Musa Ergin - Stille Schreie

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1915: Osmanisches Reich.
Heute: ISIS, Syrien, Irak,…
Die Geschichte wiederholt sich.
Nur die Akteure sind andere.
Die Stillen Schreie sind geblieben.
1915 ist das Jahr der stillen Schreie im Osmanischen Reich: Stille Schreie sowohl der Christen, als auch der Konsuln des Deutschen Reiches. Vom Norden nach Süden vom Westen nach Osten werden die Christen (Armenier und Syrer) in jeder Stadt und in jedem Dorf verhaftet, deportiert, ermordet. Die wenigen Beamten, die sich den Schreien gehör verschafften, wurden ihres Amtes entzogen oder ermordet.
Der Mönch Yawsef sieht das unvermeidliche auch auf die Syrer im Südosten der heutigen Türkei zukommen. Er beschließt sein Kloster in der Stadt Mardin zu verlassen, greift nach der Waffe und schließt sich den Überlebenden in dem Dorf Iwardo an, um sie vor den Soldaten des Sultans in Istanbul, den kurdischen Hamidiye-Truppen und arabisch muslimischen Mhalmis zu verteidigen.

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Musa Ergin

Stille Schreie

1915, als die Welt schwieg

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Inhaltsverzeichnis Titel Musa Ergin Stille Schreie 1915 als die Welt schwieg - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Musa Ergin Stille Schreie 1915, als die Welt schwieg Dieses ebook wurde erstellt bei

Widmung Widmung Hundert Jahre nach 1915… Heute noch leben viele Menschen in der Türkei im Stillen: Heute noch hüllen sich Millionen Menschen in der Türkei in Schweigen: Sie hoffen auf bessere Zeiten, in der nicht mit dem Finger auf sie gezeigt wird; in der sie nicht ständig daran erinnert werden, dass sie die Kinder der Ungläubigen sind. Sie wissen, was ihre Vorfahren erlebt haben. Sie wünschen sich nicht dasselbe Schicksal. Die Meisten schweigen. Manche sprechen im Verborgenen über die Gräueltaten der Täter, ohne Hoffnung auf ein Wiedergutmachen geschweige denn ein Leben in Würde. Einige versuchen ihren stillen Schreien Gehör zu verschaffen. Dieses Buch ist den Menschen gewidmet, die nicht vergessen und ihr Schweigen brechen.

1) Mitte November 1895: Mardin

2) Juni 1896: Mardin

3) August 1907: Enhil

4) 25. April 1909: Adana

5) 20. Mai 1909: Der Chef des Admiralstabs der Marine (Baudissin) an den Staatsekretär des Auswärtigen Amts (Schoen)

6) 17. Juni 1909: Adana

7) August 1909: Adana

8) 20. April 1915: Omid-Diyarbekir

9) 30. April 1915: Jessi Bethzabday an den Mönch, Yawsef

10) Ende Mai 1915: Diyarbekir

11) Ende Mai 1915: Hisni Kifo

12) 30. Mai 1915: Bismil

13) 1. Juni 1915: Hisni Kifo

14) 3. Juni 1915: Diyarbekir

15) 3. Juni 1915: Hisni Kifo

16) 4. Juni 1915: Mardin

17) 10. Juni 1915: Walter Holstein, deutscher Vizekonsul in Mosul an die Botschaft in Konstantinopel

18) Anfang Juni 1915: Midyat

19) 5. Juli 1915: Midyat

20) 10. Juli 1915: Walter Holstein, deutscher Vizekonsul in Mosul an die Botschaft in Konstantinopel

21) Anfang Juli 1915: Enhil

22) 16. Juli 1915: Walter Holstein, deutscher Vizekonsul in Mosul an die Botschaft in Konstantinopel

23) 9. Juli 1915: Iwardo, der erste Tag

24) 19. Juli 1915: Iwardo

25) 25. Juli 1915: Iwardo

26) 31. Juli 1915: Der Botschafter in außerordentlicher Mission in Konstantinopel (Hohenlohe-Langenburg) an den Reichskanzler (Bethmann Holl

27) Ende Juli 1915: Iwardo

28) Mitte August 1915: Iwardo

29) 14. August 1915: Walter Holstein, deutscher Vizekonsul in Mossul an die Botschaft in Konstantinopel

30) Ende August 1915: Iwardo

31) Anfang September 1915: Iwardo

32) 3. September 1915: Der deutsche Konsul in Aleppo (Walter Rössler) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

33) 14. September 1915: Iwardo

34) 14. September 1915: Iwardo, letzter Angriff

35) Ende September 1915: Iwardo

36) Ende September 1915: Midyat

37) August 1916: Hisni Kifo

38) Personen- / Begriffsregister

Über den Autor

Impressum neobooks

Widmung

Hundert Jahre nach 1915…

Heute noch leben viele Menschen in der Türkei im Stillen:

Heute noch hüllen sich Millionen Menschen in der Türkei in Schweigen:

Sie hoffen auf bessere Zeiten, in der nicht mit dem Finger auf sie gezeigt wird; in der sie nicht ständig daran erinnert werden, dass sie die Kinder der Ungläubigen sind.

Sie wissen, was ihre Vorfahren erlebt haben.

Sie wünschen sich nicht dasselbe Schicksal.

Die Meisten schweigen.

Manche sprechen im Verborgenen über die Gräueltaten der Täter, ohne Hoffnung auf ein Wiedergutmachen geschweige denn ein Leben in Würde.

Einige versuchen ihren stillen Schreien Gehör zu verschaffen.

Dieses Buch ist den Menschen gewidmet, die nicht vergessen und ihr Schweigen brechen.

1) Mitte November 1895: Mardin

Die längst verdrängten Berichte der vergangenen Tage über die Provinz Diyarbekir, kamen in der Nacht zum Vorschein, an dem die Bilder der getöteten Menschen vor dem jungen Yawsef immer lebendiger auf und abtauchten. Er stand auf und kniete vor dem, vom Mondlicht beleuchtetem Kreuz nieder, welches auf dem kleinen Tisch vor seinen Füßen stand und betete.

In dem Moment, indem er sich wieder auf das Bett legte, tauchten vor seinen Augen schreiend flüchtende Menschen auf, die aus saftig grünen Winterweiden zum trockenen Hang verjagt wurden. Sie stolperten immer wieder über die vielen Steine am steilen Hang, bis deren blutige Körper auf den Boden fielen und sich nicht mehr regten. Männer gingen mit einem Schwert in der Hand durch die am Hang aufgereihten Toten, deren zersetzten Kleider sie kaum bedeckten.

Die vor Entsetzen aufgerissenen Augen der Getöteten blickten in die trostlose Landschaft, die unbeeindruckt von fließendem Blut und Geschrei, ihre Ruhe bewahrte und die Toten sanft mit seiner Trostlosigkeit umhüllte.

Vor der Morgendämmerung vermischten sich die Bilder mit dem schwachen Licht der Kerze und hinterließen auf seinem Gesicht sorgenerfüllte Spuren. Nach einem kurzen Gebet stand er auf, verließ sein kleines Zimmer im Kloster Mor Hananya und suchte die Ruhe der Kirche der „Vierzig Märtyrer“ inmitten kleiner, verwinkelter Gassen.

Still saß er auf seinen Knien hinter der Eingangstür der von wenigen Öllampen beleuchteten Kirche, legte seine Hände auf die Beine, seine Augen streiften die syrischen Ikonen, senkte mit geschlossenen Augen seinen Kopf und begleitete im Stillen die Liturgie.

Die wenigen Gottesdienstbesucher saßen vor ihm auf dem Boden und horchten den Lobgesängen der Diakone und des Pfarrers.

Der Pfarrer hörte mit den Hymnen auf und bereitete sich für die Predigt vor, als Yawsef plötzlich Kinderschreie hinter der Tür hörte.

Die Tür ging auf. Zwei Jungen liefen lachend in die Kirche. Der große, kräftig gebaute hielt plötzlich an und blickte zu dem Mann, der in mitten der Kirche langsam auf ihn zuging. Der kleinere Junge prallte gegen den Größeren, welcher sich nun nicht mehr zu regen schien.

„Heilig, heilig, …“ begann der Pfarrer mit seiner lauten aber bestimmten Stimme an, während er, die zwei Kinder, welches sich in der Kirche, vor dem jungen Mann aus dem Kloster befanden, betrachtete. Das kleine Kind versteckte sich hinter dem kräftigeren, als ob es Schutz suchte.

„…heilig ist der Herr der Heere schrien die Serafim. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt. Die Türschwellen bebten bei lautem Ruf auf.“ fügte er hinzu und richtete seine Augen auf den ersten Jungen, der ängstlich auf sein mit vielen Motiven bestücktes Gewand anstarrte.

„Jeder Serafim hatte sechs Flügel. Da flog einer der Serafim. Er trug in seiner Hand ein glühendes Stück Kohle, die er mit einer Zange vom Altar genommen hatte.“ predigte der Pfarrer weiter und streckte seine Hand den Gottesdienstbesuchern entgegen.

Das erste Kind zuckte zusammen. Es konnte die Hand des Mannes an seiner Wange fühlen. Seine aufgeschreckten Augen wanderten hilfesuchend von dem Mann mit dem weiß, rot, goldenen Soutane in der Mitte des Raumes, zu dem Jungen, welcher ebenfalls regungslos neben ihm stand. Das Kind hielt ein Stab in der Hand. Am Ende des Stabes war eine Metallscheibe befestigt, auf dem im Licht der Kerzen, das Gesicht eines Kindes, mit vielen Flügeln zu sehen war. Das Gesicht mit vielen Flügeln, die glühende Kohle spie, entfernte sich von der Scheibe und bewegte sich langsam zu ihm.

Das leuchtende Gesicht und seine Flügel sollten dem Kind sein Leben lang folgen.

Yawsef hörte das kleine Kind mit seiner von Angst erfüllten Stimme „Ustof, lass uns raus gehen“ sagen. Das große Kind drehte sich entsetzt um und lief raus aus der Kirche gefolgt von dem kleineren Kind. Neugierig folgte er den beiden.

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