sprang. Aber es waren nur die rüstigen Kerls, so im
Dorfe verblieben, und nun kamen, uns Bothschaft zu
bringen, wie es alldorten stünde. Dahero rief ihr gleich
zu: emergas, amici 7 wo sie denn auch mit großen
Freuden wieder herfürsprang und bei uns zum Feuer
niedersaß. Allsobald verzählete nun mein Fürsteher
Hinrich Seden was derweilen fürgefallen, und wie er nur
durch sein Weib Lise Kolken sein Leben geborgen.
Jürgen Flatow, Chim Burse, Clas Peer und Chim Seideritz
aber wären erschlagen, und läge letzterer recht auf dem
Kirchsteig. Zwölf Katen hätten die grimmigen
Mordbrenner in Asche geleget und wär es nit ihre Schuld,
daß nicht das ganze Dorf draufgegangen angesehen der
Wind ihnen nicht gepasset. Hätten zum Hohn und
Gespötte die Glocken dazu geläutet, ob Niemand
kommen wöllt und löschen, und als er und die andern
jungen Kerle herfürgesprungen hätten sie die Musqueten
auf sie abgedruckt, aber mit des großen Gotts Hülfe
Niemand nit getroffen. Darauf wären seine Gesellen über
die Zäune gesprungen, ihn aber hätten sie erwischet, und
schon das Gewehr über ihm ausgerecket, als sein Weib
Lise Kollken mit eim andern Trupp aus der Kirchen
herfürgetreten, und ihnen gewinket daß er Ruhe gehabt.
Lene Hebers aber hätten sie in ihrem Wochenbett
erstochen, das Kindlein gespießet und über Claas Peers
Zaum in den Nessel geworfen, wo es annoch gelegen, als
sie abgelaufen. Wäre jetzunder im ganzen Dorf
derohalben keine lebendige Seele mehr, und noch
schwerer ein Bissel Brods, so daß, wenn den Herrn nit
ihre Noth jammerte, sie alle des elendiglichen
Hungertodes würden sterben müssen.
(Da sage nun Einer: das wöllen Christenmenschen
sein!)
Fragte nunmehro, als er schwiege (mit wie viel
Seufzen jedoch, kann man leichtlich gießen) nach meiner
Hütten, wovon sie aber nichts wußten, als daß sie annoch
stünde. Ich dankete dannenhero dem Herrn mit einem
stillen Seufzerlein und alsobald den alten Seden fragend
was sein Weib in der Kirchen gemachet, hätte ich schier
vergehen mügen für großem Schmerz, als ich hörete, daß
die Lotterbuben, als sie heraußer getreten die beiden
Kelche nebst den Patenen in Händen getragen. Fuhr
dahero die alte Lise fast heftig an, welche nun auch
angeschlichen kam durch das Buschwerk, worauf sie aber
trotziglich zur Antwort gab: daß das fremde Volk sie
gezwungen die Kirche aufzuschließen, da ihr Kerl ja sich
in den Zaum verkrochen, und Niemand Anders nit da
gewesen. Selbige wären sogleich für den Altar getreten,
und da ein Stein nicht wohl gefuget (was aber eine
Erzlüge war) hätten sie alsobald angefangen mit ihren
Schwertern zu graben, bis sie auch die Kelche und
Patenen gefunden. Könnte auch sein daß ein Anderer
ihnen den Fleck verrathen. Möchte dahero ihr nicht
immer die Schuld beilegen, und sie also heftig
anschnautzen.
Hierzwischen kamen nun auch die alten Greisen und
Weiber mit trefflich vielen Beeren an, item meine alte
Magd mit dem Kuhschwanz und den Mähnhaaren,
welche verzählete, daß das ganze Haus umbgewühlet, die
Fenster zuschlagen, die Bücher und Scripturen auf der
Straßen in den Koth getreten und die Thüren aus den
Hespen gehoben wären. Solliches aber war mir ein
geringer Leid, denn die Kelche, dahero nur das Volk
vermahnete Biegel und Schneere zu machen, umb am
nächsten Morgen mit des barmherzigen Gotts Hilfe
unser Jagdwerk zu vollenführen.
Klöbete dahero selber die Rüthlein bis um
Mitternacht und da wir eine ansehnliche Zahl gefertiget,
ließ ich den alten Hinrich Seden den Abendseegen beten,
den wir alle knieende anhöreten, worauf ich endiglichen
noch ein Gebet that, und das Volk sodann vermahnete,
die Männer apart und die Weiber auch apart sich für die
Kälte (Dieweil es schon im Monat Septembri war und
fast frisch von der Seekante herwehete) in dem
Buschwerk zu verkriechen. Ich selbsten stieg aber mit
meinem Töchterlein und der Magd in die Höhlen, hatte
aber noch nicht lange geschlummert, als ich den alten
Seden fast heftig wimmern hörete, weilen ihn die Kolik
überfallen, wie er klagte. Stand dahero wieder auf und
gab ihm mein Lager, und setzte mich wieder zum Feuer,
und schneitelte Dohnen, bis ich ein halb Stündchen
entschlief und der Morgen anbrach, worauf es besser mit
ihm worden war, und ich nun auch alsobald mich
aufmachte und das Volk zum Morgenseegen weckte.
Diesesmal thät ihn der alte Paassch kunnte aber nit recht
hineinkommen, weshalb ich ihm aushelfen mußte. Hatt'
er ihn vergessen oder thats die Angst, das lasse ich
ungesagt. Summa. Nachdem wir All recht inniglichen
gebetet, schritten wir alsofort zum Werk, keilten die
Dohnen in die Bäume und umbhingen sie mit Beeren,
unterdessen mein Töchterlein der Kinder hüthete, und
Brummelbeeren vor sie zum Frühstück suchete. – Nun
soll man aber wissen, daß wir quer durch den Busch gen
den Weg nach Uekeritze hin keileten, und da merke nun
männiglich wieder die sonderbare Gnadenschickung des
barmherzigen Gotts. Denn als ich mit dem Beil in der
Hand (es war Seden sein Beil, so er in der Frühe aus dem
Dorfe gehohlet) in bemeldeten Weg trate, nehm ich auf
der Erden ein Brod wahr, bei eines Armes Länge, worauf
ein Rabe pickete, und welches sonder Zweifel ein
kaiserlicher Reuter Tags vorhero aus seinem Schnappsack
verloren, dieweil noch frische Roßtrappen im Sande
dabei stunden. Knöpfe mir es also heimlich über den
Wanst, so daß Niemand nichtes merkete, obschon
bemeldeter Paassch dicht hinter mir schritt, item alle
Andern in nicht gar guter Ferne ihm folgeten. Als wir
nun so die Dohnen bestellet in großer Frühe, hatte es
schon gegen die liebe Mittagszeit eine so große Menge
Vögel darinnen, daß Käthe Berow welche mir zur Seiten
schritt, als ich sie abbande, dieselben in ihrem
Schurzfleck fast nit zu lassen mußte, und auf dem andern
Ende der alte Pagels auch nit viel weniger aus seinem
Brustlatz und Rocktaschen herfürlangte. Mein
Töchterlein satzte sich also mit den andern Frauensvolk
hin, das Gevögel zu rupfen, und da es an Salz gebrach,
(denn dessen hatten die Meisten von uns lange nicht
mehr gekostet,) vermahnete sie ein Paar Männer, zur
Sehe zu steigen, und in einem Grapen, so noch von
Staffer Zuter geborgen war, ein wenig gesalzen Wasser zu
hohlen, was sie auch thäten. In solchem Wasser tunketen
wir nunmehro die Vöglein und brieten sie darauf bei
einem großen Feuer, wobei uns allen schon vom dem
süßen Geruch das Maul zu wässern begunnte, da wir so
lange keiner Speisen nicht gekostet.
Sage dahero als alles fertig, und das Volk sich auf der
Erden gelagert hat: nun schauet wie der Herr sein Volk
Israel in der Wüsten noch immerdar mit frischen
Wachteln speiset, sollt er nun ein Uebriges thun, und uns
auch ein Stücklein Mannabrod vom Himmel senden, was
meinet ihr, würdet ihr dann jemalen müde werden zu
gläuben, und nit vielmehr alle Noth, Trübsal, Durst und
Hunger williglich tragen, so er euch förder nach seinem
gnädigen Willen auferlegen söllte? worauf sie alle
antworteten und sprachen: ja sicherlich! Ego: Wöllt ihr
mir das wahrhaftiglichen versprechen, worauf sie
wiederumb sageten: ja das wollen wir! Da zog ich mit
Thränen das Brod von meinem Wanst herfür, hub es
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