„Du bist echt die beste Freundin, die ich je hatte … weißt du das?“
„Jaja, und morgen will ich einen vollständigen Bericht, hast du verstanden. Vorausgesetzt du erinnerst dich überhaupt an irgendwas“.
Nora lächelte ihr noch einmal zu, bevor sie schwankend das Grundstück betrat. Leise steckte sie den Schlüssel ins Schloss der Haustür, und drehte daran bis es aufsprang. Auf leisen Sohlen schlich sie sich ins Haus, oder zumindest versuchte sie es. Nora ließ extra das Licht aus da sie nicht wusste, ob Chris seine Tür im Schlafzimmer offen gelassen hatte oder nicht. Nachdem sie hinter sich wieder zu gemacht und abgeschlossen hatte, begab sie sich leise nach oben. Gerade als sie an ihrer Tür angekommen war, wurde sie am Ellbogen herumgerissen, an eine harte Männerbrust gepresst und … geküsst. Chris hatte seine Hände an ihrem Gesicht und küsste sie mit einer Zärtlichkeit, fast so als ob sie das schon des Öfteren getan hätten. Seine Hände wanderten von ihrem Gesicht, über ihren Hals bis zu ihren Hüften und Nora hatte das Gefühl in Flammen zu stehen, überall da wo er sie berührt hatte. Nora öffnete bereitwillig den Mund, als Chris versuchte mit seiner Zunge in ihren Mund einzudringen. Kurze Zeit später löste Chris sich von ihr. Nora hatte die Augen noch immer geschlossen. Das war ein Traum! Es musste ein Traum sein! War sie wirklich so betrunken? Doch als sie langsam ihre Augen öffnete, sah sie Chris vor sich stehen. Seine Hände langen noch immer an ihrer Hüfte und er blickte sie ernst, jedoch nicht wütend an. Sein Atem ging genauso schnell wie ihrer und seinem Gesicht nach zu urteilen, so weit sie das noch beurteilen konnte, war er über diesen Kuss genauso überrascht wie sie. Oder auch nicht!
„So … nun sind wir quitt. Gute Nacht“, sagte er leise, gab ihr noch einen Kuss, ließ sie los und verschwand in seinem Zimmer, während Nora allein in dem dunklen Flur stand und nicht wusste was eben passiert war.
Nora wurde am nächsten Morgen wach, weil sie das Gefühl hatte, jemand beobachte sie. Als sie ihre Augen langsam öffnete, wurde sie ihrem Verdacht bestätigt. Fina und Chana saßen auf ihrem Bett und sahen ihr beim Schlafen zu.
„Guten Morgen“, sagte sie so leise es nur ging, denn Nora hatte das Gefühl als müsse ihr Kopf platzen.
„Wieso hast du uns gestern nicht mehr `Gute Nacht´ gesagt?“
„Weil … weil ich mit einer Freundin unterwegs war und sehr spät nach Hause kam“.
„Daddy hat gesagt, dass du spazieren bist. Warum gehst du denn ohne uns spazieren? Und warum sagt Daddy das, wo du doch bei deiner Freundin warst?“
Wow! Sollte das ein Verhör werden? dachte sich Nora.
„Kinder! Ich musste mal alleine sein. Und … tut mir den Gefallen und brüllt nicht so. Ich hab einen mächtigen Kater“.
„Liebst du uns nicht mehr?“, fragte Chana und war den Tränen schon ganz nahe.
„Doch, sehr sogar. Nur …“, Nora blickte in die großen Kulleraugen der Kinder, die sie hoffnungsvoll anblickten, und wusste nicht mehr, was sie sagen solle. „Vergessen wir das! Kommt lasst uns aufstehen. Ich mach euch das Frühstück“.
Die Kinder krabbelten vom Bett und rannten schon voraus, während sich Nora den Bademantel über ihr Negligé anzog. Chris stand in der Küche und trank seinen letzten Schluck Kaffee, während er unruhig auf die Uhr schaute.
„Kinder? Kommt mal her. Ich …“, setzte er an, hielt jedoch inne als er Nora reinkommen sah.
„Guten Morgen“.
„Guten Morgen, Herr Baxter. Ähm … wie ich sehe, wollen Sie … zur Arbeit“, sagte Nora verlegen als sie sah, wie Chris sie mit offenem Mund anstarrte. Nur zu gern hätte er gewusst, was sie unter diesem hässlichen Bademantel anhatte.
„Ähm ja“, antwortete er „Ich muss. Ich habe heute einen wichtigen Kunden und … ja! Hatten Sie einen schönen Abend gestern?“
„Ja es war … lustig“.
„Scchh, Daddy. Nora hat eine mächtige Katze. Du musst leise reden“. Chris konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
„Das freut mich. Ich geh dann mal. Und es ist ein Kater, Süße. Keine Katze. Bis heute Abend dann“, sagte er zu ihr und gab seinen Mädchen noch einen Kuss bevor er zur Tür hinaus und zu seinem Wagen eilte. Mist! dachte sich Nora. Chris hatte also bemerkt wie betrunken sie gewesen war. Naja war ja auch kein Wunder. Sie hatte, glaubte sie zumindest so circa sechs Tequila und dann noch so anderes Zeug, aber das musste Jenny besser wissen. So ein Käse ärgerte sich Nora, dabei wollte sie Chris doch auf den Abend ansprechen, als sie heimgekommen war und er sie geküsst hatte. Egal, dann musste das eben bis zum Abend verschoben werden. Nora hatte das gemeinsame Frühstück beendet, als ihr Handy klingelte.
„Hallo?“
„Hey Süße … wie ich sehe, lebst du noch? Und wie ist es gelaufen?“
„Jenny, was war gestern? Ich habe voll den Blackout. Ich weiß null, bis zu dem Zeitpunkt, bis ich von ihm geküsst wurde“.
„Wow! Er hat waas?“, brüllte Jenny am anderen Ende der Leitung, was zur Folge hatte, dass Noras Kopf wieder kurz vor dem Zerspringen war. Was die Kinder, die noch am Esstisch saßen, ziemlich lustig fanden, bei dem gequälten Gesichtsausdruck den Nora machte.
„Jenny sei mir nicht böse, aber ich muss Schluss machen. Ich muss die Kinder fertigmachen … und eine Tablette könnte mir auch nicht schaden. Auf alle Fälle muss ich heute Abend unbedingt mit ihm reden. Irgendwas wird er ja bezweckt haben mit dem Kuss“. Jenny lachte am anderen Ende der Leitung und sagt dann „Ich finde es schon bemerkenswert, dass du dich an den Kuss erinnern kannst, aber an alles was davor oder danach passiert ist nicht. Du warst so sturzbesoffen, dass du mir nicht mal sagen konntest wo du wohnst. Zum Glück kannte ich die Adresse. Aber der Kuss, das weißt du … sehr seltsam“.
„Jaja, mach dich nur lustig. Ich muss nun aber echt los. Ich melde mich wieder bei dir. Bye“, sagte Nora und legte auf. „PPFF, so voll war ich nun auch wieder nicht“, murmelte sie noch und begann dann den Tisch abzuräumen. Wie es sich jedoch rausstellte, war es gar nicht so einfach ein Gespräch mit Christopher Baxter zu führen. Nora hatte das Gefühl, dass er ihr schlichtweg aus dem Weg ging. Jeden Abend saß er lange in der Firma, und wenn er einmal Zeit zu Hause verbrachte, dann saß er in seinem Arbeitszimmer. Selbst mit seinen Kindern verbrachte er nur wenig Zeit, was ihnen sehr weh tat und Nora es fast das Herz brach, sie so leiden zu sehen. Was brachte es kleinen Kindern, wenn ihr Vater sich spät abends in ihre Zimmer schlich und sie beim Schlafen beobachtete, wo er doch lieber am Tag mit ihnen herumtollen sollte. Nora entschied sich die Sache auf sich beruhen zu lassen. Vorerst einmal!Und während sich Nora ein paar Zimmer weiter ihre Gedanken machte, saß Chris in seinem Arbeitszimmer und starrte aus dem Fenster. Was sollte er nur tun? Nichts war mehr wie vorher, seit Nora ihm vor Tagen sagte, dass sie ihn liebte und er sie geküsst hatte. Wie sollte er nun weitermachen? Ihm war ganz komisch. Immerhin war er ihr Vorgesetzter und konnte nicht einfach sagen, dass er sie auch liebte. Aber wie das Schicksal manchmal so spielte, war man gegen seine Gefühle machtlos. Schon eine Woche nachdem Nora bei ihm eingezogen war, hatte Chris das Gefühl verspürt verliebt zu sein. Immer wenn Nora in seiner Gegenwart war, brachte er in einem Gespräch keinen ganzen Satz mehr zusammen. Immer wieder fing er an zu stottern und zu stammeln. Das war ihm das letzte Mal auf der Universität passiert, die nun auch schon ein paar Jahre zurücklag und nun war es wieder so. Wie damals, mit Herzklopfen, Kribbeln im Bauch und der ständige Gedanke an nur eine Person – sie! Ja er liebte Nora, die Anzeichen waren mehr als eindeutig, aber er durfte es einfach nicht. Er durfte sich nicht in seine Angestellte verlieben. Chris wurde aus seiner Trance gerissen, als er die Türklingel hörte. Wer mochte das noch sein? dachte er sich und ging nach draußen um zu sehen wer das war, doch Nora war schneller. Chris blieb fast das Herz stehen, als er sah was Nora anhatte und vor allem bei der Person, die vor der Tür stand.
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