Bella wollte an einem Baum schnuppern, James zog sie weiter. Über die Straße, den Blick auf sein iPhone gerichtet: „Fünfzig. Neunundvierzig. Achtundvierzig...“ zählte er mit, als er sich in die Menschenmenge zwängte, die gerade aus einem Bus vor dem U-Bahnhof quoll.
„Verzeihung. Darf ich? Achtung! Hund. Vierzig!“ James drängte die Menschen mit sanfter Bestimmtheit beiseite und hastete zur Treppe. Er nahm zwei Stufen auf einmal und zwang Bella mit ihren kurzen Beinchen zu Höchstleistungen. „Dreißig“.
Die Bahn war bereits in den Bahnhof eingefahren – zu früh! Wieder kämpften James und Bella gegen eine Menschenmenge, die ihnen nun von oben entgegen kam. „Zwanzig“.
Eine Gruppe von Kindern: Oh je! Zwei ältere Damen schauten sich hilfesuchend um und trugen ihre Fahrräder dann schließlich selbst herunter. Danach folgten drei schwatzende Teenager und eine Handvoll Geschäftsleute, den Blick starr ins Smartphone gerichtet. „Zehn“.
James und Bella waren nun fast oben angekommen. Noch immer drängten Menschen aus der Bahn nach draußen. Andere stemmten sich dagegen, um hineinzugelangen. „Acht!“ Jetzt waren James und Bella oben. Noch wenige Schritte... „Sieben!“
James hörte schon das Signal zum Türenschließen.
„Sechs“. Noch zwei ältere Herren vor ihm.
Bella versuchte Schritt zu halten, wurde aber von einem der Männer beiseite geschubst. Tapfer gab sie keinen Laut von sich. „Fünf“.
Der erste der beiden Männer war drinnen. „Vier“.
Der zweite Herr stieg ins Abteil. „Drei“.
James erreichte die Tür, doch einer der Rentner versperrte ihm den Weg. „Zwei“.
Endlich ging es weiter. „Eins“.
Nun war James drinnen. Hinter ihm schlossen sich die Türen mit einem leisen „Pffft“.
„Null!“ rief James. Die Bahn fuhr los.
James schaute sich zufrieden um. Doch außer zwei kichernden Schülerinnen nahm niemand Notiz von ihm.
Übung 1: Fritz oder Dani?
Wie smart sind Sie im Umgang mit Ihrem Mobiltelefon? Die folgende Übung macht Sie zum Meister.
ZEIT: 7x7 Minuten
LEVEL: Mittel
ZIEL: Ihr Mobiltelefon zum Freund machen
DOWNLOAD PDF: http://bit.ly/Fritz_Dani
So wie James geht es den meisten: Das Smartphone ist fast schon zum Synonym für unsere pausenlose Hetze durch den Alltag geworden. Selbst an der roten Ampel, in der U-Bahn oder beim Frisör sind wir erreichbar – und lassen uns über Telefon, Apps oder Tools in kleinere oder größere Aufgaben verwickeln.
Schluss damit! Verschaffen Sie sich wieder freie Zeit! Machen Sie eine Woche lang jeden Abend den folgenden Test und verwandeln Sie nach und nach Ihren FRITZ (fiesen, radikalen, ignoranten und totalitären Zeitfresser) in einen DANI (dynamischen Assistenten (mit) natürlicher Intelligenz).
1. Wie viele Minuten haben Sie sich heute mit Ihrem Smartphone beschäftigt?
2. Welchen Informationen haben Sie Ihre Aufmerksamkeit geschenkt: SMS, E-Mails, Anrufe, Chat, Spiele, Social Networks?
3. Wie viele Minuten davon hat FRITZ die Regie übernommen?
4. Haben Sie Ihr Smartphone heute auch mal ignoriert? Wie haben Sie sich dabei gefühlt, was haben Sie erfahren?
[ ] Ich hatte das Unbehagen, ich könnte etwas verpassen.
[ ] Ich habe befürchtet von anderen ausgeschlossen zu sein.
[ ] Ich hatte das Gefühl meine Pflicht zu vernachlässigen.
[ ] Mein Umfeld hat mir gesagt, dass ich mich mehr mit meinem Smartphone beschäftige, als mit ihm.
3 TIPPS WIDER DEN FRITZ
Klären Sie die Machtfrage: Wer ist hier der Chef? Ihr Phone ist für Sie da, nicht umgekehrt. Entscheiden Sie sich für sich selbst. Machen Sie aus FRITZ eine echte DANI. Wenn Sie den Test ehrlich gemacht haben, wird es Ihnen leichter fallen, Ihre (unbewusst ablaufenden) Muster zu verändern. Setzen Sie nun neue Prioritäten.
1. AUSZEITEN FESTLEGEN: Legen Sie für sich Situationen fest, in denen Sie niemals (!) ans Mobiltelefon gehen – etwa beim Essen, im Gespräch mit anderen oder in den nächsten sechzig Minuten, in denen Sie sich hochkonzentriert einer wichtigen Aufgabe widmen.
Wenn Sie damit Schwierigkeiten haben, entziehen Sie FRITZ einfach das Wort: Am besten schalten Sie ihn komplett aus. Klingt einfach? Dann kommt hier der Härtetest: Tun Sie es sofort beim nächsten Klingeln oder Brummen, mit dem FRITZ sich vordrängelt. Sie können FRITZ auch stumm schalten. Das gilt für eingehende SMS, Push-Emails und andere Benachrichtigungen. Nicht schummeln: Vibrationsalarm gilt nicht als still.
2. ZEITEN FÜR ANTWORTEN: Vereinbaren Sie mit sich selbst, zu welchem Zeitpunkt Sie Ihre E-Mails oder den Anrufbeantworter checken und wie lange Sie sich dafür (höchstens) Zeit nehmen. Kontrollieren Sie dies mit der Uhr und halten Sie sich daran. Keine Ausreden!
3. AUS DEN AUGEN, AUS DEM SINN: Packen Sie das Gerät weg. Sie gewinnen die Kontrolle über FRITZ, wenn Sie ihn nicht die ganze Zeit vor Augen haben. Erklären Sie Meetings zur Mobiltelefon-freien Zone. Sie werden sich wundern, was Sie an Qualität und Zeit gewinnen.
Bei jeder Unterbrechung stürzt Ihre Leistungskurve steil nach unten. Wenn Sie sich danach neu in die Aufgabe hineindenken, quält sie sich mühsam erneut den Berg hoch. Stellen Sie sich das beliebig oft hintereinander vor und Sie erkennen: Zeiten, in denen Sie nicht erreichbar sind, sind extrem wichtig.
Kapitel 2: Frankas Momente
Altona. Endlich ein Parkplatz. Noch ein paar Minuten Fußweg und Franka hatte den morgendlichen Marathon zum Verlag geschafft. Gerade als sie von der kleinen Seiten- auf die Hauptstraße trat, setzte dieser für Hamburg so typische Nieselregen ein. Es war ein richtig kalter Januarmorgen. Franka schlug den Mantelkragen hoch und eilte hinüber zur Fußgängerzone. Unter dem Arm einen Beamer – noch originalverpackt –, zwei zum Bersten gefüllte Aktenordner und eine große Einkaufstasche voller Spielzeug. Sie sah auf die Uhr: Halb Neun. Jetzt hieß es Schubrakete geben. Doch schon nach wenigen Metern musste sie ihre langen Schritte zügeln. Eine Menschentraube hatte sich um einen Straßenmusiker versammelt. Bob Dylan. „The times they are a changing“. Manche der Zuhörer klatschten sogar im Takt.
„Alles gut und schön, aber ich muss hier schnell mal durch“, drängte Franka. Das hatte ihr gerade noch gefehlt! Sie versuchte sich möglichst geschickt einen Weg durch die Menge zu bahnen. Stück für Stück. Zug um Zug. Fast wäre dabei der Beamer herunter gerissen worden. Als sie die Traube endlich hinter sich gelassen hatte, legte sie noch einen Schritt zu. Doch da überholte sie ein Fahrrad, nur um dann direkt vor ihr wieder zu bremsen. Regenwasser spritzte in alle Richtungen.
„So fahren Sie doch bitte!“ rief sie dem jungen Mann in Hipsterhosen grimmig zu und dachte verächtlich „Agentur-Fritze“.
„Machen Sie Scherze? Vor mir geht ‘ne alte Dame...“, gab der zurück.
„Ich bin weit davon entfernt zu scherzen“, rutschte es aus ihr heraus. Sie biß sich auf die Unterlippe und dachte an den Titel des Buches, das sie gerade las: „Achtsamkeit für alle – überall“. Stimmt ja. Aber für so was war jetzt definitiv keine Zeit. Immerhin blieb sie doch ruhig – und das obwohl sie bereits seit fünf Uhr auf den Beinen war und im Dauerlauf die übliche Mutter-Kind-Kita-Tour absolviert hatte, um ihre Tochter Annabel rechtzeitig unterzubringen.
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