verfasser hat lediglich Geschehnisse, wie sie in jeder Tageszeitung aufgezeichnet stehen, als Grundstoff benutzt. H. F.

Erstes Kapitel: Die gute schöne Friedenszeit Erstes Kapitel: Die gute schöne Friedenszeit

1 1 Vielleicht war es das Pferd im Stall gewesen, die Schimmelstute, das Lieblingstier des alten Hackendahl: Es ließ pausenlos die Halfterkette durch den Krippenring rasseln und schlug, sein Futter fordernd, unablässig mit dem Huf gegen das Stallpflaster. Vielleicht aber war es auch die erste fahle Dämmerung gewesen, die mit ihrem grauen Schein das hellere Mondlicht abgelöst hatte – vielleicht hatte der über Berlin grauende Morgen den alten Hackendahl geweckt. Vielleicht aber hatten weder Lieblingstier noch Morgendämmerung Hackendahl so früh wach gemacht, um drei Uhr zwanzig, am 29. Juni 1914 – sondern etwas sehr, sehr anderes … Mit der Schlafseligkeit kämpfend, hatte der alte Mann gestöhnt: „Erich, Erich, das wirst du doch nicht tun …!“ Dann war er hochgefahren und hatte in das Zimmer gestarrt, ohne noch etwas zu sehen. Langsam war Erkennen in sein Auge getreten; über den geschwungenen Muschelaufsatz des Ehebettes fort, flankiert von den beiden Knäufen rechts und links, sieht er gerade auf die Wand, an der sein Pallasch hängt aus der Zeit, da er noch Wachtmeister bei den Pasewalker Kürassieren war, neben dem Helm, unter dem Bild, das ihn an seinem Entlassungstage aus dem Dienst vor nun zwanzig Jahren zeigt. Er sieht mit wachem Auge im Dämmerlicht den schwachen Schein auf der Klinge und auf dem goldenen Adler des Helms: Diese Erinnerungen machen ihn heute noch stolzer und glücklicher als das große Fuhrgeschäft, das er aufgebaut hat. Das Ansehen, das er beim Regiment genoß, freut ihn mehr als die Achtung, die dem erfolgreichen Geschäftsmann von den Nachbarn in der Frankfurter Allee gezollt wird. Und, unmittelbar an seinen Angsttraum anknüpfend, sagt er, jetzt völlig wach: „Nein, Erich würde so etwas nie tun – nie!“ Mit entschlossenem Ruck stellt er die Beine auf den Bettvorleger, ein Heidschnuckenfell.

2 2 „Stehst du schon auf, Gustav?“ fragt es aus dem Nebenbett, und eine Hand tastet nach ihm. „Es ist doch erst drei.“ „Jawoll, Mutter“, antwortet er. „Drei Uhr fünfundzwanzig.“ „Aber warum denn, Vater? Füttern ist doch erst um vier …“ Er wird fast verlegen. „Mir ist so, Mutter, als könnte was krank sein im Stall …“ Er steckt rasch den Kopf in die Waschschüssel, um weiteren Erklärungen zu entgehen. Aber seine Frau wartet geduldig, bis er sich abgetrocknet hat und nun dabei ist, den aufgewirbelten Schnurrbart mit Pomade, Kamm und Bürste in Form zu bringen. Da sagt sie: „Du hast die ganze Nacht von Erich phantasiert, Vater …“ Der Mann hält mit einem Ruck im Kämmen inne, er möchte etwas Rasches sagen, aber er besinnt sich. „So“, meint er dann gleichgültig. „Davon weiß ich nichts …“ „Was hast du denn mit Erich?“ fragt die Frau beharrlich. „Ich merke doch, ihr habt was miteinander.“ „Die Eva hat gestern wieder den ganzen Nachmittag in der Konditorei Koller gesteckt. Das paßt mir nicht – die Leute sagen dafür nur Café Knutsch.“ „Ein junges Ding will auch was haben vom Leben“, antwortet die Mutter. „Fräulein Koller hat jetzt ein Grammophon gekauft. Sie geht nur wegen der Musik hin.“ „Es paßt mir nicht!“ sagt der alte Wachtmeister nachdrücklich. „Sorg du für Ordnung bei den Mädchen, ich werde die Bengels schon an die Kandare nehmen. Auch den Erich.“ „Aber …“, fängt die Frau an. Aber Hackendahl ist schon fort. Er hat gesagt, was er will, und sein Wille gilt in diesem Hause! Aufseufzend läßt die Frau sich zurücksinken in die Kissen. Ach ja, ach du liebes Gottchen! So ein Mann, starr wie ein Besenstiel, möchte, daß die Kinder ebenso leben wie er! Der hat eine Ahnung – aber ich werde schon dafür sorgen, daß die Kinder zu ihrem bißchen Lebensfreude kommen, auch die Eva, auch der Erich. Gerade der Erich …! Schon schläft sie wieder.

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Zweites Kapitel: Ein Krieg bricht aus

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Drittes Kapitel: Die lange schwere Zeit

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Viertes Kapitel: Ein Friede bricht aus

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Fünftes Kapitel: Welche Hand müßte nicht verdorren …?

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Sechstes Kapitel: Rausch der Armut

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Siebentes Kapitel: Wer Arbeit kennt und da nicht rennt

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Achtes Kapitel: Die Fahrt nach Paris

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Hans Fallada

Der eiserne Gustav

Roman

Alle Gestalten dieses Buches, einschließlich des eisernen Gustav, sind Geschöpfe der freien Phantasie. Nirgend soll auf reale Personen auch nur angespielt werden. Der Verfasser hat lediglich Geschehnisse, wie sie in jeder Tageszeitung aufgezeichnet stehen, als Grundstoff benutzt.

H. F.

Erstes Kapitel: Die gute schöne Friedenszeit

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Vielleicht war es das Pferd im Stall gewesen, die Schimmelstute, das Lieblingstier des alten Hackendahl: Es ließ pausenlos die Halfterkette durch den Krippenring rasseln und schlug, sein Futter fordernd, unablässig mit dem Huf gegen das Stallpflaster.

Vielleicht aber war es auch die erste fahle Dämmerung gewesen, die mit ihrem grauen Schein das hellere Mondlicht abgelöst hatte – vielleicht hatte der über Berlin grauende Morgen den alten Hackendahl geweckt.

Vielleicht aber hatten weder Lieblingstier noch Morgendämmerung Hackendahl so früh wach gemacht, um drei Uhr zwanzig, am 29. Juni 1914 – sondern etwas sehr, sehr anderes … Mit der Schlafseligkeit kämpfend, hatte der alte Mann gestöhnt: „Erich, Erich, das wirst du doch nicht tun …!“

Dann war er hochgefahren und hatte in das Zimmer gestarrt, ohne noch etwas zu sehen. Langsam war Erkennen in sein Auge getreten; über den geschwungenen Muschelaufsatz des Ehebettes fort, flankiert von den beiden Knäufen rechts und links, sieht er gerade auf die Wand, an der sein Pallasch hängt aus der Zeit, da er noch Wachtmeister bei den Pasewalker Kürassieren war, neben dem Helm, unter dem Bild, das ihn an seinem Entlassungstage aus dem Dienst vor nun zwanzig Jahren zeigt.

Er sieht mit wachem Auge im Dämmerlicht den schwachen Schein auf der Klinge und auf dem goldenen Adler des Helms: Diese Erinnerungen machen ihn heute noch stolzer und glücklicher als das große Fuhrgeschäft, das er aufgebaut hat. Das Ansehen, das er beim Regiment genoß, freut ihn mehr als die Achtung, die dem erfolgreichen Geschäftsmann von den Nachbarn in der Frankfurter Allee gezollt wird. Und, unmittelbar an seinen Angsttraum anknüpfend, sagt er, jetzt völlig wach: „Nein, Erich würde so etwas nie tun – nie!“

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