Als er sich brutal und hart in ihr bewegte, nahm sie nur noch grunzende Laute wahr und verlor das Bewusstsein.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Marianne spürte die Sonne, die auf ihren Körper schien und tastete erst über den Boden und griff sich an die Hüften. Keine Trainingshose, kein Slip.
Ihr Kopf hämmerte. Marianne spürte Schmerzen und fühlte etwas Nasses, ihr eigenes Blut. Es war geronnen und wurde klebrig an ihren Fingern, die ihren Schamhügel betasteten.
Als sie die Augen öffnete, sah sie einen Eichelhäher, der schimpfend auf einem Ast saß. Marianne liebte die scheuen Eichelhäher. Liegend dachte sie nach. Nein, es war kein Traum und Tränen schossen ihr in die Augen. Sie traute sich, ihren pochenden Schädel nur langsam nach rechts und links zu bewegen. Mit der rechten Hand griff sie nach ihrem Hals. Die Silberkette, die ihr Mann ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, fehlte. Das Medaillon war nicht wertvoll gewesen, aber sie liebte den kleinen Anhänger mit dem silbernen Eselchen.
Das ist vielleicht doch alles nur ein böser Traum , dachte sie erneut verwirrt und erschrak, als sie in das Gesicht eines alten Mannes mit großen Tränensäcken und einer dicken Hornbrille blickte. Sie schlug nach ihm und hörte dann eine Frauenstimme.
„Hermann, sei vorsichtig! Sie ist vergewaltigt worden. Wir müssen die Polizei rufen!“
Die alte Dame zog ihre Strickjacke aus und legte sie schweigend über Mariannes entblößten Unterleib. Marianne schaute in die beiden Gesichter, die besorgt und ebenso liebevoll schauten. Der alte Mann verbarg die Hände vor seinen Augen und zitterte.
„Liebling, mach’ du das. Es ist wie damals bei unserer Enkelin vor zehn Jahren.“
„Eins-eins-null“, hauchte Marianne leise und sah, wie die alte Frau ein Handy an das Ohr hielt. Marianne wollte wieder in Ohnmacht fallen und fragte sich vorher, ob der Vergewaltiger ahnen würde, dass sie noch lebt.
Der Schmerz an ihrem Ringfinger war pulsierend und sie flüsterte: „Er hat meinen Ehering genommen.“
Ich lebe mehr schlecht als recht. Als ich meine Ausbildung zum Industriekaufmann halbwegs ertrug und auch mit einer dreikommazwo überstand, ahnte ich bereits, dass der Job mir keinen Spaß machen wird. Vielleicht gibt es auch etwas wie „höhere Magie“, denn jeder Laden, der mich beschäftigte, ging auch pleite. Insolvenz nennt man das. Deutschland sollte froh sein, dass ich kein Beamter bin, denn wenn die Behörden Pleite gehen, dann entsteht eine neue Revolution.
Ich bin selbständig. Als Privatdetektiv lebe ich zwar jeden Tag von der Hand in den Mund, aber ich bin mein eigener Herr. Zu lange eigentlich, denn seit zwei Monaten lebte ich von den paar Euro, die ich nicht bar auf mein Konto einzahlte. Meine Bank ist zwar kulant, aber bei einem Privatdetektiv glaubte auch sie nicht an eine Besserung der Finanzlage. Das Schild DETEKTEI ALWIN SCHREER & ANNE-CATHERINE VARTAN lockte wenige Kunden. Die meisten hatten kein Geld, und die anderen langweilten uns mit Aufträgen, die spröde waren. Es machte selten Spaß, vor dem Haus eines angesehenen Bürgers mit der Spiegelreflex zu stehen und abzulichten, wer in das Haus ein und ausgeht, wenn der gute Mann nicht da ist und seine Reden vor irgendwelchen Gremien schwingt. Zeit hätte ich also genug, meine Wohnung aufzuräumen. Die stets aufgetürmten Kochtöpfe mit Resten von Spaghetti und Linsensuppe deprimierten mich. Zum Glück hatte die Küche eine Tür und einen passenden Schlüssel.
In meinem Büro sah es wenigstens effizient nach Arbeit aus. Mindestens zwanzig vergrößerte Fotos hingen an den Wäscheleinen, die Anne und ich kreuz und quer auf gehangen hatten. Es war ein Auftrag aus dem deutschsprachigen Teil Belgiens. Anne, eine Ex-Journalistin mit Spürsinn, observierte eine weibliche industrielle Größe und Millionenerbin, wie sie ihre Liebhaber dutzendweise durchbumste, und der Auftrag würde uns mindestens 3.000 Euro einbringen, die unser Firmenkonto auch dringend benötigte. Der betrogene Ehemann hatte die verlangten 75 Prozent Anzahlung überwiesen. Der bis zum Geht-Nicht-Mehr loyale Berater meiner Hausbank hatte sich bereits bis weit aus dem Fenster gewagt, als er den letzten Kredit unterschrieb, und er konnte so seinen Chef zunächst beruhigen.
Zu den 3.000 Euro brachten die Schnappschüsse Anne zunächst ein blaues Auge ein, denn einer der prächtigen Lover der Industriebossin hatte Anne in ihrem versteckten Honda Accord entdeckt und seinen Fahrer per Handy informiert, der Anne sofort aus dem Auto zerrte und die Kamera kurz und klein schlug. Typisch, im bescheidensten Auto seines Fuhrparks angerollt kommen, aber den Chauffeur und seines Zeichens auch Bodyguard zum Schäferstündchen mitschleppen!
Vor dem Haus seiner liebeshungrigen Gespielin stand sein bescheidener Ford Puma mit Fahrer, den er sicher seiner Frau entliehen hatte. Annes gute Canon war komplett zerstört, und ebenso demoliert war das Gesicht des Chauffeurs. Anne fackelte nie lange, wenn sie ihre Karatekünste an den Mann bringen konnte. Sein Pech, dass sie gerade den Film gewechselt hatte und die Beweisbilder längst in den Händen von Arno waren, den Harz IV zwar erwischt hatte, der aber mit seiner Crossmaschine immer gerne den Boten spielte, wenn etwas für ihn heraussprang.
Es klingelte, und ich fluchte laut, weil mein Büro chaotisch war, die Küche wie nach einer Schlacht aus Braveheart mit Mel Gibson aussah und es mir nach wie vor nicht gelungen war, die unzähligen Wollmäuse auf dem Parkett meines Wohnzimmers zu bändigen.
Ich ärgerte mich über meinen Geiz, mir keine Putzhilfe anzuschaffen und entschied mich spontan, dass ich die kleine Tanja aus der Nachbarschaft fragen würde, für ein gutes Taschengeld in meinen vier Wänden und dem gemeinsamen Büro von Anne und mir Ordnung zu schaffen.
Conan der Barbar stand vor meiner Tür und nickte mir freundlich zu. Der attraktive, dunkle Anzug ließ auf Armani oder den guten Hugo Boss schließen. Jedenfalls hatte Conan nichts für Krawatten übrig und lächelte gequält. Muskulös und langhaarig sah er wie ein Schauspieler für Fantasyfilme aus.
„Darf ich reinkommen?“ fragte er. Ich hatte nichts dagegen einzuwenden, denn ich hoffte auf einen neuen Auftrag. Ich sah an mir herab und war weniger landfein. Die Jeans stand vor Dreck, denn ich hatte mich nicht auf Besuch eingestellt, das T-Shirt mit der Aufschrift „Eifel“ war frisch gewaschen, aber an meinen nackten Füßen schämten sich zehn seit längerem dringend für eine Pediküre geplante Fußnägel.
Ich nickte und Conan folgte mir ins Arbeitszimmer. Die Schreibtische von Anne und mir standen gegenüber und waren mit Zeitungsausschnitten von Mord- und Totschlag der letzten drei Monate übersät.
„Mein Name ist Alwin Schreer“, stellte ich mich vor und hielt Conan die Hand hin. Er ergriff sie und gab mir mit seiner Linken seine Visitenkarte. Ich las Wolfram Belder und seine Profession war die eines Automobilverkäufers. Conan hatte also einen Namen, auch wenn mein Eindruck nicht verschwand, dass er Schwarzenegger wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlichsah.
„Nehmen Sie Platz, falls Sie einen finden,“ sagte ich kurz, um wenige Minuten zu verschwinden und eine andere Jeans und Socken anzuziehen. Ich brachte uns ein Tablett mit Kaffee.
„Haben Sie einen Auftrag für mich? Eine Ehefrau, die Ihnen Hörner aufsetzt, oder zerkratzt jemand dauernd Ihren schönen Jaguar vor der Tür?“
Wolfram Belder sah mich an bekam stahlharte Gesichtszüge. Er rang tief nach Luft.
„Ich sehe auf Ihren Schreibtischen bereits den Fall liegen, warum ich Sie engagieren möchte. Und ich sage Ihnen, Geld spielt keine Rolle. Ich will das Schwein, das meiner Marianne, das ist meine Frau, das hier angetan hat.“
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