das mit Sandstein gepflastert war. An dem oberen
Ende desselben befand sich ein siedender Kessel und
rechts davon ein großer Tisch, an welchem die Riesen
zu essen pflegten. Als er ein eisenvergittertes Fenster
sah, blickte er durch dasselbe und gewahrte ein großes,
ödes Feld voll unglücklicher Gefangener, welche,
als sie ihn erblickten, ausriefen: »Ach, du Armer, bist
du ein Leidensgenosse?«
»Jawohl,« versetzte Jack, »aber bitte, sagt mir, zu
welchem Zwecke seid ihr hier gefangen?«
»So oft die Riesen Lust verspüren zu einer
Schmauserei,« versetzte einer von ihnen, »wird der
fetteste von uns getödtet! Und ach, wie oft überkommt
sie die Lust dazu!«
»Steht es so«, sagte Jack, und auf der Stelle schloss
er das Thor auf und setzte sie in Freiheit. Sie freuten
sich alle über Maßen.
Dann durchsuchte Jack die Truhen der Riesen und
vertheilte das vorgefundene Gold und Silber gleichmäßig
unter ihnen.
Bei Sonnenaufgang am nächsten Morgen machten
sich die Gefangenen alle auf den Weg in ihre Heimat,
und Jack bestieg sein Pferd, um seine Reise fortzusetzen.
Dank der Anleitung des Ritters erreichte er dessen
Haus um die Mittagsstunde. Er wurde von dem
Ritter und seiner Gemahlin mit großen Freudenbezeugungen
empfangen, und es wurde ein Fest zu seinen
Ehren gegeben, das viele Tage dauerte, und an dem
der ganze Adel der Nachbarschaft theilnahm. Der
würdige Ritter beschenkte Jack mit einem schönen
Ringe, auf welchem im Bilde zu sehen war, wie der
Riese den unglücklichen Ritter und seine Gemahlin
fortschleppte.
Aber mitten in all dem Jubel brachte ein Bote die
traurige Mär, dass ein gewisser Thunderdell, ein
zweiköpfiger Riese, der von dem Tode seiner beiden
Verwandten gehört hatte, aus dem Norden des Landes
herbeigeeilt sei, um an Jack Rache zu nehmen. Er war
nur noch eine Meile von dem Schlosse des Ritters entfernt,
und die Leute flohen vor ihm wie Spreu. Aber
Jack erschrack nicht im geringsten, sondern sagte: »Er
mag nur kommen! Ich habe ein Hühnchen mit ihm zu
rupfen. Gehen Sie, meine Damen und Herren, nur
ruhig in den Garten, Sie können von dort den Fall und
Tod des Riesen Thunderdell mit ansehen.«
Das Haus des Ritters lag mitten auf einer kleinen
Insel, die von einem dreißig Fuß tiefen und zwanzig
Fuß breiten Wassergraben umgeben war, über welchen
eine Zugbrücke führte. Gegen die Mitte zu sägte
nun Jack mit Hilfe einiger Männer die Brücke an beiden
Seiten durch, dann zog er seinen unsichtbaren
Rock an und marschierte, das scharfe Schwert in der
Hand, auf den Riesen los. Obgleich der Riese Jack
nicht sehen konnte, so roch er doch seine Nähe und
begann zu schreien:
»Feh, fei, foh, fum!
Ich riech' einen Menschen hier herum;
Er sei lebendig, er sei todt,
Aus seinen Knochen mahl' ich Brot.«
»Nach deinen Worten zu schließen, bist du ja ein
fürchterlicher Müller,« sagte Jack.
Darauf schrie der Riese wieder: »Bist du der Elende,
der meine Vettern erschlug? Dann will ich dich
mit meinen Zähnen zerreißen, dein Blut aussaugen
und deine Knochen zu Pulver zermahlen.«
»Da musst du mich aber erst haben,« erwiderte
Jack. Mit diesen Worten warf er seinen unsichtbaren
Rock ab, damit ihn der Riese sehe, und nachdem er
seine Siebenmeilenschuhe angezogen hatte, rannte er
fort. Der Riese folgte ihm wie ein wanderndes Castell,
so dass die Erde bei jedem seiner Schritte in ihren
Grundfesten zu erzittern schien. Auf langen Umwegen,
damit die Herren und Damen im Garten es sähen,
führte Jack so den Riesen an der Nase herum; endlich
rannte er, um der Sache ein Ende zu machen, über die
Zugbrücke, der Riese, so schnell er konnte, mit seiner
Keule hinterdrein. Als aber der Riese in die Mitte der
Brücke gekommen war, brach dieselbe unter seiner
großen Schwere, und er plumpste kopfüber in das
Wasser, wo er sich wie ein Walfisch umherwälzte.
Jack stand am Graben und lachte ihn aus; aber obwohl
der Riese darob vor Wuth schäumte und in dem
Graben rathlos herumfuhr, so konnte er doch nicht
heraus, um sich zu rächen. Endlich nahm Jack ein
Wagenseil, warf es dem Riesen um seine beiden
Köpfe und zog ihn mit Hilfe von zwei Pferden heraus.
Darauf schnitt er ihm mit seinem scharfen Schwerte
beide Köpfe ab und schickte dieselben dem Könige
Arthur.
Nachdem Jack einige Zeit der Muße gepflegt hatte,
nahm er von den Damen und Rittern Abschied und
gieng auf neue Abenteuer aus. Durch viele Wälder
kam er und gelangte endlich an den Fuß eines Berges.
Dort stand ein einsames Haus, und da es spät in der
Nacht war, klopfte er an das Thor. Ein alter Mann mit
schneeweißem Haupthaar öffnete ihm.
»Vater,« sagte Jack, »könnt Ihr einem Reisenden,
den die Nacht überrascht hat, Unterkunft geben?«
»Jawohl,« erwiderte der alte Mann, »sei willkommen
in meiner armen Hütte.«
Darauf trat Jack ein, sie setzten sich zusammen nieder,
und der alte Mann begann folgendermaßen:
»Mein Sohn, ich merke, du bist der große Riesentödter.
Siehst du das verwunschene Schloss da oben auf
dem Gipfel des Berges, mein Sohn? Das bewohnt ein
Riese namens Galligantus, der lockt mit Hilfe eines
alten Zauberers viele Ritter und Damen in sein
Schloss, wo er sie durch magische Kunst in allerlei
Gestalten verwandelt. Vor allem aber beklage ich das
Unglück eines Herzogs, dessen Tochter sie aus seinem
Garten entführten.
In einem brennenden, von feurigen Drachen gezogenen
Wagen brachten sie sie durch die Lüfte in das
Schloss, wo sie sie in eine weiße Hirschkuh verwandelten.
Und trotzdem schon viele Ritter versucht
haben, den Zauber zu brechen und sie zu befreien, so
ist es doch noch keinem gelungen, denn am Thore des
Schlosses stehen zwei furchtbare Greife, welche jeden
tödten, der sich naht. Aber du, mein Sohn, besitzest ja
einen Rock, der dich unsichtbar macht, du kannst ungesehen
an ihnen vorbeikommen. Über den Thoren
des Schlosses steht in großen Lettern geschrieben, auf
welche Art der Zauber gebrochen werden kann.«
Als der alte Mann geendet hatte, reichte Jack ihm
die Hand und gab ihm das Versprechen, am folgenden
Morgen sein Leben zu wagen, um die Jungfrau zu befreien.
In der Früh stand Jack auf und bereitete sich zu seinem
Unternehmen vor, indem er seinen unsichtbaren
Rock und die Siebenmeilenschuhe anzog und die
Kappe der Allwissenheit aufsetzte. Als er den Gipfel
des Berges erreicht hatte, sah er sogleich die beiden
feurigen Greife, gieng aber, da er seinen unsichtbaren
Rock anhatte, ohne Furcht an ihnen vorüber. Über
dem Thore sah er an einer Silberkette eine goldene
Trompete hängen, und darunter waren folgende Zeilen
eingraviert:
In wessen Hand dies Horn erschallt,
Der schlägt den Riesen mit Gewalt;
Gen schwarze Kunst ist er gefeit,
Und alle werden durch ihn befreit.
Kaum hatte Jack dies gelesen, als er auch schon in die
Trompete stieß, worauf das Schloss in seinen Grund-
festen zu erzittern begann. Der Riese aber und der
Zauberer, die nun wussten, dass ihre Herrlichkeit zu
Ende war, bissen sich in ihrer Verzweiflung in die
Daumen und rissen sich das Haar aus dem Kopfe.
Endlich bückte sich der Riese, um seine Keule aufzuheben,
da trennte ihm Jack mit einem Hieb den Kopf
vom Rumpfe, worauf der Zauberer in die Luft flog
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