Allison Wonderland
Die Hölle ist hier und jetzt
Eine Dland-Doku-Story
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Inhaltsverzeichnis
Titel Allison Wonderland Die Hölle ist hier und jetzt Eine Dland-Doku-Story Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1 Kapitel 1 „Die Nachwelt wird nie etwas von Ihnen hören. Es wird so sein, als hätten Sie nie existiert.“ (Verhöroffizier O'Brian in Orwells „1984“)
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Impressum neobooks
„Die Nachwelt wird nie etwas von Ihnen hören.
Es wird so sein, als hätten Sie nie existiert.“
(Verhöroffizier O'Brian in Orwells „1984“)
Mein Name ist, glaube ich, D. B. Singer jun.
Als dieses einköpfige Abholkommando auftauchte, kam ich grade von einer Art Waldlauf zurück. Wann immer ich damals zu viel bekam, musste ich laufen - am besten durch Wälder. Später werde ich das noch genauer erzählen, falls es Sie nicht zu sehr erschreckt - all die ganzen Hintergründe und Zusammenhänge, meine ich.
Es wird dann auch noch die Rede von anderen - wie soll man das nennen? - von den vielen anderen Szenen sein müssen, die sich damals abspielten, z.B. die jahrelangen Ein- bzw. Vorladungen seitens spezialdemokratischer Institutionen, um mich vorzubereiten auf die gloriose spezialdemokratische Zukunft a la Huxley und Orwell.
(Motto: Wer oder was nicht passt, wird passend gemacht!)
Dazu gehören natürlich vor allen solche Sondervorstellungen wie die der PoPo‚ also der Politischen Polizei von Spezialdemokratien - und nicht zu vergessen das ziemlich bemerkenswerte Aufeinandertreffen mit diesem Dr. Schreck...
Nachdem ich angefangen habe, über die Hölle von Spezialdemokratien zu sprechen, jagt jetzt schon ein verdammter Flashback den anderen - ich muss einfach alles so auskotzen wie es grade hochkommt.
Der Tag, an dem dieses einköpfige Abholkommando seinen Auftritt hatte, war Donnerstag, der 23. April. Die Tageszeit: später Nachmittag.
Dieser ominöse Besucher kam also einfach ins Zimmer gestürmt und brüllte sofort herum: „Los, mitkommen, der Wagen steht unten!“
Klar - am liebsten wäre ich auf der Stelle wieder losgerannt, zurück in den Wald und alles. Ich fühle mich dort am sichersten und kann mich am schnellsten beruhigen. Die Bäume wirken wie ein Filter - sie haben eine entgiftende Wirkung. Außerdem ist man zwischen ihnen so gut wie unsichtbar. Das ist fast so gut wie eine Tarnkappe, die ich mir seit damals immer wünsche.
Natürlich bekam ich sofort wieder zu viel - ich meine, Panik und alles. Mir war zu dieser Zeit sowieso schon reichlich elend zumute - zuerst das jahrelange Heimweh nach N.W.3 und der Liebeskummer um meine herzallerliebste angebetete Gebieterin, und obendrauf jetzt also noch diese durch geknallten Deutschen mit ihrem üblichen Politfanatismus. Ich bekam kaum etwas runter in diesem verdammten Frühjahr - wahrscheinlich schrammte ich nur knapp an Magersucht vorbei, von der ich damals noch nie gehört hatte.
Sie müssen wissen, seit ich sechs Jahre alt war, verbrachte ich die meiste Zeit in London N.W.3‚ also im Stadtteil Hampstead. Auf der einen Seite behauptet sicher niemand (ich jedenfalls bestimmt nicht), dass dort in der Umgebung nur Friedens- oder Literaturnobelpreisträger residieren oder ausschließlich Exilkönige (wie dieser versandete Konstantin), und es werden dort auch nicht ausschließlich Teestunden abgehalten (ganz im Gegenteil, ich könnte Ihnen da interessante Einzelheiten schildern - wahrscheinlich komme ich gar nicht drum herum, wahrscheinlich gehören diese Einzelheiten auch dazu), aber auf der anderen Seite stehen Sachen wie Überfälle oder angedrohte Tätlichkeiten in diesem Teil der Welt, wo ich aufwuchs, nicht unbedingt an vorderster Stelle der Tagesordnung. Und um genau zu sein, ich bin sowieso eher von der zurückhaltenden Art. Sobald solche verdammten Aggressionen aufkommen. weiß ich nicht, was ich tun soll. Es geht mir immer so. Ich bin dann nichts weniger als absolut hilflos und ausgeliefert. Was ich zum Beispiel sogar jetzt noch mache, ich suche an jeder verdammten Bus- oder Straßenbahnhaltestelle eine Schlange. Hier, jetzt, außerhalb Londons. Auf dem Kontinent. Natürlich hält sich kein Schwein an diese Regel, aber ich bin leider ein Gewohnheitstier. Das sieht in der Praxis so aus: Ich komme als erster an die Haltestelle und bilde also eine Einmannschlange. Von den anderen Leuten, die nach und nach dazukommen, weiß natürlich niemand davon. Kein einziger hält sich an die Regel, die einzuhalten ich von früher noch gewöhnt bin. Als nächstes kommt der Bus oder die Bahn, und sofort darauf bilden sich vor den Türen Menschentrauben. Die, die einsteigen wollen, behindern systematisch die, die aussteigen müssen.
Es wäre alles viel leichter mit diszipliniertem Schlange stehen und allem. Und auch schneller. Es kommt aber zu vereinzelten Nahkämpfen, die Fahrer brüllen Instruktionen durchs Mikrophon, die Türen knallen zu - und was los ist, ICH stehe immer noch da. Und muss hinterher sehen. Weil ich mich einfach nicht irgendwo rein drängeln kann. Wenn ich irgendwas hasse, dann so was: Reindrängeln. Wie auch immer, dieser - dieser Besucher gab einen Dreck um meine zurückhaltende Art, und ich merkte, ich musste mich zusammennehmen. Weil mir ja sowieso schon reichlich elend zumute war, wie gesagt. Er tobte wie ein Riesenfalter durch das Zimmer, und ich blieb am Türrahmen stehen und meinte: „Mir ist zwar nicht klar, was sie sich vorstellen, aber SO geht das nicht. Bestimmt nicht. Ich denke, so, wie sie sich jetzt präsentieren, muss ich sie darum bitten, dass sie dieses Zimmer verlassen!“
Mein - mein Besucher lief in einem immer enger werdenden Kreis unter der Deckenlampe herum. Aber wirklich genau so wie ein Nachtfalter. Was für ein Wahnsinn. Er fuchtelte auch dauernd mit den Armen herum. Wie Flügel: Zack, zack links und rechts durch die Luft.
Ich fing wieder an: „... und darf ich sie bitten, dass sie dieses Zimmer verlassen. JETZT!“
Der Bursche schnaufte oder schnaubte, was weiß ich, und brüllte: „Du darfst überhaupt nichts, Freundchen. Du hast gar nichts zu dürfen. Du wirst jetzt auf der Stelle dein Zeug packen und mitkommen. Los, los, der Wagen steht unten!“
Ich dachte, schau dich mal um‚ vielleicht siehst du die Kamera, die das alles aufnimmt. Denn genau so stelle ich mir Aufnahmen für Szenen der „Versteckten Kamera“ vor. Ziemlich krank im Kopf, das alles.
Nur dass ich das nicht sehr lange dachte. Aber es half, diesen Auftritt eine Spur oder zwei weniger ernst zu nehmen, als er gemeint war. Und, ohjunge, es war SEHR ernst gemeint!
Was dann passierte, während dieser Bursche wie ein Nachtfalter im Zimmer herumtobte -, was also dann passierte, mir ging auf, dass ich über derartige Szenen immerhin schon gelesen hatte. Und zwar in Reportagen und Büchern über die Zustände in Europa während der Naziherrschaft. Nicht zu vergessen die Stalin-Ära m sogenannten Ostblock. Wer in diesen Diktaturen, deren ideologische Grundlagen in Deutschland ausgebrütet wurden (durch Marx und Hitler), nicht angepasst war, geriet automatisch ins Fadenkreuz der psychotischen Machthaber und musste damit rechnen, eines Tages ungebetenen Besuch vor der Tür stehen zu haben, der losbrüllte: „Los, mitkommen, der Wagen steht unten!“
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