1 ...8 9 10 12 13 14 ...27 Teti-scheri vermutete jedoch ihren Ältesten hinter der vermeintlichen Vergiftung und sprach mit Pharao darüber. Der war außer sich. Zum einen über seinen skrupellosen Sohn, zum anderen aber auch über die Ränkeschmiede der Weiber, mit der sie die gottgegebenen Funktionen ihrer Körper zu beeinflussen suchten. Es sei nichts anderes als ein Vergehen gegen die Ma’at, meinte er. Und um all dem ein Ende zu bereiten, bestimmte er, dass Sequen-en-Re demnächst offiziell zu seinem Nachfolger erklärt und bei selbiger Gelegenheit Ah-hotep zu dessen Großer königlicher Gemahlin erhoben werden würde. Nachwuchs wäre dann eine private Angelegenheit zwischen Ehemann und Weib und die beiden Kinder würden sich gewiss schon irgendwie einig werden. Seinen Sohn allerdings auch zum Mitregenten zu erheben, lehnte er jedoch rundweg ab. Denn dadurch würde ihm dessen Kriegstreiberei nur zu leicht gemacht. Nein, Seqen-en-Re würde mit seinen Plänen warten müssen, bis er, Senacht-en-Re Ah-mose zu Osiris geworden war.
Seqen-en-Re war verletzt von der Entscheidung seines Vaters, ihn nicht zum Mitregenten zu ernennen. Er warf ihm vor, dass er das Volk nur einlullte mit seinen faulen Kompromissen, ja, es regelrecht mit Wohlleben und einem auskömmlichen Dasein bestach, damit es den unehrenhaften Status des Vasallentums klaglos hinnahm. Sein Vater sah dies vollkommen anders, meinte er doch, dass die Sorge um das Wohlergehen des Volkes zu den obersten Aufgaben eines Pharaos gehörte, während Sequen-en-Re so vergängliche wie fragwürdige Dinge wie Ruhm und Ehre an die erste Stelle setzte. Seine Mutter sowie Ah-hotep, von denen er wusste, dass ihnen seine Überlegungen eigentlich keineswegs so abhold waren, wie sie nun den Eindruck erweckten, hielten jedoch fest zu Pharao. Die Götter hatten ihn auf diese Position gesetzt und sie würden schon ihre Gründe gehabt haben.
Es war ein herrlicher Tag im vierten Monat des Peret, kurz vor der Zeit der Reife, als Pharao Senacht-en-Re Ah-mose, seinen Erstgeborenen offiziell zum Thronfolger und seine älteste Tochter zu dessen Großer königlicher Gemahlin ernannte. Da die Feiern in Waset stattfanden, schon allein, um die religiöse Bedeutung dieser Erhebung zu betonen, hatte alle Welt vermutet, Seqen-en-Re würde auch zum Mitregenten erklärt werden. Sogar Apopi hatte eine Delegation entsandt, die von seiner Tochter Harta begleitet wurde. Offensichtlich hatte er gehofft, dass es nach all den Jahren gedeihlicher Koexistenz vielleicht sogar eine Verbindung zwischen beiden Häusern geben könnte. Als Geschenk ließ er eine wertvolle Opferplatte überreichen, auf der sein Name eingraviert war. Und zwar nicht, wie sonst üblich, sein Thronname, sondern der Horusname, der die Absichten seiner Regierung unmissverständlich zum Ausdruck brachte: Apopi-se-hetep-taui – Apopi, der die beiden Länder zufrieden stellt.
Unverrichteter Dinge kehrte Harta nach Avaris zurück. Pharao vermied jedoch einen Affront, indem er Apopi wissen ließ, dass sein Sohn von der Schönheit und dem Liebreiz Hartas völlig hingerissen war, am Tag der Erhebung seiner Schwester zu seiner Großen königlichen Gemahlin aber selbstverständlich nicht noch eine weitere Frau zur Gattin nehmen konnte. Zu gegebener Zeit, wenn Seqen-en-Re schließlich den Thron bestieg, würde er sich aber mit Gewissheit Hartas erinnern. Nach außen hin war der unglücklichen Begegnung somit der Stachel des Affronts genommen. Doch aufgelöst in Tränen berichtete Harta ihrem Vater, dass sie kaum je eine schönere Frau als Ah-hotep gesehen habe und sie sich alleine schon aus diesem Grund bei der öffentlichen Gegenüberstellung mit ihr herabgesetzt fühlte. Bei dieser Gelegenheit war sie von Ah-hotep in einem unbeobachteten Augenblick angesprochen worden.
„Ach, wie nett, dass Dein Vater auch den Süden zufriedenstellen möchte. Aber wie Du siehst, strahlt der Mond so hell über unserem Land wie schon lange nicht mehr.“
Apopi war also gewarnt, dass mit Sequen-en-Re und seiner Großen königlichen Gemahlin anders umzugehen sein würde, sobald der Prinz erst einmal den Thron bestiegen hatte. Er hoffte also, dass Pharao Senacht-en-Re noch viele Jahre vergönnt sein würden, damit bis dahin genügend Gras über die Sache gewachsen war und die Menschen sich an das friedliche Nebeneinander der beiden Teilstaaten gewöhnt hatten.
Die erste Nacht mit Seqen-en-Re war so, wie Ah-hotep es befürchtet hatte.
„So, Schwesterchen“, grinste er sie an. „Jetzt wird erst einmal gemacht, was ich dir sage. Setz dich! Und zieh dich aus!“
Ah-hotep empfand es als erniedrigend, was ihr Brudergemahl von ihr verlangte. Nicht dass es Dinge waren, von denen sie noch nie gehört hätte oder auf die sie nicht vorbereitet gewesen wäre. Es war Seqen-en-Res Blick, der Ton in seiner Stimme und sein grobes Verhalten, die Ah-hotep sich zu einer Sklavin erniedrigt fühlen ließ; zu einer Sache, mit der man tun und lassen konnte, was man wollte. Natürlich musste sie als Ehefrau all das tun, was ihr Mann von ihr verlangte. Aber sie hatte sich so sehr gewünscht, dass Seqen-en-Re sie, wenn nicht herzlich, so doch wenigstens freundlich dazu auffordern würde. Barsch befehlend nahm er sich jedoch, was immer er wollte und empfand offensichtlich große Lust dabei.
Die ersten Wochen wurden für Ah-hotep zu einer wahren Leidenszeit, was man ihr auch ansah. Ihrer Mutter gegenüber hatte sie auf Nachfragen immer behauptet, dass die geschlechtlichen Begegnungen mit ihrem Bruder angenehm gewesen seien. Doch Teti-scheri kannte ihre beiden Kinder. Schließlich schüttete Ah-hotep eines Tages der Mutter ihr Herz aus.
„Halt durch, mein Kleines!“ riet ihr Teti-scheri. „Sieh zu, dass du bald einem Sohn das Leben schenkst, dann hast du deine Ruhe. Und damit er möglichst schnell ein wenig Abwechslung findet, sollte man ihm eine Nebenfrau geben.“
Ah-hotep starrte ihre Mutter erschrocken an. „Harta?“
„Bist du irre geworden?“ Teti-scheri erschrak nun ihrerseits. „Das wäre das Allerletzte, woran ich dächte. Der zukünftige Pharao besteigt das Entlein aus Avaris und zeugt grässliche Bastarde. Niemals!“ Mit zärtlicher Stimme fuhr sie fort. „Nein, keine Frau aus fremdem Haus wird Mutter des übernächsten Pharaos. Wir werden eine reinblütige Dynastie gründen, frei von schädlichen Vererbungen. Es wird schon allein etliche Generationen dauern, bis die Verunreinigungen durch mich, die ich ja nicht königlichen Geblüts bin, aus dem Blut der Gottkönige ausgeschwemmt sein werden. Nein, ich habe da an Sat-djehuti-sat-ibu und Ah-mose Inhapi gedacht.“
Ah-hotep wollte ihren Ohren nicht trauen. Beide ihrer Schwestern sollten dem Erbarmungslosen vorgeworfen werden? Satdji, wie sie alle nur nannten, war gerade zwölf geworden und Inhapi noch nicht einmal acht.
„Ach was!“, kam als Antwort. „Sie sind alt genug! Satdji ist rollig wie eine Katze. Neuerdings stolpert sie ständig vor den Wachen. Und Inhapi hat sowieso nichts anderes im Kopf als Kleider, aufwändige Perücken und stundenlanges Schminken. Wer weiß, vielleicht bringt die Ehe etwas Abwechslung in ihr ödes Leben. Ich rechne aber schon damit, dass mein Sohn den Anstand aufbringt, das Kind noch eine Weile in Ruhe zu lassen. Und wenn nicht … Inhapi ist kräftig genug, dies alles zu überstehen. Man könnte fast meinen, sie wäre eine Kriegerin, so wie Du. Wenn sie nur nicht so … so beschränkt wäre. Nein, die Blutlinie der Familie muss rein bleiben.“
Jeden dritten Morgen goss Ah-hotep nun etwas von ihrem Urin über die Getreidekörner, die zu diesem Zweck in einer Alabasterschale bereit standen. Es dauerte nicht lang und die ersten keimten. Einen Tag später zeigten fast alle Leben. Dies war ein recht zuverlässiges Zeichen für eine Schwangerschaft und da Ah-hotep sich tatsächlich kurz darauf ständig übergeben musste, andererseits aber auch Heißhunger auf die eigentümlichsten Dinge entwickelte, schworen die Geburtshaushelferinnen, dass es keinen Zweifel daran gäbe, dass die Frau des Thronfolgers schwanger war. Sobald sich ein Bäuchlein zeigte und Seqen-en-Re Angst davor hatte, das Kind in ihrem Bauch mit seiner „Geschlechtskeule“ zu erschrecken ‑ denn so nannte er sein Glied ‑, wurde ihm Satdji zur Nebenfrau gegeben. Ah-hotep stand wenige Wochen vor ihrer Geburt, als auch Satdji schwanger war.
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