Panev lehnte sich zurück. „Warum schnell, ich habe mir extra viel Zeit genommen. Ich habe heute den ganzen Abend für Sie Zeit, - und auch morgen Abend. Wenn Sie Ihre Sache gut machen, werde ich Ihnen helfen und Sie bekommen, was Sie wollen. Aber wie gesagt, - wenn Sie Ihre Sache gut machen. Machen Sie auch nur einen kleinen Fehler, können Sie gehen und die Geschichte ist durch. Ich gehe davon aus, Sie haben mich verstanden.“
Tatjana wusste, was sie erwartete. „Sagen Sie mir, was ich tun soll?“ Panev lachte und machte sich über sie lustig. „Sie werden viele schöne Sachen für mich tun! Wir werden ein bisschen miteinander spielen oder sagen wir besser, ich werde mit Ihnen spielen! Und wenn Sie schön mitgespielt haben, sage ich Ihnen an unserem dritten Abend, was Sie für mich tun können. Dann gebe ich Ihnen, was Sie brauchen und Sie besorgen mir, was ich brauche. Danach werden wir unser kleines Geschäft vergessen.“
Tatjana war geschockt. „Habe ich Sie richtig verstanden? Wir verbringen drei Abende zusammen und erst dann sagen Sie mir, was Sie eigentlich wollen?“
„So ist es, - das heißt, wenn Sie inzwischen keinen Fehler machen!“ Panev lachte noch dreckiger als sonst und forderte Tatjana auf zu sagen, ob sie mitspielen wolle, oder nicht.
Sie dachte an ihren Bruder, an die Drohung von Putkin und an ihr sorgenfreies Leben, wie sie es noch bis wenige Tage zuvor gewohnt war. Sie wünschte sich nichts mehr, als dass alles wieder so sein sollte, wie es früher war. „Ja, ich will mitspielen.“
Bereits an diesem Abend wurde Tatjana gedemütigt, wie nie zuvor in ihrem Leben. Es sollten die drei schlimmsten Tage ihres Lebens werden.
Panev stand auf und holte einen alten Radiorecorder aus seinem Schrank. Er ließ eine Kassette mit russischen Liedern spielen. Dann deutete er auf den Stuhl gegenüber seinem Schreibtisch. „Setzen Sie sich. Wir werden essen, ich habe uns etwas mitgebracht.“ Aus einer Tüte holte er eine Blechdose, die mit mehreren belegten Broten befüllt war. Er nahm den Deckel ab, schob sie in die Mitte seines Schreibtischs und forderte Tatjana auf zuzugreifen. Die Dose schien seit Ewigkeiten kein Wasser mehr gesehen zu haben. An den Rändern klebten alte Butter und längst hart gewordene Wurstreste. Panev bediente sich und stopfte mehrer Brote in sich hinein. Er schob die Dose näher an Tatjana heran. Brotaufstrich hing in seinem Mundwinkel. „Nehmen Sie“, sagte er und kaute während dessen weiter. Tatjana wurde übel, um ihn aber nicht zu beleidigen, griff sie zu. Nur mühsam und mit letzter Überwindung gelang es ihr, einige Bissen zu schlucken.
Panev hingegen schien es zu schmecken und so schaufelte er förmlich in sich hinein. „Na, schmeckt es Ihnen?“ Tatjana versuchte zu lächeln. „Ja, danke gut.“ Er zeigte sich immer ausgelassener. „Wissen Sie noch, was wir ausgemacht haben? – Wir haben gesagt, wenn Sie wieder kommen, werden Sie das auf Knien tun!“ Er lachte laut. „Sicherlich haben sie es nur vergessen!“
Tatjana zögerte noch einen Moment, dann erhob sie sich von ihrem Stuhl, schob ihn zur Seite und kniete langsam nieder. Panev stand ebenfalls auf, stellte sich neben sie und befahl ihr zu krabbeln. „Schneller, immer schön im Kreis herum! Denken Sie einfach, Sie wären ein Zirkuspferd!“ Immer lauter schrie er sie an. „Ich habe gesagt schneller, oder sind Sie auch dafür zu dumm?“ Sie krabbelte so schnell sie konnte und rieb sich dabei ihre Knie blutig. „Sie sehen erbärmlich aus!“ spottete er. „Sie langweilen mich. Los stehen Sie auf! Machen Sie die Musik lauter und tanzen Sie!“ Wieder zögerte sie, dann stand sie auf. Es war keine Musik, auf die man tanzen konnte, aber sie versuchte, sich so rhythmisch zu bewegen wie möglich.
Noch bis spät in die Nacht, musste sie sich seinen widerwärtigen Spielen hingeben. Was genau an diesem Abend geschah erzählte sie außer Putkin nie mehr jemandem.
Schon am zweiten Abend war sie so erniedrigt, dass sie einem Nervenzusammenbruch nahe war. Sie hatte sich und ihren Bruder aufgegeben. In ihrer Not ging sie am nächsten Morgen in die Boutique, in die Putkin sie eingeladen hatte. Sie wollte dort keine Kleider kaufen, sondern einfach nur einer anderen Frau nahe sein. Eine Zeit lang fand sie Gehör bei einer Angestellten, dann wurde sie von ihr mit Putkin verbunden. Über eine Stunde lang berichtete sie ihm, was geschehen war. Zu dieser Zeit hatte sie längst ihren Stolz verloren und schilderte ihm sämtliche Einzelheiten. Sie werde die Sache aufgeben und beenden, bat ihn aber noch um einen letzten Gefallen. „Bitte nehmen Sie mich, aber lassen Sie meinen Bruder gehen.“
Seine gewohnt ruhige Stimme klang schon beinahe wie ein Rettungsanker. „Bleiben Sie im Laden, ich lasse Sie sofort abholen.“
Nur kurze Zeit später saß sie mit Putkins Leuten in seiner Limousine und fuhr zu ihm nach Hause. Lange redete er auf sie ein, teilweise beruhigend, aber auch durchaus fordernd. „Tatjana, es ist schrecklich, was Sie durchstehen mussten. Aber Sie können und werden jetzt nicht aufgeben. Gehen Sie heute Abend wieder zu ihm und erfüllen Sie ihm alle Wünsche. Sobald er damit herausrückt, was er eigentlich will, laden Sie ihn für morgen in Ihre Wohnung ein. Bieten Sie ihm alles, was eine Frau bieten kann.“
Nachdem sie Panev auch an diesem Abend für mehrere Stunden zu Willen war, erfuhr sie von seinen Absichten.
„Sie Schlampe werden für mich nach New Orleans fliegen! Dort findet zurzeit ein Kongress für Chemiker statt. Es ist alles vertreten, was in der Branche Rang und Namen hat. Unter anderem wird dort auch ein gewisser Dr. Greene anwesend sein. Er ist ein ausgewiesener Experte für das stärkste Gift der Welt – Botox. Es ist mittlerweile, da es relativ leicht herzustellen ist, in allen Arzt- und Kosmetikpraxen vorrätig, aber der Erreger muss zuerst für den Waffeneinsatz optimiert werden. Ist das der Fall, wäre jeder einzelne Soldat in der Lage Mengen mit sich zu führen, um damit ganze Dörfer eliminieren zu können. Denken Sie nur mal an den Israel-Palästina-Konflikt. Im Moment kommen dort auf jeden getöteten Israeli 400 getötete Palästinenser. Was denken Sie wird ein Palästinenser mit Botox tun, wenn er es erst mal in Händen hält? – Gut, das alles wird eine Schlampe wie Sie zwar nicht verstehen, aber Sie werden es verstehen an die Formel von Dr. Greene zu kommen! Mit so einem Körper!“ Wieder starrte er sie abfällig von oben bis unten an. „Naja, vielleicht sollten wir Ihren Körper noch ein bisschen verschönern! Wissen Sie, dieses kleine schwarze Dreieck da unten, empfinde ich als störend. Ich denke, wir sollten es rasieren.“
„Nein!“ schrie Tatjana. „Das werden Sie nicht! Ich kann nicht mehr und deshalb werde ich jetzt gehen. Es ist mir auch völlig egal, ob Ihnen das Recht ist oder nicht. Ich werde Ihr Büro nicht mehr betreten! Sie haben gesagt, wenn der Deal besprochen ist, lassen Sie mich in Ruhe. Ich gebe Ihnen noch einen Tag. Sie können morgen Abend mit zu mir kommen und Ihre abartigen Fantasien ein letztes Mal ausleben. Meinetwegen rasieren Sie mich, aber dann lassen Sie mich für alle Zeit in Ruhe!“
Panev lachte. „Okay, abgemacht! Wir fahren morgen gemeinsam zu Ihnen und danach fliegen Sie nach New Orleans!“
Tatjana zog sich an und verließ sein Büro. Vor der Firma wartete bereits Putkin mit seinen Leuten auf sie. Auf der Fahrt zu ihrer Wohnung schilderte sie ihm Panevs Absichten. Als sie schon vor ihrer Haustür waren und sie gerade aussteigen wollte, ermahnte sie Putkin mit ungewohnt scharfer Stimme. „Hören Sie zu, Tatjana. Sie haben das heute sehr gut gemacht, aber das gleiche erwarte ich morgen Abend von Ihnen.“
Sie nickte wortlos und stieg aus. Oben angekommen, legte sie sich zusammengerollt auf ihr Bett und weinte. Irgendwann schlief sie vor Erschöpfung ein.
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