Nachdem Jane nun an diesem Tag nach Hause kam, grauste es sie schon vor der Nacht. Sie vermisste Liam so sehr, dass sie sich jede Nacht in den Schlaf weinte. Doch der Abend vor dem Bettgehen war dieses Mal viel schlimmer. Es warf sie vollständig aus der Bahn, sie hätte die stärkende Hand ihres Mannes gebrauchen können.
Die Kinder waren bei den Vorbereitungen für das Zubettgehen. Zusammen standen sie im Badezimmer. Jeder hatte ein eigenes Waschbecken und dort putzten sie sich die Zähne. Nami war an diesem Abend nicht besonders gründlich, sodass sie schon früher fertig war. Dann fing sie wieder damit an, mit Klars zu streiten. »Ich werde viel besser zaubern können als du, schließlich hatte ich meinen Stab viel schneller. Außerdem bin ich in der Schule bisher immer besser als du gewesen.«
Zunächst ließ sich Klars dadurch nicht beeindrucken und erwiderte deshalb nur: »Nicholai meinte, dass die Anspruchsvollen mächtiger wären und Zauberei kann nun wirklich nicht mit unserer bisherigen Schule verglichen werden.« Dabei grinste er sie überlegen an, doch Nami wusste, wie sie ihren Bruder zur Weißglut bringen konnte: »Das hat er nur gesagt, damit du nicht gleich zum Weinen anfängst. Selbst Mama hatte schon Angst, dass du zu schlecht bist und wollte gehen.«
Klars konnte es sich später nicht erklären, wieso er in diesem Moment so reagierte, doch er warf seine Zahnbürste ins Waschbecken, schnappte sich den Zauberstab, den er an diesem Tag überallhin mitgenommen hatte und ohne zu wissen, was er tat, schwenkte er ihn und ein Feuerstrahl erglühte. Zum Glück hatte Nami gute Reflexe und sprang rechtzeitig einen Schritt zurück. Klars konnte nicht aufhören, eine Macht durchströmte ihn und diese fühlte sich angenehm an. Sie überschwemmte all seine Gefühle. Nami lief ängstlich zu ihrer Mutter und als die Macht zu stark wurde, schrie Klars, er hatte sie nicht unter Kontrolle, sie verbrannte ihn und jede Faser seines Körpers schmerzte. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn seine Mutter nicht da gewesen wäre, doch sie eilte sofort zum Bad. Dieses stand komplett unter Flammen. Das könnt ihr euch vielleicht nicht so gut vorstellen, denn schließlich brennen Waschbecken nur schwer, aber das Feuer war schrecklich heiß, es sengte Handtücher an und erzeugte um Klars einen Wind, wodurch er nicht von den Flammen berührt wurde. Jane war verzweifelt, doch sie rief: »Klars, alles ist gut. Du kannst den Stab loslassen, du schaffst das.«
Da ihr Junge großes Vertrauen hatte, glaubte er ihr und wurde dadurch bestärkt. Er schaffte es mit großer Mühe, seine Hand zu öffnen und sofort war das Feuer weg, nichts brannte mehr. Die Sachen waren zwar voller Ruß und teilweise verbrannt, aber es bestand keine Gefahr mehr.
Jane rannte zu ihrem Sohn und nahm ihn in die Arme. Im selben Moment wurde dieser ohnmächtig. Jane war bereits voller Angst, doch in richtige Panik versetzte sie dann ein Zeichen auf Klars Handrücken. Es war eine sich achtmal umwindende, rote Spirale, die aussah, als würde ein kleines Feuer auf der Hand züngeln – das Feuermal.
Kapitel 2 – Der erste Schultag
Im frühen Herbst war es dann so weit: Die Schule begann. Ihr könnt euch vielleicht noch erinnern, wie für euch der erste Tag an einer neuen Schule war. Denn genau so fühlten sich auch die Zwillinge. Alles war neu und sie machten sich über alles mögliche Sorgen. Doch ihre Mutter begleitete sie und das war eine Hilfe. Als sie aus dem Auto stiegen, war Klars niedergedrückt. Es war ihm peinlich und er wollte nicht, dass jemand seine Gefühle sehen konnte, doch seine Mutter merkte immer, wenn etwas nicht stimmte. Deswegen nahm sie ihn kurz zu sich und fragte, was los sei.
»Ich wünschte, Dad wäre bei uns, er war ja auch in so einer Schule und könnte uns Tipps geben.«
Dies versetzte Jane gleich einen doppelten Stich, natürlich vermisste sie ihren Mann ebenfalls, aber gleichzeitig erinnerte es sie an ihren ersten Tag in der Schule – an die furchtbaren verdrängten Erinnerungen.
Endlich standen sie vor der Schule. Diese war eine fünfstündige Fahrt von ihrem Zuhause entfernt. Es gab nur wenige Zaubererschulen, da sich nicht viele Orte dazu eigneten. Ich könnte euch eine Menge Gründe dafür nennen, aber ich denke, im Laufe meiner Erzählung werdet ihr selbst einige herausfinden.
Jetzt fragt ihr euch vermutlich, ob die Fings täglich einen so weiten Weg zurücklegen müssen. Aber nein – die Schulen bieten vor Ort Wohnmöglichkeiten für alle Schülerinnen und Schüler. Dies ist, anders als bei der Bedienstetenschule, freiwillig und die Kinder besuchen oft am Wochenende ihre Familien. Die meisten übernachten tatsächlich in der Schule, denn das hat einige Vorteile, die aufzuzählen, wohl wieder zu müßig wäre. Ich habe euch noch viel zu erzählen, deswegen werde ich euch wieder auf später vertrösten und es euch selbst entdecken lassen.
Vor der Schule war schon einiges los. Eltern standen vor dem großen Eingangstor und unterhielten sich miteinander. Die Kinder standen drängend daneben. Durch die strengen Aufnahmeregeln kam es, dass sich nur noch wenige Familien bereits vor der Einschulung kannten. Früher wurden stets die selben Blutlinien aufgenommen, weshalb die Einzelnen meistens schon davor Grüppchen gebildet hatten. So war es nun eine viel schwierigere Situation für die jungen Schüler, da sie sich erst noch kennenlernen mussten. Andererseits ist das doch auch praktisch, wenn jeder unvoreingenommen aufeinander trifft. Leider halten sich die Adligen teilweise immer noch für etwas Besonderes und sehen Freundschaften mit Andersartigen als etwas Abstoßendes.
Nun aber zurück zum Eingangstor, es war wirklich riesig. Vier Meter lange dünne goldene Streben, welche an den Seiten spitz endeten, rankten sich in den blauen Himmel. In der Mitte bildeten die Streben den Namen der Schule Moonshine Manor. Ein breiter Kiesweg, der an beiden Seiten von einem perfekt geschnittenen Rasen flankiert wurde, führte zu einer weißen Treppe, welche von zwei Säulen umgeben war. Nach der Treppe stand eine mächtige schwarze Doppeltür offen. Hierdurch schritten unsere Fings. Wie ihr es euch vielleicht schon denken könnt, war die Schule damals äußerst luxuriös. Schließlich wurde sie von denen erbaut, die sich für das Höchste in der Gesellschaft hielten. Die Zauberei sollte ihre Alleinstellung zeigen und natürlich musste das Aussehen der Schule genau das widerspiegeln.
Was ihr ihnen jedoch zugutehalten solltet: nicht nur das Aussehen war auf das Perfekteste getrimmt worden, sondern auch die Ausbildung. Nur die Besten durften dort unterrichten und die Schüler erhielten alles, was für ihre Bildung notwendig war.
In einer großen Halle waren alle neuen Schüler, deren Eltern und die Lehrkräfte versammelt. Die Eltern saßen mit ihren Kindern auf Stühlen, die zu einer Bühne ausgerichtet waren. Der durch eine Glasfront erhellte Saal wurde von marmornen Säulen gestützt. An den Wänden hing das dunkel violette Schulwappen: ein offenes Buch, über dem ein Zauberhut schwebte und zwei funkensprühende Zauberstäbe an den Seiten.
Jane setzte sich mit Klars und Nami in die dritte Reihe, damit sie auch alles sehen konnten.
Schnell füllte sich die Halle. Die Zwillinge beobachteten vor allem die Bühne, denn dort stellten sich die Fachkräfte der Schule auf. Diese unterhielten sich festlich gekleidet, ohne die Zuschauer zu beachten. Als keine weiteren Familien mehr eintraten, wurden die Türen geschlossen. Die Stimmen verebbten und alle blickten erwartungsvoll nach vorne. Klars ärgerte es, dass die Personen auf der Bühne weiterhin plauderten und nicht begannen. Nach mehreren Minuten flüsterten die Wartenden wieder und fragten sich, wann es anfangen würde.
Da öffneten sich die Türen erneut und zwei Männer und eine Frau, welche sehr edel gekleidet waren, traten ein. Ihre Blicke waren streng und erhobenen Hauptes marschierten sie zum Podium auf der Bühne. Nami wurde durch ihre Art eingeschüchtert, sie erschienen ihr sehr mächtig. Klars hingegen fand ihr Auftreten überheblich.
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