"Ha, ist sich der Spitzbart zu gut um mit der Mathilde ordentlich zu pimpern?!" sie war laut, und viele der Gäste beobachteten die Szene bereits neugierig. Ihr Mundgeruch war unerträglich. "Nein, nur verheiratet!"
"So, so, – na dann!" sie schniefte laut und mit einem Grunzen zog sie etwas hoch und spie es auf den Tanzboden. Niemand wagte genau hinzuschauen.
Mathilde verzog sich jedenfalls und griff sich den nächstbesten Gast an die Eier, der gerade zur Tür hereinstolperte. Armer Kerl – dachte Hugwar und konnte sich ein heimliches Lächeln nicht verkneifen. Der Mann schaute recht verzweifelt, als er Mathilde auf den zweiten Blick genauer betrachtete und – oder – roch. Der Einäugige hastete vorbei. Schnell griff der Zwerg ihn am Arm. Verschwörerisch zog er ihn an sich heran: "Ich bin neu hier und kenne mich nicht aus.", zischelte er verkrampft.
"Was ihr nicht sagt!", der Kerl grinste, nicht ein Zahn zeigte sich. "Ich suche Hilfe, einen Mann, einen Assassinen – mir sagte jemand ich würde hier so einen Mann finden."
Klutt, so hieß der Bartennder, legte sein Tablett ab und wischte sich die Hände an seiner verschmierten Schürze ab. "Lasst mich nachdenken – nein! Fehlanzeige!"
Klutt griff schon wieder nach dem Tablett und wollte davoneilen. "Halt, halt, hier für eure Mühen!" – Hugwar gab ihm nur zögerlich zwei Kronen. Klutt hielt kurz inne und deutete nach oben: "Dort ist der Mann – viel Spaß." Zufrieden ließ er seine Münzen in die Tasche gleiten, an dem Portemonnaie vorbei. Strich sich noch einmal durch das wirre Haar und verzog sich zufrieden grinsend. So einfach also? Hugwar verlor keine Zeit. Oben angekommen zeigte sich dasselbe Bild wie unten. Mit einem Unterschied: An der Stirnseite des Saales gab es einige Tische, die durch Trennwände separiert waren. Hugwar bahnte sich seinen Weg zielsicher zu eben diesen Tischen. Da saß er. Ein schwarz gekleideter Mann, scheinbar noch sehr jung. Sein Turban war prächtig anzusehen. Seine Rüstung lag neben ihm. Ein bildschönes Mädchen saß auf seinem Knie und kicherte albern, als er zärtlich an ihrer nackten Brust spielte. Neugierig sah er den Neuankömmling an. "Herr, – ich hoffe ich störe nicht, aber ich brauche eure Hilfe." wisperte der kleinlaut.
Etwas unsicher sah Hugwar zu dem Mädchen, dass sich gar nicht stören ließ, auch als die Hand des Assassine unbeirrt in ihrem Schoß verschwand. "Ihr könnt gehen Kleines, aber vergesst mich nicht." Der Assassine lachte und die Hure warf ihm verliebte Blicke und eine Kusshand zu, ehe sie ins Untergeschoss verschwand. "Schöner Pelz, glaubt mir, den schönsten den Finger berühren können!"
Hugwar lächelte schief und setzte sich auf die gegenüberliegende Bank. "Ihr scheint es mit der Eile ehrlich zu meinen!" Der Assassine staunte nicht schlecht über die empfundene Dreistigkeit des Zwerges.
"Ich brauche euren Rat und Hilfe – der Name meiner Familie steht auf dem Spiel."
"Sagt mir doch erstmal, wer ihr überhaupt seid?"
"Entschuldigt, ich bin Hugwar Holzhammer, Besitzer der Eisenschmiede zu Friedstatt – Bewahrer des Erzes."
Der Assassine bedauerte gerade gefragt zu haben – so konnten Zwerge stundenlang ihren Stammbaum herunterbeten.
"Halt, Halt – reicht!" Gutmütig reichte er dem Zwerg einen Humpen Bier, welches der Einäugige gerade auf den Tisch wuchtete. "Ich bin Bagatosh, Schwert der schwarzen Gilde zu Minzerath."
Der Zwerg nickte nur beiläufig: "Ich kann euch gut bezahlen – sehr gut." Hugwar löste seinen Lederbeutel von seinem Gürtel und stellte ihn provozierend vor Bagatosh ab. "Was ist das?" der Assassine rührte sich nicht, sondern gab sich recht unbeteiligt. Er platzierte seinen Krug neben den Beutel, um ihn vor neugierigen Blicken abzuschirmen.
"Lumenerz aus den Minen von Dombar.", erwiderte der Zwerg hastig.
"Ihr seid unvorsichtig kleiner Mann, das kann einem hier schnell den Kopf und – oder – Beutel kosten." Der Zwerg nickte hektisch.
"Nun – um was für eine Tat handelt es sich? Wen soll ich umlegen bei so einem königlichen Lohn?"
"Niemanden – ihr sollt lediglich herausfinden, wer für die Morde in den vergangenen Wochen verantwortlich ist. Für all diese Gräueltaten wurden meine Schwerter benutzt und zu allem Übel am Tatort zurückgelassen. In voller Absicht wie mir scheint."
Bagatosh verstand. Bei diesem Häufchen Elend handelte es sich also um den berühmte Zwergenschmied, der hier in der Stadt in aller Munde war. Seine Schwerter waren legendär und jeder der etwas auf sich hielt, wollte so eine erlesene Klinge besitzen.
"Nun, denn!" Bagatosh ließ sich seine Erkenntnis nicht anmerken, "dann reden wir doch mal über den wirklichen Preis!"
Bagatosh verließ als letzter den Gasthof. Er sah verträumt in den Nachthimmel. Es war schon paradox, der Fachmann für das schnelle Ableben war von nun an auf der Suche nach einem Mörder. Die letzten leisen Töne des Dudelsacks begleiteten ihn eine Weile auf seinem Weg nach Haus. Er vermisste die endlosen Weiten von Sorrugat. Hier war es eng, der Gestank nach Pisse beinahe unerträglich – von anderen Gerüchen ganz zu schweigen. Keine freie Sicht, überall nur beklemmende Mauern, Unrat und Tod. Nun, auf letzteres verstand er sich wenigstens. Die Auftragsbücher waren innerhalb von Tagen voll. Doch diesem speziellen Fall gab er Vorrang, nicht ausschließlich wegen der königlichen Bezahlung, nein, auch weil ihm die Handschrift des Mörders, dem er jetzt nachstellte, ungemein imponierte. Es musste sich um einen Meister seines Faches handeln. Schnell, todbringend, leise – er hinterließ in der Vergangenheit keine verwertbaren Spuren. Himmel! Nicht mal die Sterne konnte man in dieser gottverdammten Stadt sehen, stellte Bagatosh resigniert fest.
Melanore fühlte sich den ganzen Morgen schon nicht wohl. Sie war fiebrig und schwach. Schon der Gang über den langen Flur zum Abort war eine Tortur. Überrascht stellte sie fest, dass sie vergessen hatte ihr Haarnetz anzulegen. Der Hinterkopf entpuppte sich, bei näherer Betrachtung, als ein regelrechtes Vogelnest. Vergeblich versuchte sie die Haare zu bändigen. Wirr hingen ihr die roten Locken ins Gesicht. Sie pustete, wütend über ihre Nachlässigkeit. Sie war eitel, das stand außer Frage, und der Zuspruch, der ihr aus allen Winkeln der Stadt zuflog, verstärkte noch ihre Eigenliebe.
Sie war drauf und dran die Bodenhaftung zu verlieren – aber nicht ihren erlesenen Geschmack, besonders bei der Wahl ihrer Partner. Blumfink hofierte sie schon seit langem, doch er war ein hässlicher Kerl, grob gewachsen, von kleiner Statur – mit einer hohen Fistelstimme. Sein Reichtum imponierte ihr nicht, Gold hatte sie genug. Einzig und allein seine Stellung war für sie von Interesse, er war adliger Abstammung mit besten Verbindungen ins reiche Bürgertum von Friedstatt.
Blumfink überschüttete sie, drangsalierte sie mit Höflichkeiten, tagein tagaus. Es fiel ihr zeitweise schwer ihn brüsk zurückzuweisen, da einige seiner Aufmerksamkeiten tatsächlich ihren Nerv trafen. Ein blinder Bogenschütze musste nur genügend Pfeile abschießen, um irgendwann einmal ins Schwarze zu treffen. Und er traf in letzter Zeit mehr als einmal. Ein Wein wurde angeliefert – und schon nach einem Schluck dieser Köstlichkeit wurde klar: Diese Flasche würde sich, im Laufe des Abends, vollständig leeren. Er war süß, so süß wie Trauben nur sein konnten, und schon allein die Farbe dieser erlesenen Köstlichkeit war berauschend und außergewöhnlich. Das hatte sie jetzt davon. Der Gestank, der ihr von der Straße entgegenwehte, bereitete ihr Übelkeit, sie würgte und schwitzte dabei. Schnell schloss sie den Deckel des Aborts. Heute war sie blasser als gewöhnlich. Das Etikett riss sie einfach ab, ohne es eines Blickes zu würdigen – aber wer außer Blumfink konnte ihr die Aufwartung machen – mit so einer kostspieligen Dummheit? Melanore taumelte hinaus. Bedächtig setzte sie einen Fuß vor den anderen. Ihr war schwindelig, schwarze Punkte tanzten losgelöst vor ihren Augen. Wo war nur diese dumme Kammerzofe von Eldtiha? Vergeblich rief sie nach ihr. Melanore positionierte sich abwartend vor den großen Kristallspiegel in ihrem Zimmer. Sie streckte ihren Körper – für einen Moment fühlte sie sich besser. Die Fenster waren offen und so fächelte eine kühle, morgendliche Brise hinein. Es roch nach Schwertelblumen, süß und erfrischend zugleich. Gerade als sie einen prüfenden Blick in den Spiegel warf und damit beginnen wollte ihr zerzaustes Haar zu kämmen, schlüpfte Eldtiha in den Raum. Entschuldigend machte sie einen Knicks. Sie mied den zornigen Blick ihrer Herrin.
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