Der größte von ihnen, Sir Blake, übernahm das Wort. Er hatte schwarzes kurzes Haar, einen Dreitagesbart und stechende dunkle Augen. Es war, als könnte er mit nur einem Blick all das sehen, was man im Leben so ausgeheckt hat und unbedingt geheim halten möchte.
Ich bin diesem Mann übrigens auch einmal begegnet. Sehr unangenehm war das. Ich traute mich gar nicht, ihm in die Augen zu schauen. Doch allzu viel will ich euch noch nicht über ihn erzählen, nur lasst euch eins gesagt sein, der erste Eindruck trügt oft über das wirkliche Wesen eines Menschen hinweg.
Er gehört übrigens der höchsten Zauberliga an, weshalb er mit Sir und nicht mit Mister angesprochen wird. Bei den Frauen heißt es dann Lady statt Miss.
Nun, da begann also seine Rede. Wieso ich die so genau kenne? Naja, einerseits gibt es – wie ich schon erwähnt habe – Möglichkeiten alte Erinnerungen von anderen Personen zu betrachten und andererseits wurde die Rede genauestens notiert. Zauberern sind Überlieferungen sehr wichtig und deshalb schreiben sie alles nieder. Das kann ich euch übrigens nur wärmstens empfehlen. Es ist immer wieder lehrreich, die eigenen Erlebnisse zu lesen. Ich führe noch immer regelmäßig Tagebuch, wo ich mir alles aufschreibe, was ich als wichtig empfinde. Denn auch, wenn ich meine Erinnerungen anschauen kann, so weiß ich dann dennoch nicht, was ich damals gefühlt und gedacht habe.
Gut, aber nun will ich euch die Ansprache nicht weiter vorenthalten, sonst seid ihr bald genervt von mir altem Mann.
»Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben uns heute hier versammelt, um unsere neuen Zöglinge in Moonshine Manor willkommen zu heißen. Ich möchte nun keine lange Rede halten, da ich weiß, dass viele einen langen Weg hinter sich haben und sehr müde sind. Jedoch halte ich es für wichtig, dass ihr wisst, auf was ihr euch einlasst. Noch sind eure Eltern da und ihr könnt sofort wieder heimkehren. Denn einmal angefangen, gibt es kein zurück mehr. Ihr geht mit dem heutigen Tage eine Verpflichtung ein, die ihr unter allen Umständen einhalten müsst. Nur wenige erhalten dieses Privileg, weshalb es nicht vergeudet werden sollte.
Hier neben mir seht ihr das Schulwappen, dieses zeigt, woraus eure Aufgaben bestehen. Das Buch steht für Wissen, ihr müsst euch vieles aneignen, denn ohne Theorie funktioniert nichts auf der Welt. Euch stehen endlose Stunden voll Lernen, lange Nächte mit Büchern bevor.
Der Zauberhut! Als Zauberer untersteht ihr einer Ordnung, an die ihr euch stets zu halten habt. Zuwiderhandlungen ziehen strenge Konsequenzen nach sich. Im Gegenzug,« hier lächelte er das erste und einzige Mal in seiner Rede, »erhaltet ihr besondere Befugnisse. Ihr werdet Dinge können, die sich Außenstehende nur zu träumen wagen.
Der Zauberstab! Es bringt euch nichts, viel zu wissen, wenn ihr es nicht anwenden könnt. Nur Übung macht euch zu Meistern eures Faches und wir verlangen viel davon.
Wir geben euch die Möglichkeit, den besten Beruf unserer Welt auszuüben, deshalb erwarten wir von euch etwas zurück. Wer es leicht haben möchte, ist hier fehl am Platze!«
Die Menge klatschte und die Frau neben ihm, Lady Winror, trat in die Mitte: »Nun, wenn es keine Fragen mehr gibt, dann erkläre ich euch das weitere Vorgehen. Die Kinder, welche hier übernachten, werden beim Zaubern getrennt von denen unterrichtet, die Zuhause wohnen. Schließlich haben sie einen anderen Tagesablauf. Zudem werden Mädchen getrennt von den Buben ausgebildet. Wir wollen schließlich keine Ablenkungen. Deshalb werden unsere Betreuungslehrer nun die Kinder aufrufen, welche gemeinsam das Zaubertraining absolvieren. Bei den anderen Fächern ist die Trennung nicht so strikt und die Schüler haben dort die Möglichkeit, neue Bekanntschaften zu schließen.
Ich bitte die Eltern, sich jetzt von den Kindern zu verabschieden, da diese nun in den Unterricht gehen.«
Die Menge klatschte erneut und der Schulrat marschierte aus dem Raum. Nami kamen die Tränen, sie hatte sich so auf die Schule gefreut, aber sie war auch noch nie für lange Zeit von ihrer Mutter getrennt gewesen. Weinend umarmte sie diese: »Du kommst uns doch immer holen, wenn wir das wollen?«
Jane lächelte, war jedoch ebenfalls kurz vor einem Tränenausbruch. Ab heute würde sie allein Zuhause sein, keiner würde sie von ihrem Verlust ablenken und schafften es ihre Kinder wirklich ohne sie? Was war, wenn Klars wieder einen Ausbruch hatte? Sie hoffte zwar noch immer, dass das damals nur ein Zufall gewesen war und sie das Mal nicht auf seiner Hand gesehen hatte, aber gleichzeitig wusste sie, dass es jederzeit wieder passieren könnte. Aber sie musste stark für die beiden sein und durfte sich nichts anmerken lassen. Sie wollte ihren Kindern die Möglichkeit zur Entfaltung geben. Sie durfte ihnen nicht im Wege stehen und vielleicht, so hoffte sie, war es wirklich nicht das Feuermal auf seiner Hand gewesen.
»Ihr dürft jederzeit nach Hause und ich bin jederzeit für euch erreichbar. Genießt die Zeit und seid immer fleißig,« antwortete sie deshalb. Sanft streichelte sie über ihre Haare und gab ihnen einen Kuss auf die Wange.
Kapitel 3 – Ein kleiner Rundgang
Hier mache ich einen kleinen Zeitsprung. Das Aufrufen der einzelnen Schüler würde euch nur einschläfern und das ist nicht meine Absicht. Deshalb kommen wir gleich dazu, wie Nami ihrer Lehrkraft, einer netten Dame mit hochgestecktem Haar, über das Schulgelände folgte. Sie und ihre neuen drei Kameradinnen bekamen eine kleine Führung. Ihnen wurde keineswegs alles gezeigt, das wäre ja auch unnötig. Nur das Wichtigste, was sie in den nächsten Tagen finden sollten, wurde angesteuert. Gerade standen sie vor einer hohen Halle aus Backstein.
»Dies ist unsere Sporthalle. Hier werdet ihr oft trainieren, denn nicht nur der Geist, auch der Körper muss gestählt werden,« erklärte Miss Prudou. Nami schluckte. Sie war nicht besonders sportlich und hatte Angst, zu versagen.
Klars hingegen, welcher die Halle fünf Minuten vor Nami gesehen hatte, war begeistert. Er war die letzten zwei Jahre im Fußballverein und in seiner Freizeit gerne mit seinem Vater beim Klettern gewesen. Ihm hingegen gefiel das Unterrichtsgebäude nicht. Es war acht Stockwerke hoch und hatte so viele verschiedene Räume, dass er missmutig wurde. Er war nicht gerade ein Freund von vielem Lernen und sorgte sich um seine Freizeit. Vielleicht würde keine Zeit mehr für Hobbys bleiben, wenn er den ganzen Tag lernen würde müssen.
Natürlich machten sich beide viel zu viele Gedanken. Wie ihr es euch wohl auch gemacht hättet. Neues erscheint einem oft unmöglich, aber trotzdem darf man nicht sofort den Kopf hängen lassen, sondern sollte sich einfach erst einmal darauf einlassen.
Als Letztes kamen sie zu den Wohngebäuden. Es waren drei an der Zahl, zwei für die Schüler – natürlich nach Geschlechtern getrennt – und eines für die nicht ortsansässigen Angestellten. Das für die Buben befand sich neben dem Wald, gegenüber von dem Unterrichtsgebäude, daneben war das der Angestellten. Das der Mädchen war auf der anderen Seite des Schulgeländes direkt neben dem Sportplatz. Jedes Gebäude war aus rotem Backstein mit weißen Fensterrahmen und großen reflektierenden Fenstern. Diese fand Klars besonders interessant. Sie spiegelten so stark, dass man von außen nicht hindurch sehen konnte, von innen jedoch waren es ganz normale Fenster.
Bevor sie in das Gebäude traten, erklärte ihnen ihr Vertrauenslehrer Mister Trine: »Um Rivalitäten bezüglich der Zimmeraufteilung zu vermeiden, sind die Räume nach Klassenstufen aufgeteilt. Da ihr die Jüngsten seid, wohnt ihr ganz unten. Dort habt ihr auch einen eigenen Gemeinschafts- und einen Speiseraum. Die Abläufe erkläre ich euch, wenn es so weit ist. Zunächst zeige ich euch aber euren Schlafraum, damit ihr euch die nächste halbe Stunde erst mal einleben könnt.«
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