unverdrossen auszuhalten, und alle Kümmernüß und
Trübsal so er nach seinem grundgütigen Willen uns
ferner auferlegen söllte, williglich zu tragen, lief ich mehr
denn ich ginge in das Dorf zurücke und auf den alten
Paassch seinen Hof, wo ich ihn antraf, daß er eben seine
Kuh zuhauete, so er für grimmigem Hunger nunmehro
auch geschlachtet. »Gott hilf dir!« sage ich »du frommer
Kerl, daß du mir meinen Acker begatet hast, wie soll ich
dir's lohnen?« Aber der alte Mann gab zur Antwort: Lat
he dat man wesen und bede he man för uns 8 und als ich
solliches gerne zusagete und ihn fragete: wie er sein Korn
für dem grimmigen Feind geborgen, verzählete er mir,
daß er es in der Höhlen im Streckelberge heimlichen
versteckt gehabt, nunmehro aber auch all sein Fürrath
aufgezehret sei. Inzwischen schnitt er ein groß schön
Stück Fleisch dem Haubt aus der Lenden und sprach: da
hett he uck wat, und wenn et All iß, kann he noch eiß
kamen. 9 Als ich nun mit vieler Danksagung gehen wölk,
griff mich seine kleine Marie bei der Hand, ein Kindlein
bei sieben Jahren, so im Streckelberge das Gratias gebetet
und wollt mit zu meiner Tochter nach der Schulen. Da,
wie vorbemeldet, mein custos in der Pestzeit auch dieses
Zeitliche gesegnet, muß sie die Paar kleinen Kinder im
Dorf informiren, welches aber seit lange unterblieben.
Wollt es ihr dahero nicht wegern, obwohl ich gleich
besorgete, daß mein Töchterlein das Brod mit ihr theilen
würd, angesehen sie das Mägdlein sehr lieb hatte, da es
ihre Päthe war. Und so geschahe denn auch. Denn als das
Kind sahe, daß ich das Brod herfürlangete, schriee es
gleich für Freuden auf und begunnte auf die Bank zu
klettern. Daher bekam sie einen Theil von der Schnede,
einen Theil unsere Magd und den dritten Theil steckte
mein Töchterlein in den Mund, da ich Nichtes haben
wollte, sondern sprach: ich verspüre keinen Hunger und
wölle warten bis sie das Fleisch gesotten, welches ich
nunmehro auf die Bank wurf. Da hätte man sehen sollen,
welche Freude mein armes Kind empfund, zumalen ich
ihr nun auch von dem Roggen verzählete. Sie fiel mir
umb meinen Hals, weinete, schluchzete, hob alsdann das
kleine Mägdlein auf ihre Arme, tanzete mit selbiger in der
Stuben und recitirete nach ihrer Weiß dazu allerhand
lateinische versus so sie auswendig wußte. Nun wollte sie
uns auch ein recht schön Abendbrod zurichten, da in
einer Fleischtonnen, so die Kaiserlichen zuschlagen, noch
ein wenig Salz auf dem Boden geblieben. Ließ sie also ihr
Wesen treiben, und kratzete etwas Ruß aus dem
Schornstein, so ich mit Wasser vermengete, riß alsdann
ein fast weißes Blatt aus dem Virgilio und schriebe an den
pastorem Liepensem, Ehre Abrahm Tiburtius: Daß er
umb Gottes willen sich wölle unsere Noth zu Herzen
gehen lassen, und seine Kapselleute vermahnen, daß sie
uns für dem grimmigen Hungertod schützen und
mildthätiglich an Speise und Trank abtheilen wöllten, was
der grundgütige Gott ihnen gelassen, angesehen ein
Bettlersmann mir verzählet, daß sie seit langer Zeit Friede
für dem erschröcklichen Feind gehabt. – Wußte aber nit,
womit ich den Brief verschließen söllte, als ich in der
Kirchen noch ein wenig Wachs an einem hölzernen
Altarleuchter funde, so die Kaiserlichen nicht werth
geachtet, daß sie ihn aufhüben, und nur die messingschen
mit sich geführet hatten. Mit solchem Brief mußten sich
drei Kerls und der Fürsteher Hinrich Seden in ein Boot
setzen und nach der Liepe aufmachen.
Eher noch stellte aber meiner alten Ilsen für so aus
der Liepe bürtig war, ob sie nit lieber wöllte mit in ihre
Heimath ziehen, maßen sie sähe, wie es stünd, ich ihr
auch vors Erste keinen Witten an Lohn geben künnte.
(Merke: sie hatte sich ein schön Sümmlein ersparet,
angesehen sie länger denn 20 Jahre bei mir in Dienst
gewest, aber das Kriegsvolk hatte ihr Allens
abgenommen.) Aber ich kunnte sie nicht dazu bringen,
sondern sie weinete bitterlich und bate, daß ich sie nur
bei der guten Jungfer lassen söllte, so sie schon in der
Wiegen gekennet. Wöllte gerne mit uns hungern, wenn es
sein müßt, möchte sie nur nit verstoßen. Dahero ließ ich
sie und fuhren die Andern allein ab.
Unterdeß war auch die Suppen gar worden. Doch als
wir kaum das Gratias gebetet, und zulangen wollten,
kamen alle Kindlein aus dem ganzen Dorfe bei sieben an
der Zahl zur Thüre herein, und wollten Brod haben,
welches sie von meiner Tochter ihrer kleinen Päthe
gehöret. Da brach selbiger nun wieder das Herze, und
obgleich ich sie bate, sich hart zu machen, vertröstete sie
mich doch mit der Lieper Bothschaft, und kellete einem
jeden Kindlein sein Theil Suppen auf einen hölzernen
Teller (denn diese hatte der Feind nicht geachtet) und
stach ihm auch ein wenig Fleisch in die Händeken, sodaß
unser Fürrath mit einmal aufgezehret ward. Blieben
dahero des andern Morgens wieder nüchtern bis gegen
Mittag, wo das ganze Dorfsich auf der Wiesen am Ufer
versammblet hatte, als das Boot zurücke kam. Aber Gott
erbarm's, wir hatten fast umbsonst gehoffet! – Nur sechs
Brode und ein Hammel item ein Viert Backäpfel war
allens was sie hatten. Denn Ehre Abraham Tiburtius
schriebe mir, daß, nachdem das Geschrei von ihrem
Reichthumb über die ganze Insel erschollen, soviel
Bettlersleute bei ihnen umbgingen, daß sie ihnen
unmüglich gerecht werden künnten, angesehen sie
selbsten nicht wüßten, wie es noch mit ihnen in dieser
schweren betrübten Zeit ablaufen würd. Indessen wöllte
er sehen, ob er noch mehr auftreiben künnte. Ließ also
den kleinen Fürrath mit vielem Seufzen in die Widemen
tragen, und obgleich zwei Brode wie pastor lipensis
schriebe, vor mich allein sollten, gabe ich sie doch mit in
die Theilung, womit auch Alle sich zufrieden stellten,
ausgenommen den alten Seden sein gluderäugigt Weib
nit, so noch apart für ihren Mann seine Reise etwas
haben wollte, was aber, wie leicht zu erachten, nit
geschah, weshalben sie wieder, da sie abzoge, etzliche
Worte zwüschen die Zähne mummelte, die aber
Niemand nit verstand. Es war ein schier verrucht Weib,
so sich durch Gottes Wort nicht beikommen ließ.
Nun kann aber männiglich von sich selbsten
abnehmen daß solcher Fürrath nit lange aushielt. Da nun
zugleich auch bei allen Kapselleuten ein brünstig
Verlangen nach der geistlichen Speise sich verspüren ließ;
ich selbsten und die Fürsteher aber nur 8 Witten 10 im
ganzen Kapsel auftreiben kunnten, so nit auslangeten,
umb Brod und Wein anzuschaffen, kam ich auf die
Gedanken, abermals dem Herrn Ambthaubtmann unsere
Noth zu vermelden. Mit wie schwerem Herzen ich
solliches that, kann man leicht erachten. Aber Noth
kennt kein Gebot. Riße dahero auch das Hinterblättlein
aus dem Virgilio und bate, ümb der heiligen Dreieinigkeit
willen, daß Seine Gestrengen sich meiner und des ganzen
Kapsels gemeine Noth wöllte zu Herzen gehen lassen,
und ein wenig Geld hergeben, zum Trost der betrübten
Seelen das heilige Sacrament zu halten, auch wo müglich
einen Kelch zu kaufen, so er auch nur von Zinne sein
söllte, sintemalen der Feind die fürhandenen geraubet,
und ich sonsten gezwungen wär das heilige Nachtmal in
einem Topf zu consacriren. Item möcht er sich auch
unserer leiblichen Noth erbarmen, und mir endiglichen
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