Max war das gewohnt. »Frau Schiller hat euch doch erklärt, warum ich mit vierzehn schon in eure Klasse gehen darf!«, sagte er.
Betty sah Stefan fragend an. »Hat sie?«
»Max ist hochbegabt!«, sagte Stefan. »In der Klasse mit den Gleichaltrigen hat er sich gelangweilt. Er lernt unheimlich schnell und hat deshalb zwei Schuljahre überspringen dürfen.«
»Genau!«, sagte Max und setzte schnell hinzu: »Nicht, dass ich mir was darauf einbilde, dass ich schlauer bin...«
»Natürlich nicht!«, meinte Betty und schaute Max ganz unschuldig an. »Hast du nicht gesagt, dass du ein Smartphone hast?«
»Klar!« Max griff ins eine Tasche ... das Handy war weg.
»Suchst du das hier?« Grinsend hielt Betty ihm das Handy hin.
»Sie ist eine Taschendiebin!«, meinte Stefan.
»Ich bin im Variete groß geworden!«, stellte Betty richtig. »Ich kann klauen, aber ich bestehle keine Leute.« Sie gab Max sein Handy zurück, und ehe der sie fragen konnte, wie sie es geschafft hatte, ihm das Gerät aus der Tasche zu stehlen, kam der Wachleiter aus dem Büro.
»Jetzt zu euch dreien!«, meinte er. »Den Taschendieb haben wir erst einmal in einen Raum gebracht, wo er auf die Polizei wartet. Nun brauchen wir noch eure Aussagen.«
Im Büro des Wachleiters erspähte Stefan sofort in einem Plastikkasten die Sachen, die man dem Taschendieb abgenommen hatte. Während Betty und Max erzählten, was sie in der U-Bahn beobachtet hatten, sah Stefan sich die Sachen an:
-fünf Travellerschecks im Wert von 500 Euro
-ein paar Münzen im Wert von dreizehn Euro und 40 Cent
-eine Tageskarte für die U-Bahn für den heutigen Dienstag, den 14. Juni
-ein Streichholzheftchen aus der MONDIAL-Disco
-eine Schachtel filterlose Zigaretten
-eine angebrochene Packung Kaugummi,
-eine entwertete Eintrittskarte für das Klerkenbrock-Museum vom Freitag vergangener Woche und
-ein Schlüsselbund mit vier Schlüsseln
Der Wachleiter hatte Stefans Interesse für die Sachen bemerkt. »Das haben wir bei der Leibesvisitation bei dem Mann gefunden. Er hat sofort alle Sachen aus dem gestohlenen Portmonee eingesteckt und das leere Portmonee dann weggeworfen - aber wir haben es ja Gottseidank gefunden.«
»Alte Taschendieb-Regel«, meine Betty: »Man darf nie etwas behalten, was auf den Diebstahl hinweist!«
Der Wachleiter sortierte die Dinge: »Das hat er angeblich im Portmonee der Touristin gefunden: Die Schecks und den Münzen. Der Kaugummi, die U-Bahn-Tageskarte, die Eintrittskarte für das Museum und die Streichhölzer.« Er schob die Sachen auf eine Seite. »Alles andere, sagt er, gehört ihm: die Schlüssel und die Zigaretten.«
»Er hatte Zigaretten dabei, aber keine Streichhölzer?«, wunderte sich Stefan. »Und die Touristin soll Streichhölzer dabei gehabt haben - aber keine Zigaretten?«
»Das hat mich auch gewundert«, meinte der Sicherheitsmann und klappte das Briefchen mit den Streichhölzern auf. Zwei Streichhölzer waren herausgebrochen. Auf dem Deckel war mit Kugelschreiber etwas notiert: »Freitag, 13 Uhr Klerkenbrock-Museum, Saal 3. Bild 12.«
»Mysteriös!«, sagte Max. »Höchst mysteriös.«
»Der Dieb behauptet, er habe keine Ahnung, was das zu bedeuten habe, denn er sagt ja, dass die Streichhölzer der Touristin gehören!« Der Mann dämpfte vertraulich die Stimme. »Allerdings weiß ich von einem Bekannten bei der Polizei, dass man am Freitag letzter Woche im Klerkenbrock-Museum im Saal 3 gegen 12 Uhr ein Hehler verhaftet wurde, der bekannt dafür ist, dass er Taschendieben ihre Beute abkauft - Schmuck oder Uhren etwa. Gut möglich, dass unser Taschendieb mit dem Mann verabredet war.«
»Aber nur, wenn die Streichhölzer dem Dieb gehören«, meinte Max. »Denn in dem Briefchen ist der Termin im Museum notiert.«
»Das bestreitet der Dieb natürlich!«, sagte der Sicherheitsmann. »Er behauptet steif und fest, dass die Streichhölzer in der Tasche der Touristin gewesen seien.«
Ein Sicherheitsmann brachte die blonde Touristin herein. Die Frau lächelte Stefan, Betty und Max an. »Ich habe gehört, dass ihr eingegriffen habt, als ihr den ... wie sagt man... Pickpocket bemerkt habt!« Sie hatte einen amerikanischen Akzent. »Danke!«
»Miss Coltrane ist erst gestern angekommen!«, erklärte der Sicherheitsmann seinem Chef. Er zeigte ihm das Flugticket der Touristin. »Sie wohnt im Kronberg-Hotel. Sie studiert Kunstgeschichte und will sich hier verschiedene Museen ansehen.«
»Auch das Klerkenbrock-Museum?«, fragte Stefan plötzlich.
Die Amerikanerin nickte erstaunt. »Ja! Gleich morgen!«
Das war Moment, in dem Stefan die Stirn in Falten legte, aber ehe er etwas sagen konnte, meinte Max: »Damit ist jetzt sonnenklar, dass sie Streichhölzer hier nicht der bestohlenen Frau, sondern dem Dieb gehören!«
»Genau!«, sagte Stefan. »Das wollte ich auch gerade sagen.
Was war den beiden aufgefallen?
Lösung:
Es war Dienstag, als der Dieb die Amerikanerin bestahl. Die Amerikanerin war erst einen Tag zuvor - also am Montag - in der Stadt eingetroffen, wie ihr Flugticket bewies. Der in den Streichhölzern notierte Treff im Klerkenbrock-Museum war aber für den Freitag der vergangenen Woche angegeben, und da die bei dem Dieb gefundene Eintrittskarte für das Klerkenbrock-Museum bereits entwertet war, hieß dies, dass der Treff offenbar bereits am vergangenen Freitag stattgefunden hatte - als die Amerikanerin nicht gar nicht in der Stadt war.
04. Diebstahl ohne Spuren
Das Metallschild, das Max anschleppte, entlockte Betty und Stefan ein lautes »Wow!«
»Ein richtiges Detektivteam braucht ein Büro und ein Büroschild!«, erklärte Max. »Und dass wir ein richtiges Detektivbüro brauchen, daran gibt es nach den Fällen, die wir bisher geklärt haben, ja wohl keinen Zweifel.«
»Ich höre immer Detektivbüro!« Stefan sah ich in dem ausgebauten Gartenpavillon um, in dem sie zusammensaßen. Sein Vater hatte das Häuschen letztes Jahr komplett renovieren lassen, um es als Gästeappartement für die Kollegen zu benutzen, die zu seinen Lehrgängen kamen.
»DIE DREI DETEKTIVE« las Stefan die ins Metall gravierte Schrift. »Termine nach Vereinbarung.« Darunter die Handynummern von Stefan, Betty und Max.
»Der Kleine spinnt!«, meinte Betty.
»Nenn mich nicht Kleiner!«, sagte Max beleidigt. »Du brauchst dir nichts darauf einzubilden, dass du älter bist!« Er wandte sich an Stefan: »Hast du eine Bohrmaschine? Wir schrauben das Schild vorn ans Gartentor!«
Stefan fand die Idee gar nicht so schlecht. Schließlich wollte er später einmal Kriminalkommissar werden, genau wie sein Vater. Da konnte es seiner Meinung nach nicht schaden, wenn er jetzt schon einmal ein wenig Berufserfahrung sammelte.
Fünf Minuten später hing das Schild am Gartentor.
Dass die DREI DETEKTIVE ihren ersten Fall ausgerechnet in ihrer Schule zu lösen hatten, war kein Zufall. Max hatte nämlich nicht nur das Firmenschild besorgt, sondern auch noch auf seinem Computer fünfhundert Visitenkarten für die DREI DETEKTIVE gedruckt und überall verteilt. Eine dieser Karten lag jetzt auf dem Schreibtisch von Direktor Klausthal. Es war dem Schulleiter anzusehen, dass er sich in seiner Haut nicht besonders wohl fühlte. »Eigentlich ist das ja ein Fall für die Polizei!«, meinte er. »Aber das würde ziemlich viel Aufsehen erregen. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, das zu verhindern.«
Stefan warf einen Blick auf den Tresor hinter dem Direktor. Die schwere Stahltür stand auf. »Sie würden gerne wissen, wer letzte Nacht die Aufgaben für die Matheklausur der Oberstufe aus dem Tresor gestohlen, nicht wahr?«
Der Direktor war verblüfft. »Woher weißt du das denn?«
Max fummelte ein zerknittertes Blatt aus der Hosentasche. »Das sind doch die Aufgaben? Einer aus der Oberstufe hat mir vorhin den Zettel gegeben und mich gefragt, ob ich sie für ihn lösen kann.«
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