vor seiner Frauen schützen, welche die Hälfte hätte vor
ihr behalten wollen, und da er sich gewegert, hätte sie ihn
vermaledeiet und die Kopfgicht angewünscht, so daß er
gleich ein Ziehen in der rechten Wangen verspüret,
welches jetzunder fast hart und schwer geworden. Für
solcher erschröcklichen Nachricht entsetzte ich mich, wie
einem guten Seelenhirten geziemet, fragende: ob er
vielleicht gläubete, daß sie in bösem Verkehr mit dem
leidigen Satan stünde, und hexen könnte? Aber er
schwiege und zuckete mit den Achseln. Ließ mir also die
alte Lise rufen welche ein lang, dürr Mensch, bei 60
Jahren war, mit Gluderaugen, so daß sie Niemand nit
gerade ins Antlitz schauete, item mit eitel rothen Haaren
wie sie ihr Kerl auch hatte. Aber obwol ich sie fleißig auf
Gotts Wort vermahnete gab sie doch keine Stimme, und
als ich endlich sagete: Willtu deinen Kerl wieder umböten
3 (denn ich sahe ihn auf der Straßen vor das Fenster,
allbereits als einen Unsinnigen rasen) oder willtu, daß
ich's der Obrigkeit anzeige, gab sie endlich nach und
verspräche, daß es bald sölle besser mit ihm werden; (was
auch geschach) item bat sie, daß ich ihr wölle etwas Speck
und Brod verehren, dieweil sie auch seit dreien Tagen
kein ander Fleisch und Nahrung mehr zwischen den
Zähnen gehabt, denn ihre Zunge. Gab ihr mein
Töchterlein also ein halb Brod, und ein Stück Speck bei
zweer Händen Länge, was ihr aber nicht genugsam
bedünkete, sondern mummelte zwischen den Zähnen,
worauf mein Töchterlein sagte: bistu nicht zufrieden,
alter Hexensack, so packe dich und hilf erst deinem Kerl,
schaue wie er das Haubt auf Zabels Zaun geleget und mit
den Füßen vor Wehetage trampelt, worauf sie ginge,
doch abermals zwischen den Zähnen mummelnde: »Ja,
ich will ihm helfen und dir auch!«
Fußnoten
1 Schloß auf Usedom, früher ein berühmtes Kloster
2 Allmosen in der Gemeinde eingesammelt.
3 umzaubern.
Capitel 7.
Wie die Kaiserlichen mir alles Uebrige geraubet, auch die
Kirchen erbrochen und die vasa Sacra entwendet; item
was sonsten fürgefallen.
Nach etzlichen Tagen, als unsere Nothdurft fast
verzehret, fiel mir auch meine letzte Kuh umb (die
andern hatten die Wülfe, wie oben bemeldet, allbereits
zurissen) nicht ohne sonderlichen Verdacht, daß die Lise
ihr etwas angethan, angesehen sie den Tag vorhero noch
wacker gefressen. Doch lasse ich das in seinen Würden,
dieweil ich Niemand nit verleumbden mag; kann auch
geschehen sein durch die Schikkung des gerechten
Gottes, deßen Zorn ich wohl verdienet hab' – Summa:
ich war wiederumb in großen Nöthen und mein
Töchterlein Maria zuriß mir noch mehr das Herze durch
ihr Seufzen, als das Geschreie anhub: daß abermals ein
Trupp Kaiserlicher nach Uekeritze gekommen, und noch
gräulicher denn die ersten gemarodiret, auch das halbe
Dorf in Brand gestecket. Derohalben hielt ich mich nicht
mehr sicher in meiner Hütten, sondern nachdem in
einem brünstigen Gebet Alles dem Herrn empfohlen,
machte mich mit meinem Töchterlein und der alten Ilsen
auf, in den Streckelberg 1 wo ich allbereits ein Loch, einer
Höhlen gleich, und trefflich von Brommelbeeren
verrancket uns ausersehen, wenn die Noth uns
verscheuchen söllte. Nahmen daher mit, was uns an
Nothdurft des Leibes geblieben, und rannten mit Seufzen
und Weinen in den Wald, wohin uns aber bald die alten
Greisen und das Weibsvolk mit den Kindern folgten,
welche ein groß Hungergeschrei erhoben. Denn sie
sahen, daß sich mein Töchterlein auf einen Stubben
satzte, um ein Stück Fleisch und Brod verzehrete, kamen
also die kleinen Würmer mit ausgereckten Händeleins
angelaufen und schrieen: uck hebben, uck hebben 2 .
Wannenhero da mich solch groß Leid billig jammerte,
meinem Töchterlein nit wehrete, daß sie alles Brod und
Fleisch so vorräthig unter die hungrigen Kindlein
vertheilete. Erst mußten sie aber dafür »Aller Augen« 3
beten, über welche Wort ich dann eine tröstliche
Ansprach an das Volk hielte, daß der Herr, welcher
jetzunder ihre Kindlein gespeiset auch Rath wissen würde
ihren eigenen Bauch zu füllen, möchten nur nit müde
werden ihm zu vertrauen.
Aber sollich Trost währete nicht lange. Denn
nachdeme wir wohl an die zween Stunden in und um der
Höhlen uns gelagert, huben die Glocken im Dorfe so
kläglich an zu gehen, daß es einem Jeglichen schier das
Herze brach, angesehen auch dazwischen ein laut
Schießen, item das Geschrei der Menschen und das
Bellen der Hunde erschallete, so daß männiglich gießen
kunnte, der Feind sei mitten im Dorfe. Hatte dannenhero
genug mit den Weibern zu tüschen 4 daß sie nicht durch
ihr unverständig Lamentiren dem grimmigen Feind
unsern Schlupfwinkel verrathen möchten, zumalen als es
anfing schmockig zu riechen, und alsobald auch die helle
Flamme durch die Bäume glitzerte. Schickete derohalben
den alten Paassch oben auf den Berg daß er umbherlugen
sollt, wie es stünde, hätte sich aber wohl zu wahren, daß
man ihn nicht vom Dorfe erschaue, anerwogen, es erst zu
schummern begunte. Solliches versprach er und kam
alsbald auch mit der Bothschaft zurücke, daß gegen 20
Reuter aus dem Dorfe gen die Damerow gejagt wären
aber das halbe Dorf in rothen Flammen stünd. Item
erzählete er, daß durch seltsame Schickung Gottes sich
sehr viel Gevögel in den Knirkbüschen 5 und anderswo
sehen ließ, und meinete, wenn man sie nur fangen
künnte, daß sie eine treffliche Speiß vor uns abgeben
würden. Stieg also selbsten auf den Berg, und nachdem
ich alles so befunden, auch gewahr worden daß durch des
barmherzigen Gottes Hülf das Feuer im Dorfe
nachgelassen, item daß auch mein Hüttlein wider mein
Verdienst und Würdigkeit annoch stünde, stieg ich
alsbald herunter, tröstete das Volk und sprach: der Herr
hat uns ein Zeichen gegeben und will uns speisen, wie
einst das Volk Israel in der Wüsten, denn er hat uns eine
treffliche Schaar von Krammetsvögeln über die wüste
Sehe gesendet, welche aus jedem Büschlein burren, so
man ihm nahet. Wer will nun in das Dorf laufen und
schneiden die Mähnhaare und den Schwanz von meiner
gefallenen Kuh wegk, so hinten auf der Wörthe liegt.
(Denn Roßhaare hatte es im ganzen Dorf nicht, dieweil
alle Roß vom Feinde längst genommen oder erstochen
waren.) Aber es wollte sich Niemand nit finden
angesehen die Angst noch größer war, denn der Hunger,
als meine alte Ilse anhub: so will ich schon gehen, denn
ich fürchte mich nit, dieweil ich auf Gottes Wegen bin,
gebet mir nur einen guten Stock. Als ihr nun der alte
Paassch seinen Stecken hingereichet, begunte sie vor sich
zu singen. »Gott der Vater wohn uns bei«, und verlief
sich bald in das Gebüsche. Hierzwischen vermahnete ich
nun das Volk, alsbald Hand anzulegen, kleine Rüthlein zu
den Dohnen zu schneiteln und Beeren zu suchen, dieweil
es Mondschein ware, und allwärts viel Gänseflieder auch
Ebereschen auf dem Berge stunden. Die kleinen Kindlein
aber hütete ich mit meiner Marien, dieweil die Gegend
nicht sicher für Wülfen war. Hatten derohalben ein lustig
Feuer angemacht, umb welches wir uns setzten und dem
kleinen Volk die Gebot verhöreten, als es hinter uns
knisterte und knasterte, und mein Töchterlein mit den
Worten: proh dolor, hostis! 6 auf und im die Höhlen
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