„Sie sehen ziemlich mitgenommen aus und...“ Er zögert kurz. „Sie haben geweint.“
Erschrocken fahre ich über meine Wangen und stelle überrascht fest, dass sie feucht sind. Ich habe gar nicht bemerkt, dass mir Tränen gekommen sind. Es ist mir peinlich, dass Damians Chauffeur meinen aufgelösten Zustand mitbekommen hat und wische schnell die letzten Salztropfen weg.
„Es geht mir gut.“ Ich klinge erstaunlich ruhig, aber selbst für mich hören sich meine Worte hölzern an. Nur kann ich ihm nicht sagen, was wirklich in mir vorgeht.
„Da wären wir.“
„Aber...“ weiter komme ich nicht. Pietro fährt soeben in das Parkhaus unter dem Hochhaus in dem sich Damians Appartement befindet. Vor den Aufzügen hält er an.
„Er ist oben und wartet auf Sie.“
„Haben Sie ihn darum gebeten?“
„Nein.“ sagt er bestimmt. „Sowas würde ich nicht machen, obschon ich sehe, dass es Ihnen beiden gut tut zusammen zu sein. Wenn Sie lieber in Ihre Wohnung wollen, dann bringe ich Sie natürlich hin.“
Obwohl seine Worte ein wohliges Gefühl in mir auslösen, kann ich nicht glauben, dass er recht damit hat. „Woher wollen Sie wissen, dass wir uns gut tun?“ Meine Finger verkrampfen sich um die Handtasche, die auf meinem Schoss liegt.
„Ich kenne meinen Chef genug lange um zu erkennen, wann es mit ihm aufwärts geht.“ Ich bin sprachlos und Pietro deutet mein Schweigen richtig. Er steigt aus und hilft mir aus dem Phantom. Ich gehe auf einen der beiden Fahrstühle zu, doch bevor ich einen Knopf drücken kann, gleiten die Türen zur Seite und ich betrete die leere Kabine.
Meine Hände umschliessen den Handlauf fester, als ich mich Damians Appartement nähere. Ich starre auf die glänzenden Türen und erblicke mein aufgelöstes Gesicht darin. Schnell hole ich ein Taschentuch aus meiner Manteltasche und befeuchte es mit meiner Zunge, wische über meine verweinten Augen und beseitige die Tränenspuren auf beiden Wangen. Als sich die Türen im obersten Geschoss öffnen, wünsche ich mir, dass keine verräterischen Zeichen in meinen Augen zu lesen sind.
Er steht da, seine Hände lässig in den Hosentaschen und sieht mich aus seinen einnehmenden, braunen Augen an, in denen ich mich jedes Mal verliere. Seine Kleider liegen ihm eng am Körper, die seine straffe, durchtrainierte Figur gut zur Geltung bringen. Ich schnappe nach Luft, als ich ihn so vor mir sehe. Wie er mich von oben bis unten studiert und dabei ein sonderbarer Glanz in seine Augen tritt. Ich erkenne sein Verlangen darin, den Wunsch mich zu besitzen, was mein ganzer Körper vor freudiger Erwartung zum Zittern bringt.
Ich verzehre mich nach ihm. Ich möchte mich auf ihn stürzen, ihn meine Empfindungen spüren lassen. Ich möchte, dass er sich in mir verliert und wir alles um uns herum vergessen können. An vorderster Stelle die letzte Stunde in der ich unter riesigem Kummer und Schmerz gelitten habe.
Doch statt mich auf ihn zu werfen, bleibe ich schüchtern im Eingang stehen, halte meine Handtasche fest umschlossen und erwidere seinen eindringlichen Blick.
„Ich habe auf dich gewartet.“ Seine tiefe, sonore Stimme bringt meine Nerven zum schwingen.
„Ich bin hier.“ bringe ich kaum hörbar hervor.
„Warum wolltest du in deine Wohnung?“
Langsam werde ich wütend. Was erwartet er von mir? Ich kann schliesslich seine Gedanken nicht lesen. „Woher sollte ich wissen, dass du hier auf mich wartest?“ Meine Stimme wird zunehmend lauter und schriller. „Du schreibst mir per SMS, dass ich einen Termin bei einer Gynäkologin habe. Es war keine Frage oder eine Bitte, sondern ein Befehl. Du hast kein Recht über mein Leben zu bestimmen!“ Wir stehen noch immer im Eingangsbereich und starren uns aus einem Meter Entfernung an.
„Ich hätte es vielleicht anders angehen sollen. Wenn ich gewusst hätte, dass dich das Ganze so aufwühlt, dann...“
„Was dann?“ fahre ich ihm dazwischen.
„Ich dachte, wir wären uns einig.“
„Du hast dieses Thema angeschnitten, als du in mir warst. Was glaubst du, hätte ich da antworten sollen?“
Damian macht einen Schritt auf mich zu. „Hat es dir gefallen?“
„Ja, verdammt!“ schreie ich ihn an.
Ein Grinsen huscht über sein Gesicht. „Und ich möchte es so schnell wie möglich wiederholen. Ich wollte, dass du dich verhütest, damit wir uns ganz spüren können und keiner dieser Gummis zwischen uns ist.“ Er streckt seine Hände nach mir aus und umfasst sanft meine Oberarme.
Verlegen sehe ich zur Seite. Ich bin es nicht gewohnt so offen über unsere Intimität zu sprechen, aber ihm scheint dies überhaupt nichts auszumachen. Er legt einen Finger unter mein Kinn und dreht mein Gesicht in sein Blickfeld.
„Was macht dir wirklich zu schaffen?“
„N...nichts. Was sollte schon sein?“
„Warum setzt dir der Besuch bei Dr. Glasgow so zu?“
„Das tut es doch gar nicht.“ wehre ich ab.
„Lüg mich nicht an, Jess. Ich sehe es in deinen Augen. Irgendwas beschäftigt dich. Rede mit mir.“
Meine Kehle fühlt sich trocken an, als ich ihm antworte. „Ich gehe nur nicht gerne zu einem Frauenarzt. Das ist alles. Aber ich habe es überstanden und die Pille verschrieben bekommen. Das ist doch, was zählt?“
Seine Miene hat einen erbarmungslosen Ausdruck angenommen. „Vielleicht vertraust du mir irgendwann genug, um mir die Wahrheit zu sagen. Hast du Hunger? Ich hoffe es, denn Angelica hat sich grosse Mühe gegeben.“ Er dreht sich auf dem Absatz um und geht in den langen Flur.
Doch bevor er um die Ecke verschwinden kann, halte ich ihn auf. „Damian?“
Er dreht sich zu mir um. „Ja?“
„Ist alles in Ordnung zwischen uns?“ frage ich ihn verängstigt.
Sein Brustkorb hebt und senkt sich schnell. „Es ist alles gut.“
„Habe ich es vermasselt?“
„Oh nein, Babe.“ Mit schnellen Schritten ist er bei mir und hält mich in einer Umarmung fest an sich gedrückt. „Du hast nichts verkehrt gemacht.“ flüstert er an mein Ohr. „Wenn hier jemand Mist gebaut hat, dann ja wohl ich. Aber irgendwas beschäftigt dich und wenn ich nicht falsch liege, hat es etwas mit deinem Arzttermin zu tun. Es tut mir weh, wenn ich dich so sehe. So aufgewühlt und verletzt und dass ich der Auslöser dafür bin, macht mich wütend.“ Seine Finger fahren behutsam über meine Haare. „Dass ich dich bedrängt habe, war falsch und dafür könnte ich mich ohrfeigen. Aber ich kann es nicht rückgängig machen. Ich kann nur hoffen, dass sich das nicht mehr wiederholt. Noch mehr wünsche ich mir, dass du irgendwann mit mir darüber redest. Ich möchte dich kennen und verstehen können, was in dir vorgeht.“
„Ich habe Angst davor.“ Tränen stehlen sich in meine Augen und ich klammere mich noch mehr an ihn.
„Das brauchst du nicht. Ich werde dich nicht wegen irgendwas, was du erlebt hast verurteilen. So bin ich nicht.“
Endlich suchen seine weichen Lippen meinen Mund und berühren ihn sanft. Ich nehme ihn gierig in mir auf, als seine Zunge zwischen meinen Zähnen hindurch gleitet, um mit meiner ein verführerisches Spiel zu spielen. Er drängt seine harte Männlichkeit an meinen Unterleib und reibt sich verführerisch an mir. Mein Verlangen nach ihm ist grösser als jegliches andere Gefühl, das in meinem Unterbewusstsein schlummert. Ich möchte seine Sachen vom Körper reissen und ihn spüren. Meine Finger tasten nach den Knöpfen an seinem Hemd. Der erste ist schon offen und ich greife nach dem nächsten, als er meine Hände mit seinen umschliesst.
„Später meine Süsse.“ haucht er an meinen Mund, drückt mir einen Kuss auf die Lippen und nimmt meine Hand.
Angelica hat wieder ein wunderbares Essen gezaubert, das ich mit vollem Genuss aufgegessen habe. Ich hätte ihr gerne ein Kompliment gemacht, wenn ich sie gesehen hätte, aber sie ist wie vom Erdboden verschluckt.
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