mein, seit so viel Jahren hinterstelliges Mistkorn
verabreichen. Wölke es nicht allein vor mich selbsten
haben sondern es gern mit dem ganzen Kapsel theilen,
bis der grundgütige Gott mehr bescheeren würd.
Hierzwischen fiel mir aber ein stattlicher Kläcks auf
das Papier. Denn da die Fenster mit Brettern verspundet
waren, ware das Zimmer tunkel und nur ein wenig Licht
kam durch zwei kleine Scheiblein Glas, so ich aus der
Kirchen gebrochen, und hineingesetzet. Solliches mochte
wohl die Ursache sein, daß ich mich nit besser fürsah. Da
ich aber kein neues Stücklein Papier mehr auftreiben
kunnte, ließ ich es passiren, und befahle der Magd, so ich
mit dem Brieflein gen Pudgla sandte, solliches bei Sr.
Gestrengen, dem Herrn Ambtshaubtmann zu
entschuldigen, welches sie auch zu thun versprach;
angesehen ich selbsten kein Wörtlein mehr auf dem
Papier beisetzen kunnte, dieweil alles beschrieben war.
Siegeln thät ich es, wie vorbemeldet.
Allein die arme Person kehrete zitternd für Angst und
weinend zurücke, und sprach: Seine Gestrengen hätte sie
mit dem Fuß aus der Schloßpforten gestoßen und
gedräuet, sie in den Ganten 11 setzen zu lassen, so sie
wiederumb vor ihn käme. Ob der Pfaffe gläube, daß ihm
das Geld so loose säß, wie mir die Tinte, hätte ja Wasser
genug das Abendmahl zu halten. Denn hätte Gottes
Sohn einmal das Wasser in Wein gewandelt, könnt er's
auch öftermalen. Hätt' ich keinen Kelch sollt ich meine
Schaaf aus einem Eimer tränken, wie er's auch thät, und
was solcher Gotteslästerungen mehr waren, so er mir
nachgehends auch selbsten schriebe, und wovor ich
mich, wie leicht abzunehmen, auf das erschröcklichste
entsatzte. Von dem Mistkorn verzählete sie, hätte er gar
Nichtes gesagt. In solcher meiner großen Seelen- und
Leibesnoth kam der liebe Sonntag heran, wo fast die
ganze Gemeind zu Gottes Tisch gehen wollt, aber nicht
kunnte. Ich sprach dannenhero über die Worte St.
Augustins: crede et manducasti 12 wobei ich fürstellete,
daß die Schuld nit mein und treulichen erzählete, wie es
meiner armen Magd in Pudgla ergangen, doch dabei noch
Vieles verschwiege, und nur Gott bate, er wölle das Herz
der Obrigkeit zu unserm Frommen erwecken. Kann auch
in Wahrheit sein, daß ich härter gesprochen, denn ich
gegläubet, was ich nit mehr weiß, sintemalen ich sprach:
wie mir umb's Herze war. Zum Schluß mußte die ganze
Gemeine auf ihre Knie fallen bei einer Stunde lang und
den Herrn umb sein heilig Sacrament anrufen, item umb
Linderung ihrer Leibesnoth, wie solliches zeithero auch
alle Sonntage und sonsten in den täglichen Betstunden
geschahe, so ich seit der schweren Festzeit zu halten
gewohnt gewest. Endelichen stimmte ich noch das feine
Liedlein an: wenn wir in höchsten Nöthen sein, worauf
nicht sobald geschlossen als mein neuer Fürsteher Claus
Bulk von Uekeritze, so früher ein Reutersmann bei Sr.
Gestrengen gewesen, und den er nunmehro zu einem
Bauern eingesetzet, gen Pudgla rannte, und avertirte, was
in der Kirchen fürgefallen. Solliches verdroß Sr.
Gestrengen heftiglichen, so daß er den ganzen Kapsel,
noch bei 150 Köpfen stark, die Kinder ungerechnet,
zusammenrief, und ad protocollum diktirte, was sie von
der Predigt behalten, maßen er Seiner fürstlichen Gnaden
dem Herzogen von Pommern zu vermelden gesonnen,
welch gotteslästerliche Lügen ich gegen ihn ausgespieen,
wovor ja ein christlich Herz erschrecken müßt; item
welch ein Geizhals ich wär, daß ich nur immer von ihm
haben wöllt, und ihn in dieser harten und schweren Zeit,
sozusagen tagtäglich mit meinen Sudelbrieffen anrennete,
wo er selbsten vor sich nichts zu essen hätte. Das söllte
dem Pfaffen den Hals brechen, da Se. fürstliche Gnaden
alles thät, was er fürzustellen käme, und brauchte
Niemand im Kapsel mir Nichtes mehr zu verabreichen
sondern sie söllten mich nur lauffen lassen. Er wölle
schon sorgen, daß sie einen ganz andern Priester wieder
erlangeten, denn ich wär.
(Möchte den aber wohl sehen, der sich in sollich
Unglück hineinzubegeben entschlossen gewesen wär.)
Diese Botschaft wurde mir aber noch in selbiger Nacht
hinterbracht, wovor ich fast heftig erschrack, angesehen
ich wohl einsahe, daß ich nun nit einen gnädigen Herrn
an Sr. Gestrengen bekommen, sondern Zeit meines
erbärmlichen Lebens, wenn ich es anderst söllte fristen
können, eine ungnädige Herrschaft haben würd. Doch
tröstete mich bald ein Etwas, als Chim Krüger aus
Ueckeritze, so mir solches hinterbrachte, ein Stücklein
von seinem Ferkel aus der Taschen zog, das er mir
verehrete. Darüber kam auch der alte Paassch hinzu,
welcher dasselbe sagte, und noch ein Stücklein von seiner
alten Kuh herfürlangte, item mein anderer Fürsteher
Hinrich Seden mit einer Schnete Brod, und einem Braxen
13 , so er in den Reusen gehabt, alle sagende: daß sie
keinen bessern Priester wöllten, als ich, und möchte ich
nur bitten, daß der barmherzige Gott mehr bescheeren
wölle, wo es mir dann auch an Nichtes fehlen söllt,
inzwischen aber söllte ich stille sein, und sie nit verrathen.
Solliches gelobte ich Alles zu thun, und mein Töchterlein
Maria hob alsobald die liebe Gottesgab von dem Tische
und trug sie in die Kammer. Aber o Jammer, des andern
Morgens als sie das Fleisch in den Grapen thun wollte,
war Allens fort! Weiß nichtwer mir dieses neue Herzeleid
bereitet doch meine fast, daß es Hinrich Seden sein böses
Weib gethan, sintemalen er nicht schweigen kann, und ihr
wie gläublich, wohl alles wiedererzählet. Auch hat
Paasschen sein klein Töchterlein gesehen, daß sie zum
andern Mittag Fleisch in dem Topf gehabt, item daß sie
mit ihrem Mann gehaddert, und nach ihme mit dem
Fischbrett geschmissen, auf welchem noch frische
Fischschuppen gesessen; hätte aber sich gleich begriffen,
als sie ihrer gewahr worden. (Pfui dich alte Hexe, es wird
genug wahr sein!) Dahero blieb uns nichts übrig, als
unsere arme Seele mit Gottes Wort zu speisen. Aber auch
diese war so verzaget, daß sie nichts mehr annehmen
wöllte, so wenig als der Magen. Denn mein arm
Töchterlein insonderheit, ward von Tag zu Tag blasser,
grauer und gelber, und spiee immer wieder die Speiß aus,
da sie Allens ohne Salz und Brod genoß. Wunderte mich
schon lange, daß das Brod aus der Liepe nit wollte all
werden, sondern ich alle Mittag bisher ein Stücklein
gehabt. Hatte auch öftermalen gefraget, wo hastu denn
immerfort das liebe Brod her, am Ende hebest du Alles
vor mich allein auf, und nimmst weder vor dich ein
Stücklcin, noch vor die Magd. Aber beide hoben dann
immer ein Stücklein tannen Bork 14 in die Höhe, so sie
zurecht geschnitten und vor ihren Teller gelegt, und da es
dunkel war in der Stuben, merkete ich die Schalkheit nit,
sondern gläubete sie äßen auch Brod. Aber endiglichen
zeigt es mir die Magd an, daß ich es nit länger leiden
söllte, dieweil mein Töchterlein ihr selbsten nit hören
wölle. Da kann nun männiglich abnehmen, wie mir um
das Herze war, als ich mein arm Kind auf ihr Moosbett
liegen und ringen sah mit dem grimmigen Hunger. Aber
es sollte noch härter kommen, denn der Herr wollte mich
ganz zerschlagen in seinem Zorn wie einen Topf. Siehe
auf den Abend desselbigen Tages kommt der alte Paassch
angelaufen klagende, daß all sein und mein Korn im
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