das man das wilde Thal nennt, kommen zu
Weihnachten um 12 Uhr Mitternacht die himmlischen
Krieger zum Vorschein. Sie essen und trinken dort auf
dem Boden gelagert und singen und spielen, bis der
erste Strahl der Morgenröthe am Himmel emporblüht.
Zuweilen kämpfen sie auch mit einander, aber nach
dem Mahle sind ihre Wunden wieder verharscht.
Wehe dem, der sie stört oder schmäht, er würde das
ganze folgende Jahr Unglück haben. (Josef Hirsch aus
Auscha.)
II.
Die Schicksalsrichterinnen.
(Sudičky.)
In Böhmen ist der heidnische Glaube an die Schicksalsmädchen,
als Göttinnen der Geburt, der Heirat
und des Sterbens, noch ziemlich allgemein verbreitet.
Wenn ein Kind geboren wird, so kommen in der
Nacht drei weiße Frauen ins Haus, und berathen über
das Schicksal, insbesondere über Heirat und Tod des
Kindes. Sie tragen brennende Kerzen in der Hand, die
sie verlöschen, sobald sie ihr Urteil gesprochen
haben. In böhmischen Märchen werden sie auch als
Altmütterchen (Staré babičky) dargestellt.
Um für das neugeborene Kind einen günstigen
Spruch zu erwirken, stellt man für die Sudičky Brod
und Salz, wohl auch Bier auf den Tisch, und meint,
daß sie davon genießen. In der Gegend von Neuhaus
glaubt man, daß die Sudičky auch die Kinder austauschen,
wenn die Zubereitungen zum Wochenbette, als
Wasser, Salz und Einstaub fehlen.1
Fußnoten
1 Ueber die Sudičky handelt ausführlich Hanuš in seiner
neuesten Schrift: O methodickém vykladu pověsti
slovanských vubec, a o výkladu pověst »Tři zlaté
vlasy děda vševěda« zvlášt. V Praze 1862.
4. Der Tod im Brunnen.
In vielen Gegenden Böhmens ist es der Gebrauch,
wenn ein Kind zur Welt kommt, die Nacht darauf ein
Laib Brod mit Salz auf den Tisch zu legen. Dieses ist
für die drei Frauen bestimmt, die über das Schicksal
des Kindes bestimmen. Diese Frauen heißen Richterinnen
(Sudičky).
Ein Hauptmann übernachtete einmal in einem Bauernhofe,
wo eben ein Söhnchen zur Welt gekommen
war. Um Mitternacht wurde er durch ein Geräusch geweckt
und wie er leise hinter dem Ofen, wo er lag,
hervor sah, erblickte er drei weißgekleidete Gestalten
mit brennenden Kerzen, die saßen an dem Tische und
aßen von dem Brode, das ihnen vorgestellt worden
war. Da sprach die eine: Nun welchen Todes soll er
sterben? Durch das Beil? Nein, sagte die andere, er
soll erschossen werden. Thut das nicht, sagte die dritte.
Ihr seht ja, sie haben uns bewirthet, laßt ihn eines
sanfteren Todes sterben. Nun gut, sagte die erste, er
soll also in seinem eigenen Brunnen ertrinken und
zwar im 18. Jahr. Hierauf erhoben sich alle drei und
verschwanden. Früh erzählte der Hauptmann dem
Bauer, was vorgefallen sei und zeichnete sich auch
Jahr und Tag genau auf und zog weiter ins Feld. Nach
achtzehn Jahren reiste er zu Fleiß nach dem Bauern-
hofe, um den Tod des Jünglings zu verhindern. Eben
traf er den Vater, wie er beschäftigt war den Brunnen
zu verschallen, damit der Sohn nicht hineinfallen
könne. Der Sohn war auf dem Felde. Bevor jedoch die
Verschallung fertig war, kehrte der Sohn zurück und
da er heftigen Durst fühlte, trat er zum Brunnen und
wollte trinken. Aber der Vater ließ es nicht zu. Da
wurde der Jüngling bleich, sank zusammen und stürzte
leblos über den Rand des Brunnens ins Wasser. So
war es doch gekommen, wie die Richterinnen geweissagt
hatten. (R. Czermak aus Prag.)
5. Der Stecknadelkopf.
Ein Handwerksbursche gieng auf seiner Wanderschaft
bei Nachtzeit durch einen finstern Wald und kam zu
einer ärmlichen Hütte. Da es eben anfieng arg zu wettern,
trat er ein und bat um ein Nachtlager. Der Hauswirt
aber sagte: Mein Weib liegt in den Wochen, ich
kann euch nicht aufnehmen. Aber der Handwerksbursche
bat inständig ihn doch nicht in das schlimme
Wetter hinauszustoßen. Da ließ ihn der Hauswirt weiter
und wies ihm die Hölle zum Nachtlager an, das ist
der Platz hinter dem Ofen. Inzwischen war das erwartete
Kind auf die Welt gekommen und war ein Mädchen.
In stiller Mitternacht nun, als alles schlief und
die Wöchnerin auch, hörte der Handwerksbursche ein
leises Geräusch und wie er hinter dem Ofen hervorschaute,
gewahrte er drei weiße Frauen, die saßen am
Tische und aßen von dem Brode und dem Salze, das
man ihnen vorgelegt hatte, und dabei beriethen sie
über das Loos des Kindes. Endlich sagte die eine:
Wen geben wir ihr zum Manne? Den hinter dem
Ofen, erwiederte die andere. Und er soll durch sie den
Tod haben, sagte die dritte. Hierauf erhoben sie sich
leise und verschwanden. Es waren die Schicksalsrichterinnen,
die Sudičky.
Der Handwerksbursche hinter dem Ofen aber er-
schrack gewaltig, als er die Rede der weißen Frauen
gehört hatte. Ich soll so lange warten, bis ich heirathe
und dann noch den Tod durch sie haben, dachte er bei
sich und stieg leise aus der Hölle heraus, gieng zum
Kinde, das ruhig in der Wiege schlummerte und stach
ihm eine Stecknadel in den Kopf. Das Kind schrie
auf, er aber eilte aus dem Hause und lief davon.
Als das Kind so weinte, erwachte die Mutter; sie
wußte aber nicht, was geschehen sei. Das Kind ließ
sich denn auch stillen und wuchs auf, ohne daß jemand
die Nadel in seinem Kopfe bemerkt hätte. Als
das Mädchen erwachsen war, und schon Vater und
Mutter verloren hatte, gieng es nach Prag in den
Dienst. Hier begegnete ihr oft, wenn sie auf den
Markt gieng, ein Mann, der sie immer so freundlich
anschaute. Er war zwar nicht mehr jung, aber er gefiel
ihr und eh ein Jahr vorüber war, hatten sie sich geheirathet
und lebten glücklich und zufrieden. An einem
Sonntag-Nachmittage nun bat die Frau ihren Mann, er
möge ihr auf dem Kopfe krauen. Der Mann that es
ihr; dabei kam er auch auf die Stelle, wo das Stecknadelköpfchen
hervorragte. Der Mann erschrack. Es war
der nämliche Mann, der damals bei der Geburt des
Mädchens in der Hütte ihrer Eltern übernachtet hatte.
Er war von dort nach Prag gegangen, war Bürger und
Meister geworden und hatte sich ein hübsches Vermögen
erworben. Als er aber jetzt den Stecknadel-
knopf im Kopfe seiner Frau fand, erinnerte er sich alsogleich
an jene Nacht und an den Spruch der Loosrichterinnen
und fragte die Frau, woher sie das habe?
Sie wisse nicht, was es sei, sagte die Frau, es sei ein
altes Zeichen. Es ist ein Nadelköpfchen, sagte der
Mann, darf ich es herausziehen? Und er faßte das Nadelköpfchen
und zog ihr richtig die Stecknadel aus
dem Kopfe. Augenblicklich aber strömte auch das
Blut hinter der Nadel und ließ sich nicht mehr stillen.
In einer Stunde war seine Frau eine Leiche. Da erfaßte
den Mann eine wilde Verzweiflung, weil er Schuld sei
an dem Tode seiner lieben Frau; er wollte auch nicht
länger leben und gab sich selbst den Tod. So gieng
der Spruch der Schicksalsrichterinnen doch in Erfüllung.
(Emanuele Klauczek aus Prag.)
III.
Bergentrückte Helden.
Wenn im Verlauf des Jahres die Natur verödete und
der umwölkte Himmel statt befruchtenden Regens eisigen
Schnee zur Erde niedersandte: da meinte man,
die bösen Winterdämonen hätten die Oberhand gewonnen
und der Sommergott (Wuotan, Swantowit)
mit seinen himmlischen Kriegern sei im Kampfe
gegen sie gefallen und zur Unterwelt hinabgestiegen.
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