Elizabeth nickte nur. Sie war in Gedanken versunken.
Kapitel 6 – Ein besonderer Abend
Nami war froh, als das Essen endlich zu Ende war. Sie wollte nur in ihr Zimmer und schlafen. Ein neuer Tag konnte ja nur Gutes bringen. Doch sie hatte nicht mit Elizabeth gerechnet. Kaum hatte sich Nami auf ihr Bett fallen lassen, kam diese schon hereinspaziert. Sie raunte: »Wir müssen reden. Am besten draußen.« Nami nickte nur, auch wenn sie eigentlich ihre Ruhe wollte und folgte ihr nach draußen. Die Sonne ging gerade unter, doch viele waren noch unterwegs. Sie gingen zu einem Baum in der Ecke des Schulgeländes. Hier war es sehr dunkel und der düstere Wald nebenan erzeugte eine unheimliche Atmosphäre. Sie war froh, dass ein Zaun dazwischen war.
Elizabeth fing sofort an: »Wieso hast du mir nichts von deinem Feuermal erzählt? Ich wusste noch nicht einmal, dass es das wirklich gibt. Ich dachte immer, es wäre nur eine Geschichte.«
Nami verstand nicht: »Mein Feuermal? Von was sprichst du?«
Elizabeth betrachtete sie zunächst argwöhnisch, doch dann schien sie, ihr zu glauben.
»Du weißt es wirklich noch nicht. Vorhin in der Halle, als ich meine Hand auf deine gelegt habe. Das habe ich getan, weil da ein Feuermal erschienen ist. Nur Auserwählte haben diese und es ist gefährlich, wenn die Falschen davon erfahren.«
Nami unterbrach sie: »Aber ich weiß gar nicht, was du meinst. Ich hab keines gesehen. Und was soll das überhaupt sein?«
Elizabeth lächelte: »Mach dir keine Sorgen, ich werde dir helfen. Ich weiß selbst nicht mehr genau, was es damit auf sich hatte, nur dass es einmal einen Krieg gab und die Zauberer fast vollkommen ausgelöscht worden wären. Aber dann kamen die Auserwählten, sie hatten ein Feuermal auf ihrer linken Hand. Sie hatten so starke Zauberkräfte in sich, dass sie alle retten konnten. Doch es ist eben gefährlich, wenn sie auf der falschen Seite stehen. Mach dir keine Sorgen, Karin und Marie haben dein Gesicht angestarrt, weil du richtig wütend ausgesehen hast. Ich hab das Mal sofort abgedeckt.«
Dabei grinste sie Nami stolz an. Diese wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie – eine Auserwählte? Das konnte sie kaum glauben und warum erst jetzt? Sie fing zu stottern an: »Ähm … danke. Ich weiß ehrlich gesagt noch nicht, was ich davon halten soll. Aber am besten lassen wir es erst mal dabei, vielleicht war es ja nur ein Zufall. Ich meine, es ist mir vorher noch nie passiert.«
Kurz musste sie an Klars im Badezimmer denken, das war merkwürdig gewesen. Hatte das auch mit dem Feuermal zu tun? Doch vorerst wollte sie den Gedanken von sich schieben. Elizabeth legte ihren Arm um sie und meinte: »Ich glaube zwar nicht, dass das ein Zufall war, doch können wir es erst einmal belassen. Ich denke, es bricht erst jetzt aus, weil deine Kräfte vorher unter der Oberfläche darauf gelauert haben, dass du sie aktivierst. Der Zauberstab könnte eventuell eine Art Auslöser sein,« mutmaßte sie.
Auch Klars hatte einen besonderen Abend. Als bereits Schlafenszeit war, saß er noch am Bettrand und dachte nach. War das Gefühl beim Zauberunterricht nur Zufall gewesen? Gedankenversunken nahm er seinen Zauberstab in die Hand. Er schloss die Augen und fuhr langsam über jede einzelne Einkerbung. Einzeln waren sie nicht besonders, aber sie alle zusammen machten den Stab perfekt. Er fühlte sich angenehm in der Hand an und er passte sich perfekt seiner Handfläche an. Und als er so über ihn strich, spürte Klars es wieder: dieses Gefühl. Er konnte die Macht des Zauberstabes fühlen, sie strömte durch ihn hindurch und ließ seine Haare zu Berge stehen. Er versank vollkommen in diesem Zustand. Es fühlte sich an wie damals im Badezimmer. Es war die absolute Macht. Die Macht über alles. Er könnte seinen Stab schwingen und alles erreichen. Doch ein anderes, tief in ihm liegendes Gefühl ließ ihn seine Augen öffnen. Im Nachhinein war er froh darüber, denn was wäre sonst wohl passiert?
Vor Schreck ließ er seinen Stab fallen. Schon war das, was ihn so überrascht hatte, verschwunden. Er konnte es kaum glauben, wie war das alles nur möglich? Er hatte das Zaubern doch noch gar nicht gelernt und wie konnte es sein, dass er sich nicht einmal verletzt hatte? Langsam nahm er den Stab wieder in die Hand. Doch dieses Mal würde er vorsichtiger sein, er durfte die Macht nicht selbstständig werden lassen. Denn das wäre sehr gefährlich. Andererseits wollte er seinen Zauberstab auch nicht mehr aus den Augen lassen. Etwas in ihm erreichte eine wundervolle Kraft bei Klars und dies erzeugte eine noch stärkere Verbindung, als er sie schon beim Unterricht gespürt hatte. Er wusste nur nicht, wie er ihn nah bei sich tragen konnte und während er darüber nachdachte, hatte der Zauberstab die Antwort bereits parat. Irgendetwas hauchte Klars zu, er solle den Stab an seinen Unterarm halten und als er dies tat, bildete der Stab eine dünne Verästelung um Klars' Arm. Sie kam einfach so aus dem Stab. Klars konnte es sich nicht erklären und ganz nebenbei hatte ich davor auch noch nicht davon gehört. Erst jetzt kenne ich die Geheimnisse dieser besonderen Bindung. Und obwohl ich nun mehr weiß als damals, kann ich euch sagen, dass ich auch heute immer wieder von neuen Geheimnissen überrascht werde.
Nun aber zurück zu Klars. Der Stab war nun so eng an seinem Arm, dass er nicht mehr herunterfallen konnte. Zudem brauchte er sich keine Sorgen machen, sich aus Versehen darauf zu legen. Dies würde dem Stab nicht schaden. Und obwohl ihm viele Dinge durch seinen Kopf schwirrten, konnte er nun schlafen. Seine letzten Gedanken, bevor er in die Traumwelt entschwand, waren, wie er seine Augen geöffnet und sein Körper in Flammen gestanden hatte.
Kapitel 7 – Ein kleiner Wettstreit
Am nächsten Morgen hatte Klars Angst, er würde den Zauberstab nicht mehr von seinem Arm entfernen können. Doch er hatte sich zu früh Sorgen gemacht. Als er ihn mit der Hand umgriff, löste er sich sofort vom Arm und die Wurzeln, die es um diesen geschlungen hatte, verschwanden im Stab. Fürs Erste wollte er diese Verbindung verborgen halten und deshalb war er auch froh, dass die Schuluniform langärmlig war.
Nach dem Frühstück hatte Klars wieder Zauberunterricht. Er war schon gespannt, denn Mister Clüdo hatte angekündigt, dass sie ihren ersten Spruch lernen würden. Auch Mako war bereits Feuer und Flamme. Auf dem Weg zum Klassenzimmer hüpfte er vor Klars herum und meinte: »Und was denkst du, was wir lernen? Die meisten lernen zunächst einen Lichtzauber. Aber vielleicht ist es ja auch ein Schwebezauber oder ein Verkleinerungszauber.«
Thomas, welcher vor ihnen ging, drehte sich um und sagte: »Ein Verkleinerungszauber ist viel zu schwer für Anfänger. Der kommt sicherlich erst im nächsten Jahr dran.«
Von hinten meldete sich Philippé: »Bis dahin werde ich schon im Fortgeschrittenen-Kurs sein und nicht mehr bei euch Langweilern herumhängen.«
Klars konnte hier nicht länger ruhig bleiben: »Ich wette, dass ich heute den Zauber schneller lerne als du! Und wenn das so ist, dann hörst du endlich auf, dich immer aufzuspielen.« Die Antwort Philippés war ein Lachen.
Mister Clüdo spannte die Kinder nicht lange auf die Folter. Statt sie zu begrüßen, war sein erstes Wort: »Bewegung.« Mako fing schon zu grinsen an, währen Klars sich noch fragte, was das für ein Zauber sein sollte. Doch dann sah er die Bälle an den Wänden stehen. Sehr kleine Bälle, etwa handtellergroß. Mister Clüdo erklärte weiter: »Eure Aufgabe wird es heute sein, diese Bälle in Bewegung zu bringen. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten, zum Beispiel einen Windzauber oder sie schweben zu lassen. Doch das Einfachste ist, ihn mithilfe eurer Kraft nach vorne zu drücken. Ich zeige es euch einmal.«
Er holte seinen Zauberstab aus dem Jackett, schwang ihn kreisförmig und zeigte dann auf einen Ball. Dieser fing zu Rollen an und stoppte erst, als er gegen die Wand prallte.
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