Chris brauste durch die verlassenen Straßen der Stadt, raus zur Autobahn, mit Voll-Speed düste er über den Asphalt bis zur nächsten Ausfahrt, die zur nächsten Stadt führte und genau zwei Stunden später stand er vor Conrads Apartment. Von der Straße aus sah man, dass noch Licht brannte. Was so viel hieß, dass er gerade erst aufgestanden war oder vielleicht erst nach Hause gekommen sein musste. Chris stellte seine Maschine ab, zog Helm und Handschuhe aus, und machte sich auf den Weg zur Haustür. Keine zwei Minuten später erklang Conrads Stimme aus der Gegensprechanlage.
„Ich bin es, Chris. Lässt du mich rein?“, fragte er und sogleich ertönte das Summen des Türöffners. Chris stieg in den Fahrstuhl und drückte den Knopf für das Stockwerk in dem Conrad wohnte. Conrad erwartete ihn an der Tür, als Chris aus dem Lift stieg.
„Bruderherz, wie kommt´s, dass du schon wach bist? Haben dich die Kids geweckt?“
„Nein! Ich wurde um vier wach und konnte ums Verrecken einfach nicht mehr einschlafen. Ich werde noch verrückt in diesem Haus.“
„Lass mich raten. Dein Kindermädchen?“
„Woher weißt du von Nora? Ah warte … Charlie hat es dir gesagt. War ja klar!“, sagte Chris und setzte sich auf einen Stuhl in der Küche, nachdem sie die Wohnung betreten hatten und Conrad die Tür hinter seinem Bruder geschlossen hatte.
„Ja, Charlie hat mich noch am gleichen Abend, nachdem er bei dir war angerufen und mir von der wirklich heißen Schnitte erzählt, die um dich herum schwebt. Hast du dich deshalb wieder nach so langer Zeit auf dein Motorrad gesetzt?“
Chris sah seinen Bruder an, der ihm einen Kaffee reichte und lächelte.
„Kann sein. Nora ist wirklich was Besonderes. Aber sie bringt mich um den Verstand. Ich habe fünf Jahre nur sporadischen Sex gehabt und kam gut klar damit, bis sie kam. Ein weibliches Wesen, das mehr Sex ausstrahlt wie sonst was. Sie stolziert in engen, kurzen Tops und Hosen, wo man den Hintern sehen kann durchs Haus. Es macht mich rasend. Ich … ich bin in sie verknallt. Und zwar mächtig“.
„Das hört man. Du sprichst von ihr wie damals als du deine erste Freundin hattest und man nix mehr mit dir anfangen konnte, weil sich alles nur um sie drehte“.
„Conrad, ich bin ihr Chef. Ich darf das nicht“.
„Ach komm, seit wann bist du so spießig. Wie viele Männer haben was mit ihren Angestellten? Außerdem muss das doch keiner erfahren“.
„Ich weiß nicht – Ich halte das für keine gute Idee, aber wenn ich gar nichts unternehme, werde ich wahnsinnig“.
„Chris, ich kann dir nicht wirklich helfen, aber einen Tipp kann ich dir geben. Hör auf dein Herz und glaub an das was du fühlst“.
Die beiden Brüder unterhielten sich noch eine Weile miteinander und merkten so gar nicht, wie schnell die Zeit rum ging. Chris dachte nicht mal mehr an Nora, zumindest für den Moment.
Nora hatte geduscht und bereitete das Frühstück vor, als sie das erste Mal zusammenzuckte. Die Sirenen des Notarztes waren zu hören. Hoffentlich ging es Chris gut? Nach dem Aufstehen hatte sie gemerkt, dass Chris noch immer nicht zu Hause war, denn das Garagentor, das normalerweise geschlossen war wenn er zu Hause war, noch offen stand und auch die Einfahrt war nicht zu. Und nun hörte sie schon zum zweiten Mal die Sirenen. Lass es ihm bitte gut gehen, betete sie vor sich hin. An den Wochenenden passierten immerhin die meisten Unfälle. Um sich abzulenken, zog sie die Kinder an und schickte sie nach draußen in den Garten. Mit der Hilfe von Fred hatten sie einen Sandkasten gebaut und ihn befüllt. Als sie das letzte Mal in der Stadt zum Einkaufen war, hatte Nora noch Spielsachen für den Kasten gekauft und diese hineingeworfen. Und in diesem Kasten saßen nun die beiden Zwillinge und spielten, während Nora nebendran saß und das Babyfon fast zerdrückte.
„Guten Morgen ihr Süßen!“, hörte sie die Stimme von Fred und zuckte wieder zusammen.
„Hallo Onkel Fred“.
„Guten Morgen“.
„Was ist denn los, Nora? Sie sind so schreckhaft und so blass. Alles ok?“, fragte Fred und warf einen besorgten Blick auf Nora.
„Ja alles prima“, antwortete Nora und ließ prompt das Baby-Phon fallen, als wieder die Sirene ertönte. „Entschuldigen Sie, ich … ich muss nach dem Baby sehen“, und rannte davon.
Fred sah die Kids an, wunderte sich und machte seine Arbeit weiter, während die Mädchen weiter mit Sand spielten. Doch Ruhe ließ es ihm keine, und so folgte er Nora ins Haus.
„Entschuldigen Sie, aber es lässt mir keine Ruhe, was ist passiert?“
„Ich hoffe nichts“, antwortete sie.
„Ich versteh nicht“.
„Chris ist mit seinem Motorrad unterwegs und die Sirenen. Ich habe eine scheiß Angst“,
Fred fing zu lachen an.
„Beruhigen Sie sich. Chris fährt schon so lange Motorrad. Er weiß was er tut“, antwortete Fred und begleite Nora auf die Terrasse, wo sie das Tablett aus der Küche neben dem Frühstücksgeschirr abstellte und anfing den Tisch abzudecken.
„Aber es ist schön, dass Sie sich so Sorgen. Es ist schon schwer genug die Mutter zu verlieren, wenn jetzt auch noch Chris … naja sprechen wir nicht drüber“.
Ja, dachte sich Nora. Für die Kids wäre es schlimm, aber nicht nur für sie. Denn auch ich liebe ihn! Nora unterbrach ihre Gedanken, als sie das Röhren eines Motorrads und danach die Haustür hörte. So schnell sie konnte sprang sie auf, ließ Fred stehen und rannte nach drinnen, wo Chris gerade aus der Küche kam. Stürmisch fiel sie ihm um den Hals, dass er gar nicht wusste wie ihm geschah, und presste ihre Lippen auf seinen Mund. Fred, der ihr gefolgt war, traute seinen Augen kaum, als er sah wie sich Nora und Chris, mitten im Hausflur, stürmisch küssten. Es ähnelte eher dem herumknutschen zweier liebeshungrigen Teenager, als zweier erwachsener Menschen, aber egal!
„HmHm“, räusperte er sich und Nora ließ Chris los. Sie wollte schon weg, doch Chris dachte nicht daran, sie loszulassen.
„Ich glaube ihr sollte euch was einfallen lassen, um mir das zu erklären“, sagte Fred nur mit einem Lächeln auf den Lippen.
„Jetzt weiß ich auch, warum Sie so zittrig und nervös waren. Sie lieben ihn, stimmt´s?“
„Ja! Wir lieben uns“, antwortete Chris, anstelle von Nora. „Aber es ist noch ein Geheimnis. Du weißt doch, es ist nicht so gern gesehen, wenn der Chef mit seiner Angestellten rum macht …“.
„Ach Kinder … oohhh … Ich kann schweigen wie ein Grab. Aber lasst euch nicht noch einmal erwischen. Zum Beispiel von den Kindern. Du weißt sie hängen noch immer sehr an ihrer Mutter. Und wenn sie nun mitbekommen, dass du eine neue Frau an deiner Seite hast … die auch dein Kindermädchen ist. Das wäre nicht gerade super“, sagte Fred noch und verschwand dann wieder.
„Es tut mir leid. Ich wollte nicht, dass er uns sieht. Ich konnte ja nicht wissen …“
„Sssccchhh“, sagte Chris und legte Nora seinen Zeigefinger an die Lippen „Es ist ok! Irgendwann wäre es eh rausgekommen. Aber wir müssen aufpassen. Die Kinder. Es wäre wirklich noch zu früh ihnen zu sagen, was wir füreinander fühlen“.
Nora nickte und schmiegte sich an Chris’ Brust.
„Und du hattest wirklich Angst?“
„Ja! Große!“
„Schön! Es freut mich, nicht dass ich dich ängstlich mache, aber es ist schön zu wissen, dass sich jemand um einen sorgt. Ich zieh mich schnell um und hole dann die Kinder. Oder haben sie schon gefrühstückt?“
„Ja, haben sie. Und nun sitzen sie im Sandkasten“.
„Was denn für ein Sandkasten? … Ach ich schau später“, antwortete er und ging nach oben. Auf halben Weg kam er zurück und küsste Nora noch einmal.
„Ich liebe dich!“
„Ich dich auch!“
Chris begab sich nach draußen und wollte gerade zu den Kindern, als Fred ihn abfing.
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