falter 51
Wege der Seele – Bilder des Lebens
Leben mit dem Schöpferischen
Herausgegeben von
Jean-Claude Lin
Mit Fotografien von Wolfgang Schmidt
Vorwort des Herausgebers VORWORT DES HERAUSGEBERS Wir müssen unseren Garten bestellen, heißt es am Ende von Voltaires berühmtem Roman Candide oder die beste aller Welten , der 1759 erschien und wegen der in Frankreich herrschenden Zensur als Übersetzung aus dem Deutschen getarnt war. Es ist ein Leitmotiv von Robert Harrisons Buch Gärten. Ein Versuch über das Wesen der Menschen , das 2010 im Hanser Verlag erschien. «Eben weil wir in die Geschichte geworfen sind», schreibt er in seinem Vorwort, «müssen wir unseren Garten bestellen. … Unsere menschlichen Gärten mögen uns wie kleine Gucklöcher erscheinen, die inmitten der gefallenen Welt einen Blick auf das Paradies gewähren, aber die Tatsache, dass wir sie schaffen und bewahren, dass wir für sie sorgen müssen, ist das Kennzeichen ihrer Herkunft aus dem Zustand nach dem Sündenfall. Ohne Gärten wäre die Geschichte eine Wüste. Ein von der Geschichte losgelöster Garten wäre überflüssig.» Ganz im Sinne der Keimgedanken, die diesen 51. Band der falter Reihe hervorgebracht haben, könnte überall dort, wo eingangs vom Garten die Rede ist, auch Seele stehen und für Geschichte Zeit . Seele und Garten, Zeit und Geschichte sind zwar keine Synonyme, doch haben sie viel sich gegenseitig zu sagen. Es ist meine Hoffnung als Herausgeber, dass etwas davon auf den folgenden Seiten zu empfinden sein wird: Wie unser aller Leben sich in der Zeit entfaltet, führt uns zu den tiefsten Fragen menschlicher Existenz. Mit Ausnahme des titelgebenden Beitrags erschienen alle Beiträge dieses Bandes in dem Lebensmagazin a tempo , die meisten im Jahr 2013, sechs im ersten Jahr 2000. Alle nicht namentlich gekennzeichneten Beiträge stammen vom Herausgeber. Ergänzt sind alle zwölf Teile mit einem Zitat und einem Gedicht in denen noch weitere Aspekte des Gartens aufscheinen. Allen Autorinnen wie Autoren sei von Herzen bedankt für den Abdruck ihrer Beiträge, wie auch unserem Fotografen Wolfgang Schmidt, dessen Fotografien für diesen Band neu ausgesucht wurden. Sie mögen mit Interesse und Neigung gelesen und betrachtet werden und ein Gefühl für den Reichtum des Lebens vertiefen.
1.Im Garten der Zeit
Was ist Zeit?
von Valentin Wember
2.Hier und jetzt
Kinder – wie die Zeit vergeht
von Christiane Kutik
3.Eure Zeit aber ist allewege
Christus und die Zeit
von Ormond Edwards
4.Leben und Sterben
Wer bin ich?
von Johannes W. Schneider
5.Die Liebe zum Wort
Der Augenblick
von Lorenzo Ravagli
6.Der gebildete Mensch
Musik braucht Zeit
von Sebastian Hoch
7.In der Glockenstube der Zeit
Lob der späten Stunde
von Maria A. Kafitz
8.Die Zeit großer Ideen
Das Jetzt gestalten
von Albert Vinzens
9.Im Fluss der Zeit
Vom Ende und Anfang der Welt
von Simone Lambert
10.Und aber dass ich hier bin
Wie entsteht Zeit?
von Valentin Wember
11.Kreativ verknüpfen
Die Zeit, die es braucht, ein Leben zu erzählen
von Ruth Ewertowski
12.Was hier wir sind
Sich selbst auf der Spur
von Georg Dreißig
Leben mit dem Schöpferischen
Nachwort des Herausgebers
Über die Autoren
Wir müssen unseren Garten bestellen, heißt es am Ende von Voltaires berühmtem Roman Candide oder die beste aller Welten , der 1759 erschien und wegen der in Frankreich herrschenden Zensur als Übersetzung aus dem Deutschen getarnt war. Es ist ein Leitmotiv von Robert Harrisons Buch Gärten. Ein Versuch über das Wesen der Menschen , das 2010 im Hanser Verlag erschien. «Eben weil wir in die Geschichte geworfen sind», schreibt er in seinem Vorwort, «müssen wir unseren Garten bestellen. … Unsere menschlichen Gärten mögen uns wie kleine Gucklöcher erscheinen, die inmitten der gefallenen Welt einen Blick auf das Paradies gewähren, aber die Tatsache, dass wir sie schaffen und bewahren, dass wir für sie sorgen müssen, ist das Kennzeichen ihrer Herkunft aus dem Zustand nach dem Sündenfall. Ohne Gärten wäre die Geschichte eine Wüste. Ein von der Geschichte losgelöster Garten wäre überflüssig.»
Ganz im Sinne der Keimgedanken, die diesen 51. Band der falter Reihe hervorgebracht haben, könnte überall dort, wo eingangs vom Garten die Rede ist, auch Seele stehen und für Geschichte Zeit . Seele und Garten, Zeit und Geschichte sind zwar keine Synonyme, doch haben sie viel sich gegenseitig zu sagen. Es ist meine Hoffnung als Herausgeber, dass etwas davon auf den folgenden Seiten zu empfinden sein wird: Wie unser aller Leben sich in der Zeit entfaltet, führt uns zu den tiefsten Fragen menschlicher Existenz.
Mit Ausnahme des titelgebenden Beitrags erschienen alle Beiträge dieses Bandes in dem Lebensmagazin a tempo , die meisten im Jahr 2013, sechs im ersten Jahr 2000. Alle nicht namentlich gekennzeichneten Beiträge stammen vom Herausgeber. Ergänzt sind alle zwölf Teile mit einem Zitat und einem Gedicht in denen noch weitere Aspekte des Gartens aufscheinen.
Allen Autorinnen wie Autoren sei von Herzen bedankt für den Abdruck ihrer Beiträge, wie auch unserem Fotografen Wolfgang Schmidt, dessen Fotografien für diesen Band neu ausgesucht wurden. Sie mögen mit Interesse und Neigung gelesen und betrachtet werden und ein Gefühl für den Reichtum des Lebens vertiefen.
Der Garten ist ein begrenzter Ort im Freien, von Menschen gestaltet und gepflegt: ein Ort von Kultur und Natur. Aber anders als bei einer Landschaft, die auch von Menschen geprägt sein kann, ist der Garten viel stärker begrenzt, ja meist umzäunt, ummauert oder von einer Hecke umhegt. Vielleicht hat es nie einen Garten gegeben, außer dem Garten Eden, der nicht in wenigen Stunden «umgehbar» war. Könnte es aber solche «Orte» der Zeit geben, so wie es in der Natur Gärten als Orte des lieblichen Zusammenwirkens mit dem Menschen gibt? In einen Garten können wir immer wieder eintreten und darin spazieren gehen. Zu einer Epoche unseres Lebens oder der Geschichte können wir nicht in gleicher Weise zurückkehren und uns darin bewegen. Unser Leben auf dieser Erde ist geprägt durch Unwiederbringliches. «Alle Morgen der Welt sind ohne Wiederkehr», wie es in dem von Musik so durchzogenen Roman des französischen Schriftstellers Pascal Quinard heißt. Vor Jahren erschien die deutsche Ausgabe des Buches wie auch der Film mit Gérard Depardieu unter dem Titel Die siebente Saite , weil er von einem Gambenspieler, Monsieur de Sainte-Colombe, aus der Barockzeit erzählt, der so tief von Trauer für seine verstorbene Frau erfüllt war, dass er eine noch tiefere, siebente Saite an seiner Viola da Gamba anbrachte, um seinen Schmerz in der Musik noch stärker zum Ausdruck zu bringen und so zu verwandeln. Ein Garten aber ist ein lieblicher Ort:
Im Garten wandelt hohe Mittagszeit,
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