Die Kleine kicherte.
„Leise! Was ist?“, zischte ich.
Jetzt lachte sie laut: „Das sieht komisch aus, Joni. Als wenn du in der Nase bohren wolltest, aber mit deinem Finger nicht durch die Lippe kommst.“ Sie bog sich quasi vor Lachen und ich nahm lieber meinen Finger vom Mund.
Aber jetzt war es zu spät - die anderen wurden auf uns aufmerksam. Zunächst blickten sie uns fragend an, dann aber stimmten sie in das Lachen meiner Kollegin ein. Der Mann kam schließlich auf uns zu. „Ihr seid die Neuen, stimmt’s?“
Ich nickte.
„Abholkommando?“
Mit der Frage wusste ich nun nichts anzufangen, dafür nickte die Blonde nun heftig. „Aufräumen, umräumen, abholen“, bekräftigte sie und zeigte wage auf die von ihr geordneten Dosen. Der Mann nickte seinen beiden Kolleginnen zu: „Das sind sie“, erklärte er denen dann und meinte offensichtlich uns. Wobei mir nicht wirklich klar war, wer wir nun sein sollten.
„Meine Kollegin bringt die Paletten hier zu euch. Ihr schnappt euch einen Hubwagen aus dem Lager und marschiert mit den Sachen vorne raus. Alles eigentlich ganz easy. Ihr müsst zwanzig Mal gehen, wir haben zwanzig Paletten. Das Beste wäre, die Kleine hält dir die Türe auf.“
„Moment“, unterbrach ich ihn. „Wird das denn nicht auffallen? Man wird uns doch bestimmt beobachten?“
Der Mann lachte. „Das ist alles schon abgecheckt! Der Abteilungsleiter macht jetzt Pause. Er legt sich immer ein Stündchen hin und kommt erst viel später wieder aus seinem Büro. Die Kollegen hier sind eingeweiht und erhalten ein kleines ‚Schweigegeld’. Also keine Sorge, es kann nichts passieren.“
Ich sah ihn zweifelnd an: „Und was ist mit den Kameras? Gibt es hier keinen Hausdetektiv?“
Wieder lachte der Mann. „Natürlich gibt es den. Aber die Kameras zeichnen nicht auf und dank meiner anderen lieben Kollegin wird der Detektiv ein wenig abgelenkt sein.“
Jetzt lachte auch die bezeichnete Mitarbeiterin und knöpfte sich beflissen die oberen Knöpfe ihres Arbeitskittels auf.
Ich verstand. So lief der Hase! Während der Abteilungsleiter seiner wohlverdienten Ruhepause nachging, lenkte man den Detektiv ab. Kein Wunder, dass hier andauernd Mengen an Waren verschwanden. Die Diebe waren aber auch zu gerissen. In diesem Moment fuhr die andere Kollegin mit einem Hubwagen, beladen mit einer Palette, heran.
Nun waren sie alle drei wieder hier zusammen. Das war der Augenblick, auf den ich gewartet hatte. Mit entschlossener Miene zog ich meinen Revolver. „Alle stehen bleiben und die Hände hoch! Sie sind alle verhaftet, also festgenommen. Ich bin Privatdetektiv und habe sie überführt!“
Der Anblick der Gesichter war Gold wert. Niemand kam auf die Idee zu flüchten, so überrascht waren die Verbrecher von meiner raschen und zielgerichteten Aktion. Tja, ein echter Jon Lärpers eben ...
Meine blonde Kollegin schmiegte sich an mich und flüsterte in mein Ohr: „Das war aber große Klasse, Joni. Du bist ein wirklicher Held.“ Aber das wusste ich ja schon zuvor.
„Du holst jetzt den Abteilungsleiter“, beschied ich ihr und musste sie wirklich ein wenig von mir schieben.
„Das geht nicht“, meldete sich jetzt der Mann und schüttelte den Kopf. „Der Abteilungsleiter hat jetzt seine Pause. Da darf er nicht gestört werden.“
„Dann wird er einmal eine Ausnahme machen.“ Wieder schüttelte der Mann den Kopf und die beiden Frauen folgten seinem Beispiel. „Niemals, unter gar keinen Umständen darf der Abteilungsleiter gestört werden. Das würden sie bereuen!“
Nun, der Wunsch des Abteilungsleiters war sicherlich Gesetz und wir brauchten den Mann ja nicht wirklich. Wir konnten uns direkt an die Geschäftsführung wenden. Gedankenverloren nickte ich. Sollten wir denn nicht lieber die Polizei verständigen? Ich schaute auf die drei Gangster. Der Mann grinste und die Frauen sahen mich abwartend an. Dachten die etwa, eine Chance zur Flucht zu erhalten? Ich zückte mein Handy. In der einen Hand den Revolver, in der anderen das Telefon: wie sollte ich wählen?
Wieder sah ich den Mann grinsen. Der plante vermutlich schon seine Flucht. Aber dem würde ich einen Strich durch die Rechnung machen. Hier musste mit der ganzen Härte durchgegriffen werden. Mich, den Detektiven Jon Lärpers so frech anzugrinsen! Ich fuchtelte mit dem Handy herum, als mir die rettende Idee kam.
„Du rufst jetzt die Polizei an“, befahl ich meiner Kollegin und hielt ihr das Handy hin.
„Damit?“
Was meinte sie jetzt wieder mit dieser Frage? Aber schon tippte sie fleißig darauf herum. „Joni, weißt du die Nummer?“
„Eins eins null“, erklärte ich ihr. Aber eigentlich sollte sie die Notrufnummer kennen.
„Das ist doch die Notrufnummer der Polizei.“ - „Korrekt - und jetzt ruf’ endlich an.“
Nach ein paar Minuten hörte ich sie mit der Polizei sprechen. „Gib’ her.“ Ich hielt ihr meine Hand hin. „Hallo, hallo.“
„Polizei, sie haben den Notruf gewählt.“
Nein, das hatte ich nicht; es war ja meine Kollegin gewesen. Diesen Irrtum des Beamten musste ich sofort richtigstellen. „Nein, habe ich nicht.“ - „Sie haben nicht den Notruf gewählt? Sie haben aber doch bei uns angerufen.“ - „Nein, das war ich nicht.“ - „Wer dann?“ - „Meine Kollegin, mit der sprachen sie doch gerade schon.“
Ich hörte einen Seufzer am anderen Ende des Telefons und dann jemanden, der tief Luft holte. „Also, worum geht es denn? Ihre Kollegin erwähnte etwas von einer Lärpes. Hörte sich an wie Herpes.“ Er lachte über seinen dämlichen Witz und in mir stieg langsam die Wut hoch. Wir befanden uns hier in einer äußerst gefährlichen Lage. Der Gangster grinste mich immer noch an und alle drei meiner Verhafteten wackelten mit den Armen und hielten sie nicht mehr ganz so hoch. Deutlich erste Anzeichen für eine Flucht.
„Lärpers. Detektiv Jon Lärpers. Ich befinde mich hier im Kaufhaus Kaufstatt und habe drei Verbrecher dingfest gemacht. Es handelt sich um die berühmte Diebesbande. Davon sollten sie aber schon gehört haben, sie Lachsack.“
Das konnte - und wollte - ich mir nicht verkneifen. Lärpes, wie Herpes. So etwas würde ich ja nicht auf mir sitzen lassen.
Prompt hörte auch das Glucksen am anderen Ende auf. Jetzt sprach der Polizist sehr ernst: „Das ist Beamtenbeleidigung, das wissen sie doch wohl.“ - „Und ihr Herpes - Lärpes? Das ist Detektivbeleidigung.“
Der Polizist schien zu überlegen, dann lenkte er offensichtlich ein. Logisch, denn mit einem Lärpers trieb niemand seine Späßchen.
„Was ist mit ihrer Diebesbande?“, wollte er nun wissen.
„Die können sie hier abholen. Ich habe sie unter Kontrolle.“ Nach einigen wenigen weiteren Worten versprach mir der Polizist einen Streifenwagen vorbei zu schicken. Ich konnte mir ein ‚nicht nur vorbei, sondern auch rein’ nicht verkneifen, worauf der Mann aber nicht einging.
Nun warteten wir. Die Gefangenen wackelten weiter mit den Armen, zum Glück hielt ich aber meinen Revolver immer noch in der Hand. Lieber würde ich die Drei erschießen, als sie entkommen zu lassen.
Mittlerweile waren weitere Personen auf uns aufmerksam geworden und eine kleine Gruppe von Menschen stand um uns herum. Ich hörte hin und wieder das Wort ‚Überfall’ und ein jüngerer Mann tat sich hervor und rief aus sicherer Entfernung: „Ich habe die Polizei gerufen, keine Sorge.“ - „Habe ich schon selber“, entgegnete ich und zielte mit meinem Revolver auf den jungen Mann. Kreischend wichen die Leute ein wenig zurück. Gut so! Weniger gut, dass jetzt ausnahmslos jeder von denen mit seinem Handy Fotos von uns machte.
„Ich habe die Presse verständigt“, rief eine dicke Frau, „so etwas muss die Öffentlichkeit doch erfahren.“ Einige der Zuschauer stimmten ihr zu.
„Jetzt wird es aber allmählich Zeit, dass die Polizei kommt“, raunte ich der blonden Schönheit zu. Nicht, dass uns der murrende Zuschauerhaufen am Ende noch an die Wäsche ging.
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