gegeben, verloren ist.
10 Pfarrhaus.
11 Dies ist ein Irrthum. Das nachfolgende Lied ist von
dem Cardinal-Bischof von Ostia Peter Damianus ( 23sten
Febr. 1072) nach Augustins Prosa überdichtet.
12
Wir versuchen hier eine Uebersetzung dieser schönen
Stelle:
Alle Bürger dieses Landes leben nur von einem Brod.
–
Hungrig stets und stets gesättigt, trübt ihr Sehnen
keine Noth,
Fühlen nie der Sattheit Ekel, auch die Qual des
Hungers nie,
Athmend essen sie beständig, ha und essend athmen
sie!
Ewig blüht die Rosenknospe hier im ew'gen Frühling
auch
Weiß die Lilie, roth der Krokus, duftend träuft der
Balsamstrauch,
Grün die Wiesen, grün die Saaten, und von Honig
rinnt der Bach.
Das Aroma süßer Blumen haucht und duftet
tausendfach.
Blühnde Wälder tragen Aepfel, deren Stengel nimmer
bricht.
Und nicht Sonne, Mond noch Sterne wechseln dorten
mehr ihr Licht.
Denn ihr Licht, das nimmer schwindet, ist des
Lammes Angesicht.
13 Ein Busen, den der Peenefluß in der Nähe bildet.
Capitel 8.
Wie unsere Noth immer größer wird, ich die alte Ilse mit
einem andern Schreiben gen Pudgla sande, und was mir
daraus noch für ein größer Leid erfolget.
Als ich des andern Tags mit gemeinem Geschrei, des
ganzen Dorfs die elenden Leichname beerdiget (merke,
da wo die Linde 1 über die Mauer schattet, seind sie alle
begraben) hörete ich mit vielen Seufzern, daß auch weder
die Sehe noch das Achterwasser etwas hergeben gewöllt.
Dies dauerte bei zehn Tagen, daß das arme Volk fast kein
Fisches Auge nit kunnte fangen. Ging dahero auf das
Feld, und sanne, wie der Zorn des gerechten Gottes über
uns zu wenden wär, dieweil der harte Winter vor der
Thür und kein Korn, kein Fisch, kein Apfel, kein Fleisch
nicht sowohl im Dorfe als im ganzen Kapsel mehr zu
finden. Denn Gewilde hatte es zwar genugsam in der
Coserowschen und Uekeritzer Heiden, aber der alte
Heidenreuter Zabel Nehring war im verschienen Jahr an
der Pestilenz gestorben, und noch kein neuer daselbsten.
Auch war im ganzen Kapsel keine einige Mousquete oder
Kraut dazu aufzufinden, sintemalen der Feind alles
geraubet und zubrochen. Wir mußten dahero alle Tage
ansehen, wie Hirsche, Rehe, Haasen, Schweine et cet. uns
fürbei sprangen, da wir sie doch lieber in unserm Magen
gehabt, aber in unserer Unmacht sie nicht gewinnen
kunnten. Und in Gruben wollten sie sich nicht fahen
lassen. Doch hatte Claus Peer ein Rehe darin gefangen,
und mir auch ein Stück davon verehret, was ihm Gott
lohnen wölle. Item an zahmen Vieh war fast gar nichtes
mehr in Kapsel fürhanden, auch kein Hund, weder eine
Katze, welche das Volk in der großen Hungersnoth zum
Theile gegessen, zum Theile aber vorlängst geschlagen
oder versäufet. Doch hatte der alte Bauer Paassch noch
zwei Kühe item soll in Uekeritze noch ein alter Mann ein
Ferkelken gehabt haben, das war Alles. Darumb lebete
fast alles Volk von Brummel- und andern Waldbeeren,
welche aber auch schon begunnten seltsam zu werden,
wie man leichtlich gießen mag. Auch hatte sich dabei
allbereits ein Knabe bei 14 Jahren verloffen, (den alten
Labahn sein Junge) und nie nichtes wieder von sich
hören lassen, so daß ich schier befahre, daß ihn die Wülfe
gefressen.
Hieraus möge nun ein christlich Herze vor sich
selbsten abnehmen, in was Gram und Trübsal ich meinen
Stecken zur Hand genommen, angesehen mein
Töchterlein für den leidigen Hunger wie ein Schatten
verging, obschon ich selbsten als ein alter Körper, durch
die Gnade des barmherzigen Gottes noch keinen
sonderbaren Abgang meiner Kräft verspürete. Indeme
ich nun so ginge im fortwähren zu dem Herrn
wimmernd, gewahrete ich auf dem Wege gen Uekeritze
so ich eingeschlagen, einen Bettlersmann, der saß mit
seinem Ränzel auf einem Stein und verzehrete ein
Stücklein seltene Gottesgabe, verstehe ein Stücklein
Brod. Ach, da liefen mir armen Mann die Backen so voll
Wassers, daß ich mich erst bücken und es zur Erde
mußte laufen lassen, ehe ich fragen kunte: »wer bistu, und
wo kommstu her, daß du Brod hast?« Worauf er
antwortete: daß er ein armer Mann aus Bannemin sei,
deme der Feind Allens genommen, und da er erfahren,
daß der Lieper Winkel 2 fast lange Frieden gehabt, hätt' er
sich aufgemacht daselbsten zu schnurren. »Nunsage ich
darauf: du armer Bettlersmann, so theile einem betrübten
Diener Christi der ärmer ist denn du, nur eine kleine
Schnede 3 Brodt für sein armes Töchterlein ab, denn du
sollt wissen, ich bin ein Pfarrherr hier im Dorf und mein
Kind will sterben für Hunger. Ich beschwere dich bei
dem lebendigen Gott, daß du mich nit gehen lässest,
ohne dich mein zu erbarmen, wie man sich dein erbarmet
hat.« Aber der Bettlersmann wollte mir nichts abtheilen,
sprechende: daß er selbsten ein Weib und vier Kinder
hätte, die auch dem bittern Hungerstode zuwanketen,
massen die Noth in Bannemin noch viel größer sei, denn
hier, wo wir doch Beere hätten. Ob ich nit erfahren, daß
vor wenig Tagen dort ein Weibsbild (die er auch nennete,
hab es aber für Schrecken nicht gleich beachtet) ihr eigen
Kind geschlachtet, und für Hunger aufgezehret 4 ? Könne
mir dahero nicht helfen und möchte ich selbsten nach
dem Lieper Winkel gehen.
Für solche Rede entsatzte ich mich, wie leicht zu
erachten, da in unserer Noth noch nichts daran
vernommen, auch wenig oder gar kein Wanken ist, von
einem Dorf in das andere, und an Jerusalem gedenkend 5
und schier verzweifelnde, daß uns der Herr heimsuchete,
wie weiland diese gottlose Stadt, wiewohl wir ihn nicht
verrathen noch gekreuziget, vergaß ich fast meiner Noth,
und setzte meinen Stecken an, umb fürbast zu gehen.
Doch war ich kaum ein paar Ehlen geschritten, als mir
der Bettlersmann nachrief, daß ich stehen söllte.
Wanndte mich dahero wieder als er mir mit einer guten
Schnede Brod, so er aus seinem Queersack gehohlet
entgegentrat und sprach: Da! äwer bedet uck för mi, datt
ick to Huuse kame, denn wenn se unnerweges rücken,
datt uk Brod hebbe, schleht mi min egen Broder dod,
köhnt gi glöwen. 6 Solliches versprach mit Freuden, und
kehrete flugs um, meinem Töchterlein den heiligen Christ
zu bringen, so ich in meiner Rocktaschen verborgen.
Doch siehe, als ich gegen die Straßen komme, so vom
Wege nach Loddin führet (vorhero hatt' ich es in meiner
Betrübniß übersehen) trauete kaum meinen Augen, als
ich alldorten mein Ackerstück bei sieben Scheffeln groß,
begatet 7 besäet und bestaudet antraff, so daß die liebe
Roggensaat, schon bei eines Fingers Länge lustig aus der
Erden geschossen war. Konnte nicht anders gläuben, als
daß der leidige Satan mir ein Blendwerk fürgespielet;
doch wie ich mir auch die Augen riebe, es war Roggen
und bliebe Roggen. Und weilen den alten Paassch sein
Stück so daneben stieß imgleichen besäet und die
Hälmlein zu gleicher Höhe mit den meinigen geschossen
waren, kunnte gar leicht bei mir abnehmen, daß der gute
Kerl solliches gethan, anerwogen die andern Stücken
allesammt wüste lagen. Verziehe ihm dahero gerne, daß
er den Morgenseegen nit gewußt und dem Herrn
dankend vor so viel Liebe bei meinen Kapselkindern und
ihn brünstiglich anflehend: er wölle mir Kraft und
Glauben gewehren, bei ihnen nunmehro auch
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