Dr. Josef Virgil Grohmann
Sagenbuch von Böhmen und Mähren
Sagen aus Böhmen und Mähren, gesammelt und herausgegeben von Dr. Josef Virgil Grohmann - 193 Seiten
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Inhaltsverzeichnis
Titel Dr. Josef Virgil Grohmann Sagenbuch von Böhmen und Mähren Sagen aus Böhmen und Mähren, gesammelt und herausgegeben von Dr. Josef Virgil Grohmann - 193 Seiten Dieses ebook wurde erstellt bei
Vorrede
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Fußnoten
Impressum neobooks
Sagenbuch von Böhmen und Mähren
Vorrede.
Während einer langwierigen Krankheit im letzten
Herbst und Winter fand ich endlich Zeit, meine längst
angelegten Sammlungen von böhmischen und mährischen
Sagen und Gebräuchen zu ordnen und für den
Druck vorzubereiten. Ich habe die Reihe dieser Publicationen
mit den böhmischen Volkssagen eröffnet,
weil für diese bisher am wenigsten geschehen war.
Die böhmischen Gebräuche sind schon vielfach gesammelt
und auch von dem berühmten slavischen
Mythologen Hanuš1 in ausgezeichneter Weise für die
Wissenschaft verwerthet worden. Die Sage dagegen
ist bisher größtentheils den Belletristen anheimgefallen,
die sie nach dem Geschmacke des Publicums romantisch
bearbeiten und bis zur Unkenntlichkeit entstellen.
In vielen Fällen haben diese romantischen Bearbeitungen
die echte Volkssage, die ihnen zu Grunde
lag, bereits so verdunkelt, daß ihre ursprüngliche Gestalt
nicht mehr aufzufinden war. So die äußerst interessante
Sage von der Hexe Wela und dem wilden
Jäger des Hundsteins bei Teplitz, die nur deshalb in
meine Sammlung nicht aufgenommen werden konnte.
Für diese belletristischen Bearbeiter der Sagen hatten
außerdem die Burgsagen mit ihren Rittern und Edelfräulein
den meisten Reiz und diese Sagen überwu-
chern nun, besonders in deutschen Gegenden, fast alle
andere Volksüberlieferung. Unter den Slaven aber ist
das Märchen viel beliebter als die Sage und so haben
sich dann alle čechischen Schriftsteller, die nach
volksthümlichen Stoffen suchten, vorzugsweise diesem
zugewendet.2
Die gegenwärtige Sammlung ist der erste Versuch,
endlich auch die echte böhmische Volkssage der Wissenschaft
zuzuführen. Nur Weniges konnte ich aus älteren
Quellen und früheren Sammlungen benützen;
das meiste bot noch Vernalekens treffliches Buch
»Mythen und Bräuche in Oesterreich«, das denn auch
allerwärts die ihm gebührende Berücksichtigung gefunden
hat. Die meisten Sagen schöpfte ich unmittelbar
aus dem Munde des Volkes. Die Mittheilungen
waren so zahlreich, daß ich nur den geringeren Theil
derselben in den gegenwärtigen Band aufnehmen
konnte, und jene Herren, deren freundliche Mittheilungen
ich diesmal nicht benützen konnte, bitten muß,
die Fortsetzung abzuwarten, die sich zwar vorzugsweise
mit mährischen Sagen beschäftigen wird, aber
auch die Lücken der gegenwärtigen Sammlung so viel
als möglich ergänzen soll. Wenn sich der Umfang des
Werkes nicht über Gebühr ausdehnen sollte, so konnte
ich diesmal aus den einzelnen Sagengruppen
gleichsam nur Beispiele geben. Noch während des
Druckes sind mir sehr viele schöne Sagen zugekom-
men, die ich alle zurücklassen mußte, weil die Abtheilungen,
in die sie gehörten, bereits geschlossen waren.
Anmerkungen habe ich den einzelnen Sagen nicht
beigefügt. Für das größere Publicum hätten sie das
Werk nur unnütz angeschwellt und für die Gelehrten
müssen solche Anmerkungen, wenn sie wirklich fördern
sollen, von Meisterhand geschrieben werden.
Dagegen habe ich den einzelnen Sagengruppen Einleitungen
vorangeschickt. Sie sind durchaus für das
größere Publicum berechnet. Ich hatte die Absicht,
durch dieselben in meinem Vaterland ein größeres
Verständniß für die einheimische Sage und ein allgemeineres
Interesse dafür anzuregen. Doch habe ich in
dieselben zuweilen mündliche Mittheilungen über die
Sagen anderer slavischen Völker verwoben, die vielleicht
auch der Wissenschaft einiges Interessante bieten
dürften.
Unabhängig von dem »Sagenbuche« werde ich
noch in diesem Jahre die Aberglauben und Gebräuche
aus Böhmen und Mähren folgen lassen, wozu das reiche
Material – über 1500 Nummern – bereits größtentheils
geordnet vorliegt. Ich hoffe dann, im Ganzen
damit dem Publicum ein ziemlich klares Bild von den
böhmisch-mährischen Volksüberlieferungen zu bieten.
Freilich nur in Umrissen, so weit es der Kraft
eines Einzelnen möglich ist. Die vollständige Lösung
der Aufgabe dürfte nur einem Verein, wie dem Verei-
ne für die Geschichte der Deutschen in Böhmen, nach
jahrelangen Vorbereitungen möglich sein. Inzwischen
möge die Wissenschaft diesen ersten Beitrag zur Sagenkunde
Böhmens und Mährens mit Nachsicht entgegennehmen.
Prag an Ostern 1863.
Dr. J. Virgil Grohmann.
Fußnoten
1 Bájeslovný kalendář slovanský. 1860. Děva
zlatovlasá, bohyně pohanských Slovanův. 1860.
2 Märchensammlungen sind: Wenzig, Westslav. Märchenschatz
1857. Waldau, Böhmisches Märchenbuch,
1860. Auch Erben's Slovanská čítánka 1863, enthält
größtentheils Märchen.
I.
Die himmlischen Soldaten.
Die heidnischen Deutschen glaubten, daß nur jene
Edlen, die in der Schlacht oder an ihren Wunden starben,
in den Himmel Wuotans aufgenommen würden.
Dort wohnten diese himmlischen Krieger (Einheriar)
in einem wunderschönen großen Saale (Walhalla).
Jeden Morgen ritten sie in den Hof und kämpften miteinander.
Nach dem Kampfe zogen die himmlischen
Krieger in den Saal zurück, um dort von dem Fleisch
des Ebers Sährimnir zu essen und Meth zu trinken,
den die Wunschmädchen ihnen kredenzten. Die nachfolgenden
Sagen erscheinen mir als deutliche Nachklänge
dieses Glaubens:
1. Die himmlischen Soldaten bei Hohenmaut.
Eine viertel Stunde von Hohenmaut gegen Osten hin
liegt ein liebliches Wäldchen, Namens Drabi. Inmitten
dieses Wäldchens ist ein Thal, dort sollen am
Weihnachtsabende um Mitternacht die »himmlischen
Soldaten« erscheinen. Das sind glühende Gestalten,
die bei gellendem Trompetenschall hier tanzen und
nach einigen Minuten verschwinden. (J. Toman aus
Hohenmaut.)
2. Die Himmelssoldaten bei Gablonz.
Wenn man in südöstlicher Richtung von Gablonz
geht, kommt man in einen Wald, welcher an dem sogenannten
Karlsberge liegt. Am Saume des Waldes
steht ein Kreuz, welches ein Bürger aus Gablonz seinem
Freunde, der als Soldat daselbst gefallen war,
zum Andenken setzen ließ.
Bei diesem Kreuze sollen jedes Jahr am Allerseelentage
die Himmelssoldaten erscheinen, daselbst ein
Feuer anzünden und bei demselben Fleisch an einem
Spieße brateu. Wenn das Fleisch gebraten ist, setzen
sich die Himmelssoldaten um das Feuer und verzehren
das Fleisch. Dann zerstören sie das Feuer und verschwinden.
(Johann Weiß aus Gablonz.)
3. Die himmlischen Krieger bei Auscha.
In einem Thale, anderthalb Stunden von Auscha entfernt
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