mehr, oder sonst allgemein bekannt ist, und wenn du auch den
fehlenden Anfang und das fehlende Ende nicht wiederherstellen
kannst, so siehe zu, ob der Zusammenhang es dir nicht möglich
macht, die fehlenden Blätter aus der Mitte zu ergänzen, und fahre
dann ganz in dem Ton und der Sprache deines alten Biographen
fort, so daß wenigstens der Unterschied der Darstellung und die
gemachten Einschiebsel nicht gerade ins Auge fallen.
Dies habe ich denn mit vieler Mühe und nach mancherlei
vergeblichen Versuchen gethan, verschweige aber, an welchen Orten
es geschehen ist, um das historische Interesse der größten Anzahl
meiner Leser nicht zu trüben. Für die Kritik jedoch, welche nie eine
bewundernswürdigere Höhe als in unserer Zeit erreicht hat, wäre
ein solches Geständniß hier vollends überflüssig, da sie auch ohne
dasselbe gar leichtlich unterscheiden wird, wo der Pastor Schweidler,
oder wo der Pastor Meinhold spricht 4 .
Von dem jedoch, was ich fortgelassen, bin ich dem Publikum
noch eine nähere Nachricht schuldig. Dahin gehören:
1) lange Gebete, insofern sie nicht durch christliche
Salbung ausgezeichnet waren.
2) allgemein bekannte Geschichten aus dem
dreißigjährigen Kriege.
3) Wunderzeichen in den Wolken, die hie und da
sollten geschehen sein, und die auch
anderepommersehe Schriftsteller dieser
Schreckenszeit berichten, wie z.B. Micrälius 5 ;
Standen jedoch solche Angaben in Verbindung mit
dem Ganzen, z.B. das Kreuz auf dem Streckelberge,
so habe ich sie natürlich stehen lassen.
4) die Specifikation der ganzen Einnahme der
Coserower Kirche vor und während der
Schreckenszeit des dreißigjährigen Krieges.
5) die Aufzählung der Wohnungen, die nach den
Verheerungen des Feindes in jedem Dorf der
Parochie stehen geblieben.
6) die Angabe der Oerter, wohin dieses oder jenes
Mitglied der Gemeinde ausgewandert sei.
7) Ein Grundriß und eine Beschreibung des alten
Pfarrhauses usw.
Auch mit der Sprache habe ich mir hin und wieder einige
Veränderungen erlaubt, wie denn auch mein Autor in
Sprache und Orthographie nicht recht constant ist.
Letztere habe ich mit geringen Ausnahmen beibehalten.
Und somit übergebe ich denn dies vom Feuer des
Himmels wie der Hölle glühende Werk dem geneigten
Leser.
Meinhold.
Fußnoten
1 Und in der That kommen im Original einige
Rechnungen vor, die wohl beim ersten Anblick zu diesem
Irrthum verleiten konnten, und außerdem ist die
Handschrift schwer zu lesen, und an einigen Stellen
vergilbt und verrottet.
2 Auch diesen Prozeß gedenke ich noch herauszugeben,
da er ein ungemeines psychologisches Interesse hat.
3 Horst, Zauberbibliothek, VI, 231.
4 Vorläufige Proben des Ganzen befanden sich bereits in
der Christoterpe von 1841 und 42.
5 vom alten Pommernlande, Buch V.
Einleitung.
Die Abkunft unsers Biographen kann bei dem verloren
gegangenen Anfange seiner Schrift nicht mehr mit
Genauigkeit bestimmt werden. Er scheint jedoch
jedenfalls kein Pommeraner gewesen zu sein, denn
einmal spricht er von Schlesien, wo er in seiner Jugend
sich befunden; nennt sodann weit zerstreute Verwandte,
nicht blos in Hamburg und Cöln sondern sogar in
Antwerpen und verräth vor allen Dingen durch seine
süddeutsche Sprache seine auswärtige Abkunft. Hieher
rechne ich besonders Ausdrücke als: eim für einem, und
die eigne Derivation mancher Adjective z.B. tänein von
Tanne, seidin von Seide, eine Sprechweise, die, so viel ich
weiß, niemals in Pommern, wohl aber in Schwaben
vorgekommen ist. Doch mußte er bei Abfassung seiner
Schrift schon lange Zeit in Pommern gelebt haben, weil
er fast noch häufiger plattdeutsche Ausdrücke einmischt,
ganz wie dies eingeborne Pommersche Schriftsteller der
damaligen Zeit auch wohl zu thun pflegen.
Da er von altadlicher Herkunft ist, wie er bei
verschiedenen Gelegenheiten sagt; so möchte man
vielleicht in den Adelsregistern des siebzehnten
Jahrhunderts etwas Näheres über das Geschlecht der
Schweidler finden, und mithin auch über sein
wahrscheinliches Vaterland; allein ich habe mich
vergebens in den mir zugänglichen Quellen nach jenem
Namen umgesehen, und möchte daher vermuthen, daß
unser Autor, wie dies so häufig geschah, bei seinem
Uebergange zur Theologie, seinen Adel mit Abänderung
seines Namens ablegte.
Genug ich will hier nicht weitere Hypothesen wagen.
Unser Manuscript, in welchem die ansehnliche Zahl von
sechs Kapiteln fehlt, und welches auf den nächst
vorhergegangenen Blättern unstreitig sich über den
Ausbruch des dreißigjährigen Krieges auf der Insel
Usedom verbreitet hat, beginnt mit den Worten:
»Kaiserliche gehauset« und fährt dann fort wie folgt:
– – Koffer, Truhen, Schränke waren allesammt
erbrochen und zuschlagen, auch mein Priesterhemd
zurissen, so daß in großen Aengsten und Nöthen stände.
Doch hatten sie mein armes Töchterlein nit gefunden,
maßen ich sie in einem Stall, wo es dunkel war,
verborgen, denn sonst sorge ich, hätten sie mir noch
mehr Herzeleid bereitet. Wollten die räudigen Hunde
doch schon meine alte Ilse ein Mensch bei schier 50
Jahren angehen, hätte es ihnen ein alter Kornett nicht
gewegert. Dankete dahero meinem Schöpfer, als die
wilden Gäste wegkwaren, daß ich allermeist mein armes
Kind vor ihren Klauen geborgen, wiewohl kein Stäublein
Mehl, kein Körnlein Getreide noch ein Stücklein Fleisch
bei eines Fingers Länge mehr fürhanden, und ich nit
wußte wie ich mein und meines armen Kindes Leben
weiter fristen söllte. Item dankete Gott, daß ich noch die
vasa sacra geborgen, welche ich gleich mit den beiden
Türstehern als, Hinrich Seden und Claus Bulken von
Uekeritze in der Kirchen vor dem Altar vergrübe, Gott
die Obhut empfehlend. Weil nun aber, wie bemeldet, ich
bittern Hunger litte, so schrieb an Se. Gestrengen den
Herrn Amtshauptmann Wittich von Appelmann auf
Pudgla 1 daß er umb Gotts und seines heiligen
Evangeliums willen in sollich schwerer Noth und Trübsal
mir zukommen ließe, was Se. Fürstliche Gnaden,
Philippus Julius mir an Praestandis vom Kloster zu
Pudgla beigeleget, als nämlich 30 Schffl. Gerste und 25
Mark Silbers, welche Sr. Gestrengen mir aber bis
nunmehro gewegert. (Denn er war ein fast hart und
unmenschlicher Mann sintemalen er das heilige
Evangelium und die Predigt verachtete, auch öffentlich
und sonder Scheue seinen Spott über die Diener Gottes
hatte, nämblich, daß sie unnütze Brodtfresser wären, und
Lutherus den Schweinestall der Kirchen nur halb
gesäubert. Gott bessers! –) Aber er antwortete mir nit,
und ich wäre schier verschmachtet, wenn Hinrich Seden
nicht für mich im Kapsel 2 gebetet. Gott lohn's dem
ehrlichen Kerl in der Ewigkeit! Er wurde dazumalen auch
schon alt und hatte viel Plage von seinem bösen Weibe,
Lise Kollken. Dachte gleich, daß es nit sonderlich gehen
würd, als ich sie traute; angesehen sie im gemeinen
Geschrei war, daß sie lange mit Wittich Appelmann in
Unzucht gelebet, welcher von jeher ein rechter Erzschalk
und auch absonderlich ein hitziger – – – Jäger gewest,
denn so etwas gesegnet der Herre nicht. Selbiger Seden
nun brachte mir 5 Brodte, 2 Würste und eine Gans, so
die alte Paalsche in Loddin ihm verehret, item eine Seite
Speck von Hans Tewert dem Bauern. Müchte ihn aber
Читать дальше