Alina Döring - Die Sonne ist hier anders

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Alma ist jung, klug und unsicher. Sie denkt, fühlt, aber handelt nicht. Schon mit 24 steckt sie fest in der zermürbenden Routine ihres Alltags. Als die Situation unaushaltbar für sie wird, bricht sie aus, kündigt ihren Job und reist nach Köln. Auf der Zugfahrt trifft sie den Journalisten Daniel. Der unerwartete Ausgang der Begegnung eröffnet ihr Möglichkeiten, die ihr bis dahin unerreichbar erschienen. Für Alma beginnt eine aufreibende Zeit, die tiefe Einblicke in ihre von Selbstzweifeln und blühender Fantasie geprägte Persönlichkeit gewährt. Sie lässt sich ein auf tiefe Freundschaften, erotische Abenteuer, eine neue Auf-gabe und die große Liebe.
Ein tragisches Ereignis reißt sie aus ihrem Hochgefühl und wirft einen Schatten auf ihr neues Leben. Wieder geht sie auf eine Reise und kann im flirrenden Licht der afrikanischen Savanne diesen Schatten abschütteln.

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Alina Döring

Die Sonne ist hier anders

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Inhaltsverzeichnis Titel Alina Döring Die Sonne ist hier anders Dieses ebook - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Alina Döring Die Sonne ist hier anders Dieses ebook wurde erstellt bei

01 – Afrika

02 – Zug

03 – Eintrittskarte

04 – Marabu

05 – Waschzwang

06 – Unaushaltbar

07 – Eröffnung

08 – Scheinbar

09 – Unglaublicher Hulk

10 – Höhenangst

11 – Goliath

12 – Phillip

13 – Singstar

14 – Hochzeit

15 – Briefe

16 – Herbstanfang

17 – Krisen

18 – Unfall

19 – Schluss

Impressum neobooks

01 – Afrika

Der Tag war heiß, die Straßen staubig. Meine Augen brennen. Geduld, hat der Guide gesagt. Seit über einer Stunde sitzen wir in der Beobachtungshütte, halten das Wasserloch im Blick, das farblich fast vollständig mit dem sandigen Ton der Landschaft verschmilzt. Vor uns liegt eine weite, fast kahle Ebene. Am Horizont zeichnet sich hinter den gräulichen Luftschichten eine Bergkette ab. Auf der linken Seite des Wasserlochs trotzen noch ein paar Büsche und Bäume dem ständigen Wassermangel. Von dort aus werden sich die Tiere nähern. Die Gruppe hat die Ferngläser deshalb in diese Richtung ausgerichtet. Aber mich interessiert nur dieses alles absorbierende Nichts. Kleine Büsche oder größere Steine verschlingt es. Alles ist eine große monochrome Fläche, verschwinde mit darin, ebenso die Traurigkeit und auch die Vorfreude auf das, was noch kommt. Es leert den Kopf, dieses Nichts, lässt nichts mehr übrig, kein Gefühl, keinen Gedanken. Hier will ich bleiben. Aus dem Betrachten wird ein Stieren. Im Gehirn summt es angenehm.

«Hey girl, bugs.» Eine warme Hand auf der Schulter holt mich zurück. Der Guide zeigt auf meinen rechten Schuh, um den es vor Mistkäfern wimmelt. Meine Schultern werden schwer, ich verlasse das Nichts, die staubige Nase quält mich wieder und alles andere auch – nur wegen ein paar Mistkäfern.

Ein Blick unter die Sohle macht klar, dass sie mehr an der Elefantenkacke interessiert sind, die im Profil festhängt, als an mir. Ich klopfe den Dreck ab.

Dann Getuschel bei den anderen. Es gibt Bewegung am Wasserloch. Schnell nehme ich das Fernglas hoch. «A bird, it`s just a bird.» Enttäuscht lassen die Safari-Teilnehmer das Fernglas wieder sinken. Ich bin die Einzige, die es feste auf die Augen drückt. Ein Marabu lässt sich in Zeitlupe und gelassen mit weit aufgespannten Flügeln im flachen Wasser nieder und taucht seinen Schnabel hinein. Dabei bricht die Wasseroberfläche kaum.

Dich habe ich gesucht. Meine Hände greifen das Fernglas fester, als könnten sie in seinem Blickfeld halten, was sich da so anmutig bewegt.

Wir wollten ihn beide sehen. Gemeinsam. Das war der Plan. Meine linke Hand löst sich vom Fernglas, greift neben mir ins Nichts. Er ist nicht da. Ich sehe zur Seite, um mich zu vergewissern. Weg. Endgültig. Ein niederschmetterndes Wort. Ein Moment hat gereicht. Gereicht, um mein Leben neu auszurichten und ein anderes zu beenden. Und trotz allem bin ich jetzt hier, habe dich gefunden.

Großer, schöner Vogel. Bleib noch eine Weile, du bist mein Trost.

Mein Gemurmel kann keiner verstanden haben. Aber ich spüre, dass sie mich anstarren.

«Alma, that´s an ugly scavenger – not a baby cat.»

Mag sein, ein Aasfresser, aber von Schönheit wisst ihr nichts. Gleichgesinnte sind wir, sollte man meinen, und tatsächlich so weit voneinander entfernt, dass es mir unheimlich ist. Ich bin allein. Nein, ich war es.

Es landen zwei weitere Marabus mit derselben schwebenden Eleganz. Die großen Vögel waten ein paar Meter auf und ab, strecken ihre Hälse und bauen sich zu ganzer Größe auf, bevor sie beginnen, auf irgendetwas einzuhacken, das ein Stein oder ein Holzstück sein könnte. Ihr grafitfarbenes Gefieder hebt sich dabei kontrastreich von der monochromen, flirrenden Landschaft ab. Sie haben einen kleinen Kadaver im Wasser gefunden und versuchen nun, ihn an Land zu bringen. Ohne Eile zerren sie die Überreste, die mehr Knochen als Fleisch sind, Stück für Stück ins Trockene, den kahlen Kopf tief gesenkt und zur Unterstützung mit den mächtigen Flügeln schlagend.

Ein Schakal, wie aus dem Nichts, hat sich an das Trio herangeschlichen. Plötzlich steht er da. Ob er den Marabus gefährlich werden könne, frage ich den Guide, aber der schüttelt nur rauchend seinen Kopf. Seine tiefschwarze Haut glänzt vom Schweiß des Tages. Zu groß, sagt er mäßig interessiert, die Marabus sind für den Schakal zu groß.

Er scheint Recht zu haben. Keiner der Vögel macht sich die Mühe, den Schakal zu vertreiben, obwohl er sie in immer engeren Kreisen umrundet. Was will der Räuber dann? Den Kadaver kann er unmöglich alleine wegschleppen. Und dann sehe ich aus dem Augenwinkel, wie der Guide die Kippe aus dem Mund nimmt und sein Gewicht von einem auf beide Beine verlagert. Begeistert schreit er auf. Der Schakal sprintet, stürzt sich auf einen der Marabus, packt ihn im Genick, schnappt ein paarmal hastig nach. «Zu groß! Ich dachte, sie sind zu groß!»

«Calm down», sagt der Guide, «that`s nature».

Ruhe? Unmöglich, wenn der Tod schon wieder so nahe ist. Das Fernglas zittert, die Sicht wird undeutlich. Der Marabu schlägt mit den Flügeln, will den Schakal mit dem Schnabel attackieren, aber erfolglos. Mein Herz pumpt, als hinge mir der Feind selbst im Nacken.

Vogel, lass ihn nicht an die Kehle, wehr dich! Und dann stoppt das Gerangel plötzlich. Schakal und Marabu verharren regungslos in einer Position. Der Schakal hat den Kopf des Marabus in Bodennähe fixiert, drückt ihn nieder, will ihn zermürben. Der Moment ist wie eingefroren, nur ein paar Federn segeln langsam noch herab.

Wehr dich, kämpfe! Zu früh, um aufzugeben!

Ich atme geräuschvoll aus, lockere die Schultern – ich bin mir sicher, er hat mich gehört. Das Zittern lässt nach, halte das Fernglas wieder still. Dann ein Moment wie im Zeitraffer. Der Schakal will mit dem Maul nachfassen und löst für den Bruchteil einer Sekunde seinen Biss. Ein geschickter Schlenker und der Marabu hat sich befreit. Frei! Jetzt stehen sie sich gegenüber, beide verdutzt über den plötzlichen Wandel. Der Marabu streckt sich, wiegt den Kopf hin und her, wie um die einzelnen Wirbel auf Funktionstüchtigkeit zu überprüfen. Der Schakal leckt sich unterdessen das von Federn verklebte Maul, unschlüssig, ob er einen zweiten Angriff wagen soll. Aber der Marabu kommt ihm zuvor, attackiert ihn mit der gewaltigen Waffe aus Horn, die er vor dem Gesicht trägt, verletzt ihn an der Brust. Blutend flüchtet der Schakal in die Weite, verschmilzt nach einigen Metern schon mit der gleichfarbigen Landschaft, lässt sich von ihr absorbieren. Der Marabu unterdes, wieder gelassen, widmet sich erneut dem Kadaver, jedoch nicht, ohne sich hin und wieder umzusehen.

Erleichtert gleitet mir das Fernglas aus den Händen. Die Reise hat sich gelohnt.

02 – Zug

Gut, dass ich hier bin. Im Zug. Auf Reisen. So geht es vorwärts, ohne, dass ich mich bewegen muss. In Köln wird das anders sein. Dann geht es nicht ohne eigenen Antrieb, wenn sich etwas ändern soll. Martha wird mich treten, wenn es sein muss. Nur hoffentlich tritt sie nicht zu schnell, gibt mir erst eine Chance. Die will ich selbst ergreifen. Mein Körper sackt tiefer in das Sitzpolster.

Hinter den schmutzigen Fenstern des ICE fliegt die Landschaft an mir vorbei. Wiesen, Felder, vereinzelte Häuser. Wo Bäume und Sträucher direkt an den Bahngleisen stehen, fange ich von den vorbeihuschenden Bildern an zu schielen. Kann die Objekte nicht mehr scharf stellen. Dazu das sachte Schaukeln des Waggons. Ich werde müde, sinke noch tiefer in den Sitz, kann kaum noch den Kopf gerade halten. Die Lider senken sich schwerfällig über die trägen Augen. Das Dunkel, die Schläfrigkeit – die Gedanken sind angenehm betäubt. So bin ich mir am liebsten: nicht mehr ganz hier, aber auch noch nicht ganz da. Ohnmächtig auf dem Weg in bleiernen Schlaf. Der Schlaf kommt näher, mit ihm die Entfernung. Bilder steigen auf, kippen weg, schieben sich ineinander, ein wirrer Strom, in dem ich treibe, ohne jede Orientierung. Ein diffuser Schleier trennt mich schon von der Welt. Gleich bin ich fort. Dann, plötzlich, eine Person neben mir auf dem Gang. Sie atmet, keucht fast, muss gelaufen sein, um den Zug noch rechtzeitig zu erreichen. Die Person scheint zu zögern, rutscht dann auf den leeren Platz mir gegenüber. Etwas berührt meine Füße. Möglicherweise eine Tasche.

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