1 ...6 7 8 10 11 12 ...16 "Was braucht man denn, um dort bleiben zu können ?"
"Unser wertvollstes Gut, nämlich Zeit und den nötigen guten Willen !"
Ich sah ihn an, er lächelte mir offen ins Gesicht und lachte laut auf.
"Ich weiß, davon haben wir nie genug… Nun, aber ohne Scherz. Ich kann Ihnen eine Empfehlung schreiben, und, vorher auch anrufen, denn auch Mönche in Tibet haben mittlerweile Mobiltelefone, zumindest gibt es eines in jedem Kloster, schon auch um eventuell Hilfe herbeiholen zu können, auch Mönche werden zuweilen krank und brauchen einen Arzt." "Wie lange dauert es, bis ich nach Tibet einreisen kann, bis die im Kloster wissen, dass ich komme, angenommen ich entscheide mich dafür, und was werden die Chinesen sagen, die ja die Herrschaft über Tibet innehaben ?"
"Die Chinesen haben von vielen Sachen, die bei uns vor sich gehen, keine Ahnung und sie müssen auch nicht alles erfahren. Zum Kloster kommen Sie über Schleichwege, Freunde werden Sie an der Grenze abholen und hinbringen, anders geht das ohnedies nicht, auch aus Sicherheitsgründen für die Mönche."
"Okay, aber wie wird das mit der Sprache, ich spreche zwar vier oder auch fünf Sprachen, darunter ist aber nicht die Landessprache von Tibet"
"Oooh, sie haben eine antiquierte Sicht der tibetischen Mönche, denn auch die reisen in der Welt herum, haben schon lange andere Sprachen gelernt, vor allem aber Englisch, schon allein durch die Nachbarschaft mit Indien und Pakistan – man wird Sie auf Englisch unterrichten, wenn Sie denn Englisch sprechen."
Ich lachte auf, ich war ja fast zweisprachig aufgewachsen, Englisch war, durch die Nachbarschaft mit einer amerikanischen Familie, geradezu zu meiner zweiten Muttersprache geworden. Die Kinder hatten fast kein Deutsch gesprochen und ich kein Englisch - wir brachten einander die jeweiligen Sprachen gegenseitig bei.
Die anderen Journalisten kamen ebenfalls auf die Veranda, ein humoristisches, oberflächliches Geplänkel kam auf. Ich ging hinein und trank noch ein Glas von dem Buttertee, schon allein um mich daran zu gewöhnen. Ich würde bald und sehr oft Butter-Tee trinken, denn mein Entschluss war gefasst, ich würde definitiv nach Tibet reisen um dieses Kloster zu besuchen, ich musste das tun, es gab keinen anderen Weg mehr.
Wieder zu Hause, suchte ich sofort das Kloster, vielleicht gab es ja auch Fotos im Internet. Aber da war nichts zu finden. Es hieß "Rimpung Che" und Rimpong hatte gelächelt, als er mir den Namen nannte.
"Ja, wie schon mein Name vermuten lässt, auch ich war Mönch in diesem Kloster gewesen, nahm auch von dort meinen Namen an - bevor ich, vor 15 Jahren, hierher kam, in die Schweizer Berge, um unsere Botschaft in die Welt zu tragen. Ich wurde auserwählt um diese ehrenvolle Tätigkeit ausüben zu dürfen – obwohl mir meine Heimat sehr fehlt. Ich werde Sie beneiden müssen, wenn sie wirklich hinfahren."
III
Drei Monate später beendigte ich meine Tätigkeit bei der Zeitung, heuerte beim Fernsehen an, ein Freund, ein Kollege, hatte mir diese Tür aufgestoßen, und es war leicht, ich hatte mir da ja auch schon einen gewissen Namen gemacht gehabt, man wusste, wen man da "bekam".
Ich verabredete, als Bedingung, eine kleine Auszeit, eben für die Reise nach Tibet, wo ich aber auch mit Material und einer Reportage zurückkehren wollte, als meinen Einstand in der neuen Redaktion der bewegten Bilder.
Ich hatte noch einige Male mit Rimpong, dem Chef-Lama in der Schweiz telefoniert, auch ein weiterer Besuch fand statt, ganz unkonventionell, gerade auch für einen tibetischen Mönch. Es war in einer Konditorei in Zürich. Da gab es in der Nähe, in Rikon eine große Tibeter-Gemeinde. Rimpong und ich waren mittlerweile regelrecht befreundet, wir lachten gemeinsam, auch über die gleichen Scherze, er verfügte ebenso wie ich, über einen sehr hintergründigen, eher schwarzen Humor.
Rimpong dachte an alles, er gab mir eine richtige Checkliste, mit Dingen die ich erledigen musste, vor der Reise, mit Details, was für Kleidung, bzw. auch Dinge die ich mitnehmen musste, die mir noch sehr dienlich sein konnten, im Kloster, in Tibet. Wir hatten sogar einige Flaschen Bier zusammen geleert, Rimpong hatte leuchtende Augen bekommen und ein gerötetes Gesicht, er war sichtlich euphorisiert, wollte am liebsten mitkommen, aber das ging nicht. Er wurde hier, in der Schweiz dringender gebraucht, als Oberhaupt der lokalen Gemeinde der Tibeter. Ich versprach, dass wir einander wiedersähen, wenn ich wieder zurück war, ich wollte auch genügend Fotos und Filme mitbringen - Rimpong sagte, er könne es kaum erwarten, die alte Heimat wiederzusehen, selbst wenn es nur auf Bildern oder in einem Video war.
Eine Woche später saß ich im Flugzeug nach Neu-Delhi und ein paar Tage später – ich wollte mich langsam an die asiatische Welt gewöhnen – saß ich im Flugzeug nach Srinagar, der Hauptstadt von Kashmir, von wo der Weg über Land fortgesetzt werden sollte. Ich verbrachte eine Nacht in einem der berühmten, schwimmenden Hotels, auf dem nicht minder berühmten Dal-See, in einem Zimmer, in dem schon Mahatma Gandhi geschlafen haben soll, aber derlei Legenden sollte man hier nicht allzu viel Aufmerksamkeit schenken, das war unserem "Jägerlatein" sehr verwandt. Ich erwachte vom Plätschern des Wassers, es war alles sehr friedlich und die Sonne, die da über dem Himalaya aufging, war Belohnung genug für das äußerst frühzeitige Erwachen und Aufstehen. Es war die pure Erregung, die mich nicht länger schlafen ließ, am liebsten wäre ich sofort nach Norden aufgebrochen, aber ich musste mir erst ein Transportmittel, bzw. auch ein oder zwei Träger organisieren, denn dass ich dann in der bereits dünneren Luft, wenn der Weg zu Fuß fortgesetzt werden musste, keine physischen Hochleistungen vollbringen konnte, war klar, wie das Wasser im See.
Aber ein Tag reichte aus, um diese Vorbereitungen zu treffen, die Leute im Hotel waren mir behilflich, man war froh vermittelnd eingreifen zu können. Einer der Träger sah auch ganz so wie ein Sohn des Hotelbesitzers aus, die Zeiten waren schlecht, gerade wegen der politischen Wirren und der islamistischen Anschläge, denen hier in der Stadt, schon unzählige Menschen zum Opfer gefallen waren. Es kamen auch keine Touristen mehr, von nirgendwo, auch die Inder kamen nicht mehr, alles lag brach. Die schmucken Hotels zerfielen langsam, für notwendige Renovierungen war kein Geld mehr vorhanden.
Auch ich musste zusehen, hier wieder wegzukommen, wie man mich warnte, die Islamisten nahmen nur all zu gern Ausländer als Geiseln, um dann, wie billige Gangster, ein Lösegeld erpressen zu können und dies dann als "großen Sieg" zu feiern. In deren Hände zu fallen hatte ich überhaupt keine Lust. Ich verbrachte die folgende Nacht in einem anderen Hotel, betrieben von einem Bruder des Besitzers vom ersten Hotel. Noch vor Tagesanbruch startete man den Jeep, wo auch zwei bewaffnete Uniformierte Platz nahmen, es war ein bisschen eng, aber besser so, als anders. Die Straße nach Norden war gut, der Motor schnurrte, ein russischer Jeep, der war an harte Bedingungen gewöhnt, wie man alsbald auch feststellen konnte, nämlich als man ein Flussbett, mit relativ schneller Strömung durchquerte, wozu man eine Manschette mit einem Schlauch an den Auspuff anbrachte, sodass seine Öffnung nicht unter Wasser geriet. Es schaukelte bedenklich, aber das Gefährt holperte ohne Zwischenfall durch die Furt. Auch über felsiges Gelände, die Straße war nach einem Attentat der Islamisten unbefahrbar, man musste einen Umweg über das rauhe Gelände nehmen, kein Problem, der Jeep hielt allem Stand.
Die Straße war so gut, dass wir zügig vorankamen, am zweiten Tag waren wir in Leh angekommen, wo bereits das erste große Kloster meine Aufmerksamkeit erregte. Gewaltig saß es auf der Spitze eines steinernen Hügels. Einige Kilometer südlich zweigte ein Feldweg nach links ab, nun ging's in die Berge, aber richtig. Auch wieder an Klöstern vorbei, Chemrey, dann hinauf nach Chang La, weiter nach Osten, am heiligen Berg Kailash vorbei, den die Gläubigen, wie schon immer, völlig ungenügend bekleidet und barfuß umrundeten. Aber so nahe an den Berg kamen wir nicht heran, unsere Route führte weiter in die Einöde. Ich will jetzt nicht länger mit Wegbeschreibungen Langeweile erzeugen, die Landschaft war so gewaltig und urtümlich groß, dass man sich unwillkürlich klein und unbedeutend fühlte. Ich konnte verstehen, dass die Einheimischen, diese Berge als Sitz der Götter ansahen. Wenn die Götter zürnten, dann spürte man das hier unmittelbar und mit unbarmherziger Gewalt. Man konnte nicht anders als Ehrfurcht haben, vor der Majestät dieser Berge. Wir passierten den letzten Kontrollpunkt des Militärs, in Tangtse, fuhren weiter auf einer noch engeren Straße, Feldweg, Trampelpfad, wäre die korrektere Bezeichnung. Es wurde immer schwieriger, teilweise abschüssig, einmal stieg ich aus, traute dem Jeep nicht mehr, aber alles ging gut, ich stieg wieder zu.
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