»Santa Claus gehört die Nacht. Das ist doch allgemein bekannt.«
»Ja, aber die Kinder sind bereits im Bett.«
»Umso besser. Ich kann die Geschenke in die Stockings stecken und darunter stellen. Oder soll ich alles wieder mitnehmen?«
»Nein, nein, kommen Sie schon.«
Das von außen vergleichsweise spärlich dekorierte Haus entpuppte sich innen als überladen dekoriert. In das Gold und Glitzern mischten sich zusätzlich die Weihnachtsfarben Rot, Grün und Weiß. Der bis zur Decke reichende Kunststoffweihnachtsbaum strotzte nur so vor bunten Girlanden, fetten, kleinen Engeln und blinkenden Lichterketten, die in den Augen wehtaten. Auf einer zerkratzten, alten Vinylplatte säuselte Bing Crosby etwas von „White Christmas“, die es 1942 noch gegeben hatte. Doch inzwischen war Schnee in der Weihnachtszeit eher eine Seltenheit.
»Oh, wie aufmerksam«, sagte der Mann im Kostüm von Santa Claus, als er auf dem Kamin einen Teller mit Keksen und ein Glas Milch zur Stärkung stehen sah.
»Ja, unsere Töchter wissen, was sich gehört«, sagte die Hausfrau. »Ein paar Möhren für die Rentiere liegen auch bereit.«
»Ach, Rudi habe ich heute freigegeben«, lachte „Santa“, und die Coolidges stimmten ein.
»Dann wollen wir doch mal sehen, was ich so alles in meinem Sack habe …«
Der falsche Weihnachtsmann begann, die Strümpfe am Kamin mit Süßigkeiten zu befüllen. Als die größeren Geschenke zum Vorschein kamen, stapelte er sie darunter oder warf sie scheinbar wahllos Mary und Ed in den Schoß.
»Ihr dürft ruhig schon auspacken. Ich denke, das, was da zum Vorschein kommt, ist eh nichts für die Augen von Priscilla und Charity.«
»Woher kennen Sie die Namen unserer Töchter?«, fragte Ed irritiert.
»Ein guter Santa Claus muss über alles informiert sein, nicht?«
Als Mary ihr erstes Päckchen öffnete, wurde sie abwechselnd blass und rot, denn darin befand sich Reizwäsche der schamlosesten Art. BHs mit „Nippelalarm“ und hauchdünne, durchsichtige Slips, die vorne und hinten geschlitzt waren.
»Na, meint es dein Ed nicht gut mit dir, Mary? Dabei dachte er wohl hauptsächlich an sein eigenes Vergnügen.«
»Ich habe diesen Schweinkram nicht bestellt. Das muss eine Verwechslung sein«, stotterte Ed schwitzend.
»Nein? Du siehst es wohl lieber an anderen, lockeren Frauenzimmern. Aber warum in die Ferne schweifen?«
Als Ed seinen Karton öffnete, fand er eine Sammlung von Hardcore Porno Filmen vor, die man nur unter dem Ladentisch erhalten konnte. Sozusagen als Krönung lagen obenauf ein sogenannter Zungenvibrator und eine Penispumpe. Mary stieß einen spitzen Schrei aus, und Ed schnappte nach Luft.
»Was soll das? Das haben wir nicht bestellt«, japste er.
»Ich kann eben Gedanken lesen. So etwas habt ihr euch doch immer schon gewünscht, um etwas Pep in euer erkaltetes Liebesleben zu bringen. Kommt, probiert es nur gleich aus! Ich sehe auch nicht hin.«
»Das kommt doch gar nicht infrage. Nicht außerhalb unseres Schlafzimmers …«, sagte Mary.
»Wirst du wohl brav sein? Oder muss ich erst böse werden?«
Die rotglühenden Augen des falschen Santa übten eine geradezu hypnotische Wirkung aus. Mary stand tatsächlich auf, entkleidete sich und zog die neue Unterwäsche an. Ed sah ihr fassungslos zu.
»Und du legst jetzt das neue Spielzeug an, damit du endlich mal etwas Vernünftiges in der Hose hast.«
Ed tat tatsächlich, wie ihm geheißen. Er öffnete seine Hose und legte die Penispumpe an.
»Was macht ihr da? Mom, Dad?«, fragte die siebenjährige Charity, die plötzlich mit ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester an der Hand auf der Treppe stand.
»Priscilla, Charity, geht sofort zurück in eure Zimmer«, schnauzte Ed und bedeckte seinen Unterleib mit seinem Hemd.
Mary war blitzschnell aufs Sofa gehüpft und versuchte, sich mit ihrer Kleidung zu bedecken.
»Tut, was Dad sagt«, krächzte sie mit rauem Hals. »Mommy und Daddy spielen ein neues Spiel. Aber das ist nur für Erwachsene.«
»Wir wollen aber mitspielen. Und Santa Claus soll uns auch unsere Geschenke geben«, krähte Priscilla.
»Na, dann kommt. Hier unten könnt ihr noch was lernen«, brummte Santa.
»Was haben Sie denn noch so alles in Ihrem Sack?«, fragte Mary und zog hastig ihr Kleid an, während Ed im Bad verschwand, um sich endlich von dem Sexspielzeug zu befreien.
Der Mann, der hier als Santa Claus auftrat, zauberte ein überdimensionales Dornröschenschloss hervor und erwartete leuchtende Kinderaugen. Doch die Mädchen reagierten anders als erwartet.
»Sleeping Beauty ist doch ein alter Hut«, sagte Charity. »Wenn schon Märchen, dann hätte ich mir ein tolles Cinderella-Ballkleid gewünscht, mit dem ich in der Schule angeben kann.«
»Sieh an, die Prinzessin selbst willst du sein. Ich könnte dir so ein Kleid herbeizaubern, aber wie im Märchen kann der Zauber plötzlich gebrochen werden, und dann stehst du in Lumpen vor deinen Klassenkameraden.«
»Dann verzichte ich. So einen faulen Zauber will ich nicht. Haben Sie sonst nichts zu bieten?«
»Du hast dir doch das Schloss noch nicht einmal richtig angesehen …«
Mary, die froh war, von der peinlichen Situation abgelenkt zu werden, nahm ihre Tochter Charity an die Hand und besah sich das herrliche Spielzeug ganz genau. Priscilla, die keine Berührungsängste hatte, kletterte derweil auf den Schoß von Santa.
»Du kannst den Bart jetzt ruhig abnehmen«, sagte sie. »Ich weiß, dass du es bist, Onkel Dan.« Damit zog sie kräftig an den langen, weißen Barthaaren.
Santa heulte schmerzerfüllt auf.
»Mach das ja nicht noch mal, du freches Ding. Sonst muss ich dich bestrafen.«
»Hör, was der Onkel sagt!«, rief Mary. »Also, ich finde das Schloss einfach wunderschön. Vielleicht ein bisschen groß, aber sonst …«
»Würdest du gern darin wohnen, Mary?«
»Warum nicht? Wenn das ginge …«
»Und ob das geht. Pass mal auf …!«
Charity spürte, wie die Hand ihrer Mutter schrumpfte. Als das Mädchen zur Seite blickte, stand statt ihrer Mutter eine kleine Puppe neben ihr, die Marys Kleid trug. Santa hob Priscilla von seinem Schoß, stellte sie auf den Boden und setzte die kleine Figur in das Puppenschloss.
»Den Trick habe ich im Television schon besser gesehen«, maulte Charity. »Mom, du kannst jetzt wirklich hinter dem Haus vorkommen. Mom? …«
Das Mädchen lief um das Haus herum, konnte aber ihre Mutter nirgends entdecken. Priscilla sprang aufgeregt hin und her. Dann entdeckten die Mädchen hinter einem der Schlossfenster Marys Gesicht. Die kleine Figur hämmerte mit den Fäusten gegen die Scheiben. Dabei liefen ihr dicke Tränen über die Wangen. Priscilla trat dem Santa wütend mit aller Kraft vors Schienbein, wonach er wütend aufheulte.
»Gib uns sofort unsere Mommy wieder, du oller doofer Weihnachtsmann«, schrie sie. »Du bist ja wirklich nicht Onkel Dan. Der kann nämlich nicht zaubern und würde so etwas Schlimmes nie machen.«
»Genau«, pflichtete ihr Charity bei. »Deshalb pack deine Sachen zusammen und mach, dass du wegkommst.«
»So, ihr wollt mich und meine Geschenke nicht. Na gut.«
Santa machte einen gewaltigen Sprung und landete mit beiden Beinen auf dem Schloss, das nach und nach zusammenbrach. Bevor er es endgültig platt trat, huschte ein verängstigtes grauweißes Meerschweinchen aus den Trümmern, dem niemand Beachtung schenkte.
Die Kinder schlugen und traten auf Santa ein.
»Du hast unsere Mama totgemacht«, schrie Priscilla, und Charity sagte:
»Sie geben uns jetzt sofort unsere Mutter wieder, sonst rufen wir die Polizei.«
Santa starrte die Geschwister nur unbeweglich an, bis seine Augen rot zu glühen anfingen. Als die Mädchen vor Schreck wie gelähmt stehen blieben, holte er zwei leere Säcke hervor und steckte in jeden eines der Kinder. Dann band er die Säcke mit einem Strick oben fest zusammen.
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