Berühmt ist der Schöpfungsmythus des Weda , der indischen Weisheitslehre, der in der metrischen Übertragung Deussens also lautet:
Rigveda 10, 129.
1 Damals war nicht das Nichtsein, noch das Sein,Kein Luftraum war, kein Himmel drüber her. —Wer hielt in Hut die Welt; wer schloss sie ein?Wo war der tiefe Abgrund, wo das Meer?
2 Nicht Tod war damals noch Unsterblichkeit,Nicht war die Nacht, der Tag nicht offenbar. —Es hauchte windlos in UrsprünglichkeitDas Eine, außer dem kein andres war.
3 Von Dunkel war die ganze Welt bedeckt,Ein Ozean ohne Licht in Nacht verloren: —Da ward, was in der Schale war versteckt,Das Eine durch der Glutpein Kraft geboren.
4 Aus diesem ging hervor zuerst entstanden,Als der Erkenntnis Samenkeim, die Liebe:Des Daseins Wurzelung im Nichtsein fandenDie Weisen, forschend, in des Herzens Triebe.
5 Als quer hindurch sie ihre Messchnur legten,Was war da unterhalb? und was war oben? —Keimträger waren, Kräfte, die sich regten,Selbstsetzung drunten, Angespanntheit droben.
6 Doch, wem ist auszuforschen es gelungen,Wer hat, woher die Schöpfung stammt, vernommen?Die Götter sind diesseits von ihr entsprungen!Wer sagt es also, wo sie hergekommen? —
7 Er, der die Schöpfung hat hervorgebracht,Der auf sie schaut im höchsten Himmelslicht,Der sie gemacht hat oder nicht gemacht,Der weiß es! — oder weiß auch er es nicht?
Im Buddhismus kommen die Seelen aus dem Nirvana und kehren nach dem Tode dahin zurück. Er erfasste, dass die Menschenseele ein Werk von solcher Größe ist, dass ein Menschenleben zu ihrem Werden nicht genüge, dass hierzu eine Reihe von irdischen Lebensläufen, jeder folgende mit allen früheren zusammenhängend, erforderlich sei. Daher lehrte er die Metempsychose, die Seelenwanderung, welche Lehre, allerdings in veränderter Art, in unserer Vererbungslehre, besonders in der Lehre von der Mneme, eine Neubearbeitung und teilweise Bestätigung gefunden hat.
Die altiranische Lehre, deren großer Meister Zarathustra war, lehrte, dass eine geistige Wesenheit, die alles zum Voraus wusste, Ormudzd oder das „Vorwissen“, die Welt und die Menschen erschaffen habe. Nachher sei das „Nachwissen“ zu den Menschen gekommen, das Wissen von den einzelnen Dingen. Dieses Nachwissen hätte die Menschen zum Bösen, zu Hass und Rachsucht verführt. Das Nachwissen wurde Ahriman genannt.
Die Schöpfungsgeschichte der Bibel lehrt, dass Gott die Welt und den Menschen in sieben Tagen erschaffen habe. Nachher, im Paradies kam das Böse über sie, als sie die Frucht vom Baume der Erkenntnis aßen, auch hier, wie in der altiranischen Lehre, durch das „Nachwissen“.
Im vierten und dritten Jahrhundert vor Christi lehrte der griechische Weise Plato, dass die Ideen das Erste und das Wirkende waren, und dass Welt und Menschen aus ihnen hervorgingen. Sein Schüler Philo von Alexandrien war ein großer Meister der Gnosis , die das Werden der Welt und des Lebendigen aus dem Urlicht , dem Pleroma , hervorgehen lässt. Bauer hat versucht, es wahrscheinlich zu machen, dass Jesus von Nazareth erst als erwachsener Mann nach Ägypten kam und dort ein Schüler Philos wurde. Seine Lehre nennt Gott unseren Vater.
*
Mit der gewaltigen Entwicklung der Naturwissenschaften in den letzten Jahrhunderten wurde die Aufmerksamkeit der Menschheit von den alten Weisheitslehren abgelenkt. Man begann mit wachsender Spannung auf eine neue, wissenschaftliche Lösung der großen Frage zu hoffen. Und die Naturwissenschaft hat sich in der Tat bemüht, eine andere bessere Lösung zu finden. Zuerst gab sie uns die Kant-Laplacesche Weltentstehungstheorie, dann die Lamarck-Darwinsche Abstammungslehre des Lebendigen. Danach war zuerst das einzellige Urlebewesen, aus dem sich dann durch Anpassung im Kampf ums Dasein die ganze Stufenfolge aller Lebewesen bis zum Menschen hinauf entwickelt hätte. Aus dem Primitiven wurde automatisch das Höhere, der Mensch aus dem Affen.
Mit dieser Abstammungslehre wurden die Auffassungen des bekannten Botanikers Linné und des vergleichenden Anatomen Cuvier überwunden. Linné glaubte, dass jede Einzelart von Gott geschaffen worden sei, und Cuvier nahm eine unabhängige Entstehung der einzelnen Arten in verschiedenen Epochen an. Die Darwinsche Lehre siegte und gelangte für eine lange Zeit zur Oberherrschaft in der Naturwissenschaft.
Auch wenn man sich mit der Darwinschen Lehre zufrieden geben könnte, bliebe dennoch die Grundfrage ungelöst. Wie entstand die erste Zelle des einzelligen Urlebewesens? Wie kam sie zu den Bauplänen der so mannigfaltigen Organismen, die nun von ihr abstammten? Wohl entwickelt sich selbst der höchste Organismus aus einer einzigen Zelle, aus der Eizelle, aber aus diesem höchsten, kompliziertesten Organismus geht wieder eine Eizelle hervor, die wiederum alle Potentiale in sich schließt, aus denen ein neuer komplizierter Organismus werden wird.
Was war also zuerst da, die Eizelle oder der komplizierte Organismus, aus dem sie wieder hervorgeht? Da stehen wir ja vor der Frage, die einst, im Jahre 325 n. Chr., das Konzil von Nikäa beschäftigte: War zuerst das Ei oder die Henne?
In der Tat, das Bemerkenswerteste an der Darwinschen Lehre ist die Ausschaltung jeglicher Schöpfertätigkeit bei der Entstehung des Lebendigen und der Arten.
Die Forschung ist indessen nicht bei der Darwinschen Lehre stehen geblieben. Sie entdeckte Lebewesen, die noch nicht zellulären Charakter haben, die prototrophischen Bakterien oder „primitiven Esser“. Osborne sieht in ihnen das erste Glied, von dem aus sich das ganze Reich des Lebendigen aufbaute. Diese Gebilde verstehen schon, sich die ihnen passende Nahrung zu suchen. Sie sind also schon mit zielgerichtetem Handeln begabt!
In diesen Bakterien finden sich Körnchen einer hochkompliziert aufgebauten Substanz, die nirgends fehlt, wo Leben auftritt, das Nuklein bzw. das Chromatin . Von dieser Substanz heißt es: „Die atomare Konstitution des Chromatins übertrifft an Kompliziertheit unendlich alle übrigen bekannten materiellen und Energieformen“ (Osborne). Dieses Chromatin gewinnt nun in der Anschauung des Forschers dominierende Bedeutung als wichtigster Bestandteil aller Zellkerne. Man sieht in ihm den Träger der vererbbaren Eigenschaften, also auch des Bauplanes des aus der Eizelle hervorgehenden Individuums. Das Geheimnis hat sich von der Einzelle verschoben auf das prototrophische Bakterium und von da auf das Chromatin. Wäre aber wirklich das Chromatin der Kern des Lebendigen, so müsste es ja so viele verschiedene Chromatin-Moleküle in der Welt geben, wie da Arten von Lebewesen sind, und wäre das Bakterium aller Dinge Grund, so müsste man erkennen, wie aus ihm eine Einzelle, ein Protozoon wird. Das Bakterium kann doch aus sich heraus kein höheres Lebewesen schaffen, denn dazu fehlt ihm der Bauplan.
Zu einem Tempelbau ist nötig: 1. Einer, der die Idee des Tempels gebiert und den Bauplan macht, das Baumaterial auswählt und herbeischafft und 2. solche, die den Bau ausführen.
Dürfen wir nun annehmen, dass das Chromatin imstande sei, alles dies zu tun? Das wäre doch wohl eine höchst willkürliche und durch nichts begründete Annahme. Auch dieser Weg hat uns in eine Sackgasse geführt.
Die Forschung kennt noch einen andern Weg, den Weg der Analyse. Nachdem die Zusammensetzung der Organismen aus Zellen, dieser aus Kern und Protoplasmaleib, gefunden und in den Zellkernen das Chromatin als Lebensträger erkannt worden war, war man eigentlich schon beim chemischen Molekül angelangt, allerdings bei einem Molekül von fabelhaftem Aufbau. Nun besteht die gesamte lebende Substanz aus Molekülen, aus Materie. Sie lässt sich also chemisch analysieren. Was also wird uns die chemische Analyse der mit dem Leben verknüpften Materie über das Lebendige zu sagen vermögen?
Читать дальше