„Ich kenne eine Fußball-Amateurmannschaft, die nennt sich die Zeugen Yeboahs. Kennst Du Anthony Yeboah? Der spielte Mitte der Neunziger bei Eintracht Frankfurt und war dann später beim HSV.“ So langsam dämmerte es Jörg, dass Mark ihn auf den Arm nehmen wollte: „Du nimmst mich wohl nicht ernst.“ „Ernst ist tot! Es lebe der Spaß!“, rief Mark amüsiert und auch Klaus konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Jörg ignorierte den Spruch und sagte stattdessen etwas hektisch: „Ich muss zurück zu meinen Leuten. Wollt Ihr nicht mitkommen? Ich würde mich sehr freuen und Norbert sicher auch.“ „Meinst Du denn, Ihr würdet so einen Sprücheklopper wie mich aushalten?“ „Du kannst von mir aus auch Sprüche machen. Ich mag es nur nicht, wenn man über unseren Herrn lästert. Aber sonst seid Ihr bei uns willkommen.“ Mark wandte sich zu Klaus, der die ganze Zeit geschwiegen hatte: „Was meinst Du? Sollen wir den frommen Laden ein wenig aufmischen?“ „Meinetwegen“, antwortete Klaus, „vielleicht wird es ganz interessant.“
Mark und Klaus folgten Jörg zum besagten Tisch und dieser stellte die beiden vor: „Das sind Mark und Klaus. Ich kenne sie noch von früher, aus meiner CVJM-Zeit.“ Einer der Männer erhob sich und reichte Mark und Klaus die Hand: „Hallo, ich bin Norbert. Schön Euch kennenzulernen.“ Es saßen noch 14 weitere Leute am Tisch, die Mark und Klaus nacheinander per Handschlag begrüßten. Bei der vorletzten Person stockte Mark plötzlich der Atem. Er sah in die wunderschönsten Augen, die er je in seinem Leben gesehen hatte. Gab es so etwas wie Liebe auf den ersten Blick? Bisher konnte er sich das nicht vorstellen. Doch nun lief es ihm kalt und heiß über den Rücken. Die Frau war Anfang 30, hatte lange schwarze Haare und wirkte „südländisch“. Mark wollte etwas sagen, doch er bekam keinen Ton heraus. Es schien, als wäre sein Sprachzentrum blockiert.
„Hallo, ich bin Yana“, sagte sie mit einem netten Lächeln, was Mark noch mehr dahinschmelzen ließ. „Das gibt’s doch nicht“, dachte er bei sich. „Ihre Stimme ist genau so schön wie ihr Aussehen.“ Er gab ihr die Hand und alles was er dabei herausbrachte, war ein kurzes „Hallo!“ Dann wandte sie sich Klaus zu und begrüßte ihn ebenfalls sehr herzlich.
Norbert bat die beiden Neuankömmlinge, sich mit an den Tisch zu setzen. Da nur noch ein Platz frei war, ging Mark zum Nebentisch, um einen zusätzlichen Stuhl zu holen. Einer der Männer wollte gerade zur Seite rücken. Mark tat aber so, als würde er es nicht bemerken. Stattdessen ging er direkt zu der Stelle, wo Yana saß und bat ihren rechten Nebenmann, ob er seinen Stuhl dazwischen stellen dürfe. „Kein Problem“, sagte dieser freundlich. Jetzt saß Mark direkt neben seiner Traumfrau und sein Herz schlug wie wild. Er wagte einen vorsichtigen Blick. Yana lächelte ihn erneut an: „Sorry, aber ich hab Deinen Namen nicht mitbekommen.“ „Mark“, war die überaus knappe Antwort. Mehr brachte er nicht über seine Lippen. „So ein Mist!“, dachte er bei sich. „Jetzt begegnet mir heute meine Traumfrau und ich verhalte mich wie der größte Idiot. Warum kriege ich es nicht hin, vernünftig mit ihr zu reden? Nun denkt sie bestimmt, dass ich total unfreundlich und stoffelig bin. Ich hab's voll versaut.“
Marks Gedankengänge wurden von Norbert unterbrochen, der ihn und Klaus direkt ansprach: „Wir unterhielten uns gerade darüber, ob heute noch die gleichen Wunder geschehen können, wie sie Jesus vor 2000 Jahren tat.“ Er wandte sich Jörg zu: „Du hattest vorhin einige Gedanken geäußert. Kannst Du an dieser Stelle mal weitermachen?“ Von der frommen Art und Weise, wie Jörg anschließend sprach, war Mark mal wieder genervt: „Ich denke, dass Gott auch heute noch Wunder wirkt und dass sie denjenigen begegnen können, die Gott gegenüber im völligen Gehorsam leben.“ „Oh nein!“, dachte Mark. „Jetzt kommt wieder so ein religiöser Schwachsinn.“ Am liebsten hätte er Jörg sofort widersprochen, doch er wagte es nicht. Er hatte keinerlei Respekt vor Jörg und fürchtete sich auch nicht vor einer Auseinandersetzung mit ihm – ganz im Gegenteil. Aber da war ja noch Yana. Er konnte noch nicht einschätzen, wie sie über diese Dinge dachte. Wenn er jetzt so klar Position beziehen würde, wäre er unter Umständen sofort bei ihr unten durch. Das wollte er keinesfalls riskieren und deshalb hielt er sich zurück.
Norbert ging als Erster auf Jörgs Aussage ein: „Bist Du sicher, dass Gehorsam eine Voraussetzung für Wunder ist? Ich bin da skeptisch. Wie denken die anderen darüber?“ Nun meldete sich Yana zu Wort: „Mir fällt etwas ein, das mein Vater zu mir sagte, als ich zwölf Jahre alt war. Damals lebten wir in Brasilien, wo er als Missionar tätig war.“ Das war ein mittlerer Schock für Mark. Ihr Vater war Missionar. Seine Gedanken überschlugen sich förmlich: „Sie gehört also zu den Frömmsten der Frommen. Dann hab ich sowie keine Chance bei ihr. Selbst wenn es mir gelänge, so zu tun, als würde ich auch an diesen ganzen Mumpitz glauben, könnte ich das nicht auf Dauer durchhalten. Oh Mann, wieso muss die beste Traumfrau der Welt unbedingt so eine fromme Tussi sein? Warum ist das Schicksal immer gegen mich?“ Yana setzte ihre Rede fort: „Ich stellte ihm auch die Frage, ob es heute noch Wunder gäbe. Er war davon überzeugt und verwies auf die Aussage Jesu, dass unser Glaube sogar Berge versetzen kann. Als ich nachfragte, ob man dafür ein guter Mensch oder ganz besonders gehorsam sein müsste, sagte er 'Nein!' Der Glaube selbst sei eine unglaubliche Kraft, die jedem zur Verfügung stünde. Dazu gibt es einen weiteren Satz von Jesus: 'Alle Dinge sind möglich dem, der glaubt.' Also wirkt der Glaube die Wunder und nicht unser Gehorsam.“
Damit war Jörg überhaupt nicht einverstanden: „Das hört sich so an, als könnten wir mit unserem Glauben alles erreichen, was wir wollen, selbst dann, wenn wir dabei rücksichtslos und egoistisch sind. Für mich hat diese Einstellung mehr mit Magie zu tun, als mit dem christlichen Glauben. Wenn wir dem Herrn wohlgefällig leben und uns nach seinem Wort ausrichten, dann wirkt er vielleicht ein Wunder. Das tut er aber, weil er es will und wir haben darauf keinen Einfluss. Wenn übernatürliche Dinge auf eine andere Weise entstehen, dann kommen diese nicht von Gott, sondern vom Teufel.“ Yana konterte erneut: „Mir ist schon vor einiger Zeit aufgefallen, dass Du alle Phänomene, die nicht in Dein eigenes Weltbild passen, dem Teufel zuschreibst. Das ist mir echt zu platt. Alles, was Du nicht verstehst oder nicht wahrhaben willst, kommt angeblich nicht von Gott, sondern von der Gegenseite. Letzte Woche hast Du das Gleiche gemacht, als wir uns über alternative Heilverfahren unterhielten. Für Dich gehört die Homöopathie zur Esoterik und ist damit gleichzeitig teuflisch. Mit so einer engstirnigen Denkweise habe ich echt keinen Vertrag.“
Mark hätte am liebsten laut gejubelt, so begeistert war er. Yana hatte diesem Spinner Jörg ordentlich Kontra gegeben. Er war zudem erleichtert, dass sie doch nicht ganz so fromm verdreht zu sein schien. Mit ihren Gedankengängen konnte er sich sogar überaus gut anfreunden. Nun war er mutig genug, auch etwas zum Thema beizutragen: „Beide Daumen hoch, Yana! Das sehe ich auch so. Jörg, wenn Du gute Dinge dem Teufel zuordnest, stellst Du ihn damit nur auf einen Sockel. Sollte der Teufel tatsächlich existieren, dann lacht er sich wahrscheinlich ins Fäustchen, dass Du ihm die Bälle zuspielst.“ Yana, Klaus und noch einige aus der Runde nickten zustimmend.
Doch Jörg gab sich nicht so leicht geschlagen: „Da sieht man mal wieder, wie listig der Teufel ist und Ihr fallt auch noch auf ihn rein. Er verführt die Menschen zu Esoterik, Unmoral und Ungehorsam gegenüber Gott. Nur wenn wir reinen Herzens sind und nach dem leben, was er uns befiehlt, können wir davor bewahrt werden.“ „Ich selbst zweifle ehrlich gesagt daran, dass es überhaupt einen Teufel gibt. Auf jeden Fall glaube ich bestimmt nicht an so einen Typen mit roter Fresse, zwei Hörnern und einem Pferdefuß. Diese Horrorfratze ist im Mittelalter erfunden worden, um den Leuten Angst zu machen. Aber nehmen wir mal an, es gäbe wirklich das Böse in Person. Meinst Du, der Teufel würde solche plumpen Klöpse bringen, wie das, was Du hier vom Stapel lässt? Wenn ich der Berater des Teufels wäre, würde ich ihm eine schlauere Taktik empfehlen.“
Читать дальше