Als wäre die offizielle Anerkennung Seqen-en-Res zum Nachfolger der Anbeginn seines Leidens gewesen, kränkelte Pharao seither. Zuerst bekam er juckende Pusteln an seinem Körper, die ihn Tag wie Nacht quälten. Kaum war er genesen, bekam er Fieber, einen trockenen Husten sowie Leibschmerzen. Teti-scheri machte sich nun aufrichtig Sorgen um ihren gerade einmal dreißigjährigen Ehemann, besonders nachdem genau an jenen Stellen, wo vorher die Pusteln waren, kleine, wässrige Quaddeln entstanden, die aussahen wie Brandblasen. Die Ärzte taten natürlich wie immer so, als ob sie die Angelegenheit völlig im Griff hätten. Der Überzeugendste sprach von der Eselserkrankung, nachdem Pharao ihm auf seine Nachfrage hin erzählt hatte, dass er vor einiger Zeit einen Esel berührt habe, als er in Waset war.
„Einen Esel!“, schrie der gesamte, gaffende Hofstaat. „Der Gute Gott hat einen Esel berührt!“
Teti-scheri war sofort davon überzeugt, dass der Arzt recht haben musste. Wurde der Gott Seth, den die Fremdherrscher in Avaris als den Höchsten ihrer Götter anbeteten, doch oft mit einem Esel gleichgesetzt. War es doch der Esel, den selbst die trostlosesten Wüsten nicht schreckten, in denen Seth hauste … Den bösen Menschen im Delta sei alles zuzutrauen, klagte Teti-scheri und befahl dem Arzt, ihren Mann augenblicklich zu heilen. Unter inständigen Bittgesängen wurde aus feinstem Kuchenteig ein Eselsphallus gebacken, den man anschließend in fettes Fleisch einwickelte und der Hauskatze zum Fraß vorwarf. Durch seine Beschwörungsformeln, so versprach der Arzt, würde schließlich aus der Hauskatze die Göttin Mafdet werden.
„Mafdet?“, fragte Teti-scheri erstaunt. „Das ist aber eine alte Göttin. Könntest du nicht eine bekanntere anrufen? Bastet etwa oder die Löwengöttin Sachmet zum Beispiel, von denen man heutzutage weitaus häufiger spricht.“
Der Arzt bedauerte und sagte seine Formeln für Mafdet auf. Dummerweise war die Hauskatze, die Pharao liebevoll, aber völlig zu Unrecht „mein Mäusefresserchen“ nannte, andere Leckerbissen gewohnt. Ah-hotep musste trotz der ernsten Lage fast laut losprusten, als man schließlich sämtliche Katzen, derer man im Palast habhaft werden konnte, in Pharaos Schlafgemach schleppte. Es dauerte nicht lange und es gab eine unsägliche Balgerei, um die fragwürdige Delikatesse. Bevor man es sich versah, war das fette Fleisch verschwunden. Übrig blieb ein arg ramponierter Eselsphallus aus Kuchenteig.
„Aha“, staunte Teti-scheri. „Jetzt verstehe ich. Als Göttin kann Mafdet sich einen so mächtigen Gott wie Seth nicht zum Feind machen und ihn direkt angreifen. Also wickelt man etwas Leckeres darum und lässt die Bestien ihren Hunger stillen. Wenn dabei unbeabsichtigterweise das Umwickelte Schaden nimmt, ist es nichts weiter als ein Unglücksfall. Wenngleich ein erheblicher.“ Ein Lächeln huschte über Teti-scheris Gesicht, als sie das vollkommen zerfetzte Kuchenglied betrachtete.
Es dauerte keine Woche und Pharao war wieder vollkommen genesen. Er war ganz der Alte. Er freute sich über den zu erwartenden Nachwuchs seiner Töchter, konnte er es doch kaum noch abwarten, endlich einmal wieder den Duft eines Neugeborenen riechen zu können. Für Pharao Senacht-en-Re Ah-mose war es der schönste und berückendste Duft überhaupt.
Sein Sohn und Thronfolger hatte sich gewandelt. Jetzt, wo jeder, der Ah-hotep untersucht hatte, ihm bestätigte, dass es ein Junge werden würde und auch seine Gemahlin der festen Überzeugung war, das sie einen Sohn austrug, zeigte er sich ihr gegenüber zumindest respektvoll. Denn falls sie tatsächlich eine Königsmutter werden sollte, hätte sie zukünftig deutlich mehr Macht. Aber auch Satdji wurde nun höflich von Seqen-en-Re behandelt. Obgleich alle Orakel behaupteten, dass es ein Mädchen werden würde, bestand sie darauf, dass ihr eine Erscheinung im Schlaf geweissagt hatte, dass es ein großer König werden würde, der in ihrem Bauch heranwuchs. Selbst Inhapi, das ständig fröhlich schnatternde Ding, wurde von Seqen-en-Re behandelt, wie ein lieb gewordenes Spielzeug. Meistens ging sie ihm jedoch einfach nur auf die Nerven. Jedenfalls berührte er sie zunächst nicht, sondern wartete lieber darauf, bis die Knospe endlich erblüht war, wie er zu sagen pflegte. Manchmal, so hatte Ah-hotep beobachtet, sah er ihre kleine Schwester schon recht eigentümlich an. Doch solange sie jedes Mal nur albern kicherte, wusste Ah-hotep, dass der Thronfolger diesbezüglich kein ausgeprägtes Interesse an der kleinen Schwester haben würde. Er mochte seine Frauen zitternd vor Angst, auf jeden Fall jedoch erniedrigt sehen. Eine kichernde Inhapi entsprach weniger seinen Vorstellungen, obwohl sie mit ihrem kräftigen Körperbau, fast schon an einen Knaben erinnerte. Hätte sie sich nur nicht so auffallend geschminkt, frisiert und gekleidet. Doch wahrscheinlich war es genau dies, was Seqen-en-Re an ihr gefiel, war er doch Soldat durch und durch und bewunderte, wie man allenthalben wusste, alles Männliche. Und dazu gehörte, jedenfalls nach seinem Verständnis, dass man sich Frauen einfach nahm und nicht erst langwierig umwarb. Es war allerdings kaum zu erwarten, dass Inhapi sich nicht bereitwillig auf eine geschlechtliche Vergnügung mit ihrem Bruder eingelassen hätte. Doch eine derartige Bereitschaft hatte schon sein Interesse an Satdji merklich schwinden lassen, die es jedes Mal in Verzückung versetzte, wenn ihr Bruder zu Seqen-en-Re Qeni wurde – zu Seqen-en-Re, dem Starken.
Einen Tag vor Ah-hoteps Niederkunft hatte das Wasser, das Pharao des Morgens abschlug, eine braune Verfärbung angenommen. Zunächst sah man dies nur als ein Zeichen an, wenngleich auch für kein gutes. Doch als Ah-hotep tags darauf, wie vorhergesagt einem kräftigen Buben das Leben schenkte, hatte man schnell wieder darüber vergessen. Selbst Pharao war von seiner Rolle als glücklicher Großvater vollkommen eingenommen und nutzte jeden freien Augenblick, um nach seinem prächtigen Enkelsohn zu sehen. Teti-scheri, die es sich nicht hatte nehmen lassen, ihrer Tochter auch bei der Geburt beizustehen, stellte erleichtert fest, dass Ah-hotep ebenso leicht gebären konnte, wie ihre Großmutter Neferu, die erst im vergangenen Jahr gestorben war. Offensichtlich hatte Ah-hotep die Gnade problemloser Schwangerschaften von ihr geerbt, während die kleine Satdji eher nach Sobek-em-saf, der Mutter ihres Vaters kam und sich Tag um Tag mehr quälte.
Das ganze Land jubelte, war doch der Fortbestand der Dynastie gesichert. Trotz der Proteste sämtlicher Damen der königlichen Familie bestand Seqen-en-Re darauf, seinen Sohn so bald als möglich den Truppen der Nilpferde zu präsentieren. Obwohl es ihr große Schmerzen bereitete, wollte Ah-hotep nicht darauf verzichten, ihren Gemahl hoch zu Ross zu begleiten. Der Pferdebändiger Murschili, der auf bewundernswerte Art und Weise dafür gesorgt hatte, dass die Pferdezucht in Kemet hatte Fuß fassen können und vor allem auch überaus erfolgreich darin war, ließ für Ah-hotep eigens eine sanftmütige Stute bereithalten, die selbst erst ein Fohlen geboren hatte. Es war ein unvergleichliches Bild, als der Thronfolger, begleitet von seiner strahlend schönen Gemahlin und dem neugeborenen Sohn, hoch zu Ross vor seinen Truppen erschien. Das lebhaft umhertollende Füllen, das Ah-hoteps Pferd begleitete, sowie der kräftige Prinz in den Armen seiner Mutter, trieb selbst den hartgesottensten Kriegern das Wasser in die Augen. Welch ein Anblick: Dies war Kemets Zukunft.
Selbstverständlich hatte man den Kleinen wie seinen Vater und Großvater Ah-mose genannt. Jetzt, wo auch sein Sohn einen Sohn hatte, meinte Pharao, dass er sein irdisches Dasein getrost beenden könne. Zu dem braunen Wasser waren in letzter Zeit nämlich heftige Leibschmerzen und Krämpfe hinzugekommen. Teti-scheri ließ augenblicklich den Leibarzt rufen, als sie davon hörte. Das braune Wasser war nichts anderes, als mit Blut vermischter Urin, wurde besorgt festgestellt. Ausgelöst wurde diese Erkrankung durch Giftsamen, die Aaa genannt wurden und von Dämonen, die dem Gott Seth hörig waren, des Nachts in den Körper des Schlafenden eingebracht wurden. Heilen könne man diese Aaa-Krankheit zwar nicht, sehr wohl aber für Linderung sorgen, indem man den Leidenden vor allem süße Speisen verabreichte. Obgleich Pharaos Diät von nun an vor allem aus Honig, Milch, süßem Kuchen, Feigen und Weintrauben bestand, was bei ihm früher wahre Glückzustände ausgelöst hätte, wurde er von Tag zu Tag schwächer und kränklicher. Teti-scheri bestand darauf, dass nun Tag und Nacht ein Priester sowie ein Bewaffneter vor Pharaos Schlafzimmer standen, um weitere Heimsuchungen durch die Dämonen Seths zu verhindern. Zwischendurch gab es jedoch auch immer wieder Tage, an denen er sich gut und erholt fühlte. Pharao besuchte dann seinen Enkel, nahm ihn in den Arm und sog den Duft des Säuglings ein, war er doch fest davon überzeugt, dass ihm dies am zuverlässigsten Linderung verschaffte.
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