Als sie dort ankamen rannte Tom den beiden schon auf halben Weg entgegen, um sich zu erkundigen wie es ihnen ging, denn schließlich hatte er ja auch alles mit anhören müssen, was Livia und Kim auf dem Weg passiert war.
„Alles gut, mach dir keine Sorgen“, rief ihm Livia beruhigend entgegen. Allerdings hielt sie sich mit einer Hand das Knie, welches ihr doch noch etwas Schmerzen bereitete.
„Nun kommt doch erstmal rein und erzählt, was passiert ist“, sagte Gill, die nur ganz knapp von Tom erfuhr, was er selbst nur nebenbei über sein Handy mitbekommen hatte.
Dann saßen alle zusammen am Klapptisch im Wohnwagen und Livia erzählte ausschweifend, was passiert war. Kurze Zeit später klopfte es an der Tür und Tante Rosi kam herein. Sie brachte ihnen einen großen Teller mit frischgebackenem Kuchen. Tante Rosi hatte die ganze Aufregung mitbekommen und wollte nach dem Rechten sehen. Als sie das Knie von Livia sah, holte sie schnell ein Pflaster aus dem Haus und verarztete Livia, fast wie eine Krankenschwester.
„So, nun macht aber bitte keinen Blödsinn mehr.“ Als Tante Rosi den Satz sagte, wusste sie bereits, dass dieser Satz völlig überflüssig war. „Teenager die keinen Blödsinn machen, das wäre ja so, als würde man einem Hund verbieten mit dem Ball zu spielen“ und dann ging sie zurück ins Haus.
In der Tat war es so, dass sich Gill bereits einen Plan ausgedacht hatte, der nicht ohne ein vielversprechendes Abenteuer auszuführen war. Sie erzählte von dem verbotenen Schwimmbad, welches vor vielen Jahren stillgelegt wurde und vor allem, dass darüber schon viele gruselige Geschichten erzählt wurden.
„An Spannung hat es uns noch nie gemangelt“, bemerkte Tom und wollte mehr darüber erfahren.
Gill hatte einmal darüber einen Bericht in der Zeitung gelesen und kramte in den Stauräumen über ihren Köpfen, um nach diesem Artikel zu suchen. Schon nach kurzer Zeit hatte sie eine alte zerfledderte Zeitung in der Hand und legte sie auf den Tisch.
„Da, seht mal, da steht etwas über dieses alte Schwimmbad“, sagte Gill und breitete nun noch sorgfältiger die Zeitung auf dem Klapptisch aus, so dass alle das Foto und den Artikel darunter sehen konnten.
Tom zog die Zeitung an sich ran und tippte auf das Foto. „Ich weiß, wo das ist“, sagte er und grinste die anderen dabei an.
„Ich denke, das wissen wir alle“, konterte Kim.
„Das ist hinter dem alten Bahnhof am Südkai“, stellte Livia fest, die sich immer noch mit schmerzverzerrtem Gesicht das verletzte Knie hielt.
Tom tippte immer noch auf das Foto, als wenn er etwas ganz bestimmtes damit andeuten wollte.
„Was soll der Blödsinn?“, fragte Gill und Tom erwähnte, dass sie vor drei Jahren schon einmal dort gewesen waren; das Schwimmbecken war damals leer und ausgetrocknet.
„Das ist richtig“, sagte Livia, „aber wisst ihr noch etwas?“ Sie stellte die Frage so, als wenn sie ein Geheimnis enthüllen wollte.
„Was?“, wollten alle fast gleichzeitig wissen.
„Ich habe damals den Abflussstopfen in den Abfluss gedrückt.“ Livia lief etwas rot an, so, als wäre ihr diese Aktion etwas peinlich.
„Was willst du uns damit sagen?“, sprach Kim für alle.
„Na ja, wenn Ihr mal überlegt, wie viel es in den letzten drei Jahren geregnet und geschneit hat, dann könnte es doch gut möglich sein, dass das Schwimmbecken jetzt voll Wasser gelaufen ist.“
„Ich denke, das sollten wir auf jeden Fall überprüfen“, forderte Tom die anderen auf, und weil keiner etwas dagegen hatte, machten sie sich gleich auf den Weg zum alten Schwimmbad.
Der Plan
Beim Schwimmbad angekommen stellten sie fest, dass mittlerweile ein starker Bauzaun um die Anlage gebaut wurde, der ein Eindringen von unbefugten Personen verhindern sollte. Gill untersuchte als Erste den Zaun und vermutete, dass es schwierig werden könnte, auf das Grundstück zu gelangen.
„So ein Mist! Ich denke das können wir vergessen. Da kommen wir nie durch und schon gar nicht mit Livias verletztem Knie“, sagte sie, während Tom bereits zum hinteren Ende des Bauzauns gelaufen war.
Dort hat er eine Kuhle unter dem Zaun gesehen und vermutet, dass vielleicht ein Fuchs sich darunter durchgegraben haben könnte. Dann rief er alle zu sich.
„Na, was meint Ihr, kommen wir da durch?“
Tom sah in die Runde und als Gill die kleine Kuhle sah, zuckte sie mit dem rechten Auge und sagte: „Da passt vielleicht ein kleiner Hund durch, aber wir niemals!“
Das mit dem zuckenden Auge hatte Gill sich irgendwann mal angewöhnt, immer wenn sie scharf nachdenken musste. Dann kramte Tom einen Klappspaten aus seinem Rucksack und fing gleich an zu schaufeln, um die Kuhle noch weiter auszuhöhlen.
„Mann, was du alles in deinem Rucksack hast. Das ist ja unglaublich“, stellte Livia fest und setzte sich direkt neben ihn.
„Damit sind wir in null Komma nichts auf der anderen Seite.“ Tom grinste und ihm lief bereits der Schweiß von der Stirn.
Etwa eine halbe Stunde grub sich Tom durch den trockenen Boden, bevor er endlich einen Versuch wagte konnte hindurchzukriechen.
„Ich gehe zuerst und check die Lage auf der anderen Seite“, sagte er und dann schlüpfte er durch den Zaun wie ein kleiner Dachs. Auf der anderen Seite angekommen sah er sich prüfend um, aber er entdeckte nichts Ungewöhnliches, außer dass alles sehr stark verwildert war und dass dort ein Gebäude stand, das mit sehr vielen Verriegelungen versehen war, als würde man etwas darin verbergen wollen; oder vielleicht auch etwas eingesperrt haben, das nicht entkommen durfte. Bei dem letzten Gedanken wurde ihm etwas mulmig zu Mute und er lief zurück zum Durchgang, den er gegraben hatte.
„Alles in Ordnung!“, rief er den anderen zu, und nach und nach krochen Gill, Livia und Kim ebenfalls durch den gegrabenen Durchgang.
Gill und Kim stellten fest, dass sie sich überhaupt nicht mehr an dieses Gebäude erinnern konnten. Livia konnte sich noch ein bisschen daran erinnern, aber nicht, dass das Gebäude so verriegelt war, denn schließlich hatte sie den Abflussstopfen daraus geholt.
Zusammen liefen sie über das Grundstück, aber so ganz wohl war ihnen nicht bei der Sache und deshalb hielten sie genügend Sicherheitsabstand zum Gebäude. Dann gelangten sie zu dem Schwimmbecken und tatsächlich war es bis oben hin voll mit Wasser gefüllt. Das Wasser war zwar sehr trübe, so dass man nicht bis auf dem Boden sehen konnte, aber das machte ihnen überhaupt nichts aus, denn der Kanal, der an Tante Rosis Grundstück verlief, war noch viel verschmutzter und da waren sie fast jeden Sommer drin, um sich zu erfrischen.
Mit einem Satz sprang Tom in das Schwimmbecken, ohne sich vorher abzukühlen. Dann sprangen auch Kim und Gill hinein und erfrischten sich in dem kühlen Wasser. Livia saß am Beckenrand und tauchte nur ihre Füße in das Wasser, weil sie Angst hatte, dass sich Bakterien in ihrer Wunde einnisten könnten und sie sich dann eine fette Blutvergiftung einfangen würde.
Das ganze Schwimmbecken war voll mit Seerosen, wie bei einem Teich. Plötzlich schrie Kim und konnte sich gerade noch über Wasser halten. Tom und Gill schwammen sofort zu ihr rüber, um nachzusehen was da los war. Irgendetwas hatte sich um Kims Füße gewickelt. Nur mit Mühe konnten Gill und Tom sie davon befreien.
Kim ging sofort aus dem Wasser und auch Livia zog es vor, nicht mehr ihre Füße in diesem Wasser zu baden. Gill und Tom tauchten kurz unter und kamen danach gleich wieder an die Wasseroberfläche zurück. Tom hatte irgendetwas in der Hand und stieg damit aus dem Becken. Gill hatte ebenfalls etwas in der Hand und legte es an den Beckenrand. Dann stieg auch sie aus dem Becken und schüttelte sich, denn in ihren Haaren hingen noch ein paar Seerosenblätter.
„Was ist das?“, fragte Kim und auch Livia untersuchte bereits das Ding, das Tom aus dem Wasser gefischt hatte.
Читать дальше