„Weibergerede!“ Damit war es für Seqen-en-Re beschlossene Sache.
Ah-hotep verabschiedete ihren kleinen Bruder sehr herzlich. Sie mochte den stillen, nachdenklichen Burschen, hatte aber auch Gewissensbisse, ihn für ihre Karawane zu missbrauchen. Natürlich hatte Seqen-en-Re Recht: Nicht nur, dass man einem königlichen Prinzen nirgendwo einen Wunsch abzuschlagen wagte, sondern weil seine Gegenwart auch die eigenen Leute anstachelte, stets ihr Bestes zu geben. Vielleicht war es auch tatsächlich gut, Ka-mose bei dieser Gelegenheit, wie Pharao meinte, einmal die Atmosphäre eines Kriegszuges schmecken zu lassen. Es wird sich herausstellen, wie es sein wird, dachte Ah-hotep und eilte zu dem kleinen Tempel, den Pharao Seqen-en-Re als Erste seiner Amtshandlungen gleich nach der Krönung hatte erbauen lassen. Sie betete zu Ah, dem Mondgott, der zugleich Schutzgott ihrer Familie war, damit dem kleinen Bruder eine glückliche Heimkehr vergönnt sei. Sie bat aber auch um den wirtschaftlichen Erfolg der Mission und zog dann ein Amulett aus den Falten ihres Gewandes, von dem niemand wissen durfte, dass sie es überhaupt besaß. Es zeigte den Gott der Fremdherrscher des Nordens, Seth, den Mörder des Osiris, der in den Wüsten herrschte. Doch auch ihn, den Schlimmsten ihrer Feinde, wollte sie zumindest um die gesunde Heimkehr des Bruders bitten. Er war der Herr der Wüste, welche die Karawane schließlich durchqueren musste, um zunächst zum Meer zu gelangen. Und jeder wusste, dass man leichter auf dem Meer überlebte, als in der bergigen Wüste des Ostens. Da Ah-hotep jedoch von ihrer Mutter gelernt hatte, dass man immer versuchen sollte, mit seinen Gegnern im Gespräch zu bleiben, wollte sie auch Seth anrufen. Wie oft schon hatte sie gegenteilige Meinungen umstimmen können. Vielleicht gelang es ihr ja auch in diesem Fall, den unerbittlichen Gott der Wüste zu überzeugen, den Bruder und seine Kameraden zu verschonen und gesund heimkehren zu lassen. Dann eilte sie zum Mammisi hinüber, wo die Geburtshelferinnen schon auf sie warteten.
Nicht nur Teti-scheri schüttelte den Kopf. Schnell und nüchtern, ohne jegliches Aufheben hatte Ah-hotep ihr zweites Kind zur Welt gebracht. Es war ein Mädchen, ein wunderhübsches dazu, wie alle in der Geburtslaube meinten. Und da das Kind ihrer armen Schwester Satdji erst vor wenigen Wochen verstorben war, gab sie ihm dessen Namen, fügte allerdings noch den Zusatz hinzu, der sie als die Kleine kennzeichnete: Ah-mose-scheri.
Pharao war es verhältnismäßig einerlei, wie das Kind genannt werden sollte, war es doch nichts weiter als ein Mädchen. Als ob dies der Nachlässigkeit Ah-hoteps zu verdanken gewesen wäre, teilte er ihr nüchtern mit, dass sie sich, sobald sie wieder empfängnisbereit sei, zur Verfügung stellen solle, damit er den Fehler ausmerzen könne. Teti-scheri blinzelte ihrer Tochter zu: Murschili könne ihr mit Sicherheit eine Kräuterzubereitung nennen, mit der dies hinauszuzögern sei.
„Murschili? Der Pferdebändiger aus den Bergen hinter dem Grünen Meer?“ Ah-hotep wollte es kaum glauben, dass ihre Mutter mit dem zwar netten, aber maulfaulen und ständig nach Pferden riechenden Mann Umgang hatte.
„Niemand kennt Pferde besser als er. Doch darüber hinaus weiß er auch über die Menschen Bescheid. Ich sag’s dir“, Teti-scheris Stimme nahm einen verräterisch schwärmerischen Ton an, „keiner versteht Frauen besser als er.“
„Ach so“, wunderte sich Ah-hotep.
Der gar nicht einmal so übel schmeckende Kräutersud tat seine Wirkung. Doch eines Abends platzte Seqen-en-Re nach seiner Rückkehr vom geheimen Teich völlig unerwartet in Ah-hoteps Gemächer. Ungewaschen und verdreckt wie er war, ließ er sie wissen, dass es ihm einerlei sei, ob sie empfängnisbereit war oder nicht. Er würde sie ab sofort jeden Abend bespringen, bis sie endlich wieder schwanger war. Ah-hotep setzte den Kräutertrank augenblicklich ab und hoffte, dass bald wieder ein Kind in ihrem Bauch heranwuchs. Es dauerte nicht lang und das Getreide keimte abermals in ihrer Alabasterschale.
Ah-hoteps zweite Tochter kam genau an jenem Tag zur Welt, als Prinz Ka-mose mit seiner Karawane wieder in Gebtu eintraf. Bevor sie in der Geburtslaube verschwand, hatte man Ah-hotep nur noch sagen können, dass er wohlauf war und mit sagenhaften Reichtümern wiedergekehrt sei. Also beeilte sie sich, das Anstehende zu erledigen, da sie am Abend, wenn er von seiner Reise berichten würde, unbedingt anwesend sein wollte. Murschilis Petersilienwurzelbrei half auch ihr.
Pharao war verärgert, dass Ah-hotep einem weiteren Mädchen das Leben geschenkt hatte. Man könnte fast meinen, sie tat es mit Absicht, schimpfte er. Fast wollte er sie schon vom abendlichen Rapport ihres gemeinsamen Bruders Ka-mose ausschließen. Dann besann er sich jedoch ihrer stets kenntnisreichen Einlassungen und verzichtete darauf. Stattdessen besuchte er Sat-djehuti-sat-ibu, die er nicht mehr bemüht hatte, seit sie ihre Tochter verloren und von da an nur noch ein bedrücktes Gesicht zur Schau gestellt hatte. Also entschied Ah-hotep allein über den Namen des Mädchens und nannte sie Ah-mose Henut-em-pet – Ewige Gebieterin des wiedergeborenen Mondes. Seqen-en-Re, das wusste sie, würde den Namen keinesfalls mögen. Lehnte er doch grundsätzlich Namen ab, die Frauen als Gebieterinnen benannten.
Noch geschwächt von der Niederkunft ließ sich Ah-hotep in einer Sänfte in die große Halle des Palastes von Sedjefa-taui tragen. Sequen-en-Re würdigte sie keines Blickes, sondern besah sich, was Ka-mose alles aufgestapelt hatte, damit die Familie einen Eindruck von den Dingen bekommen konnte, die er von der Exkursion zurückgebracht hatte. Das Jahr, das er fort gewesen war, hatte ihn verändert. Er war gewachsen, er war kräftiger geworden und das Kindliche in seinem Gesicht nahezu verschwunden.
„Wie viel Zedernholz hast du mitgebracht?“, fragte Pharao ohne sich überhaupt nach dem Wohlbefinden seines Bruders zu erkundigen.
„Leider nicht viel“, entgegnete der.
„Was?!“ Die Adern traten auf Pharaos Schläfen hervor. „Wir haben dich eigens ausgeschickt, damit du uns welches besorgst und du bringst diesen Plunder hier?“
„Dieser Plunder ist Gold, Elfenbein und Ebenholz. Weihrauch, Myrrhe und Gewürze“, gab Ka-mose entrüstet zurück.
„Mit dem Quatsch können sich die Weiber behängen oder Schmuckkästlein für ihre Geschmeide fertigen lassen. Ich aber will Schiffe bauen. Hörst du, richtige große Schiffe, auf denen ich eine Streitmacht nilaufwärts schicken kann.“
„Dann hättest Du mich nicht nach Punt schicken sollen. Dort gibt es kaum noch Zedern. Sie sind fast alle schon längst abgeholzt. Für zwei oder drei Schiffe mag es aber ausreichen, was ich mitgebracht habe.“
„So, so … Für zwei oder drei Schiffe … Ich brauche aber mindestens noch zehn Schiffe! Oder kann man etwa aus Elfenbein und Ebenholz Schiffe bauen? Wohl kaum!“
Ah-hotep versuchte, Pharao zu beruhigen. „Zunächst sollten wir uns doch wohl darüber freuen und dankbar sein, dass unser Bruder Ka-mose wieder gesund bei uns ist. Zudem ist es ja auch alles andere als wertloser Plunder, den er mitgebracht hat.“
„Für mich ist es das aber“, brüllte Pharao. „Was soll ich mit dem Kram? Ich brauche Schiffsbauholz und zwar schnell. Dass du, meine liebe Schwester und Gemahlin, deinen kleinen Bruder natürlich verteidigst, leuchtet mir ein. Ist er doch genauso nutzlos wie du. Schau dir doch den Krempel an! Straußenfedern, Leopardenfelle, Gold und duftendes Puder. Und du wirfst eine Tochter nach der anderen, während das ganze Land auf einen Thronfolger wartet!“
„Nun beruhige dich erst einmal wieder.“ Fauchend wie die Löwengöttin Sachmet war Teti-scheri aufgesprungen und zu ihrem Sohn getreten.
„Fass mich nicht an, Mutter!“, schrie Seqen-en-Re. „Ich bin kein Kind mehr, das du schlagen kannst!“
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