»Bleiben Sie sitzen, bis der Krankenwagen kommt!«, riet der Einsatzleiter. »Wie ist das eigentlich passiert?«
»Ich habe einfach nur Pech gehabt!«, jammerte Gert Hunold. »Der Schrank ist auf mich draufgefallen.«
Betty sah, wie Stefan die Stirn in Falten legte. Zugleich nagte er mit den Schneidezähnen an der Unterlippe. Irgendetwas schien ihn zu stören. Dann fiel auch ihr auf, was Stefans Misstrauen erregt hatte.
Aber da sagte Stefan auch schon: »Hier sind doch noch Fußspuren von einer zweiten Person!« Er deutete auf die Spuren der Turnschuhe. »Außerdem lag noch dieser silberne Löffel hier, und dort der leere Besteckkasten.«
Der Einsatzleiter der Feuerwehr sah sich den Löffel genau an. »Das Wappen kenne ich doch!«, sagte er mit einem langen Blick zu dem Schrotthändler. »Es war letzte Woche in der Zeitung abgebildet, als Einbrecher auf dem Schloss des Grafen Kemper oben auf dem Berg eingestiegen und das 168-teilige Silberbesteck der gräflichen Familie gestohlen hatten!«
Betty spürte, wie ihr Nacken prickelte. Das wurde ja richtig spannend - wie war der Löffel aus dem Diebesgut hier auf den Schrottplatz gekommen?
Der Feuerwehrmann hielt Hunold den Löffel hin. »Was ist hier passiert?«
Hunolds Blick flackerte. »Der Junge hat Recht«, sagte er mit einem bösen Blick zu Stefan. »Ich war nicht allein. Mein Neffe Udo war noch hier. Er hilft mir manchmal auf dem Platz, aber so richtig getraut habe ich ihm nie. In den letzten Tagen hat er sich immer hier hinten herumgetrieben. Heute wollte ich einmal nachschauen, was er dort tat. Ich habe beobachtet, wie er den Gefrierschrank hier zur Seite gehoben hat und dann den Besteckkasten aus dem Versteck dahinter holte. Da war mir klar, dass Udo in irgendwelche unsauberen Sachen verwickelt war. Ich habe ihn zur Rede gestellt. Er ist wütend geworden und hat den Gefrierschrank umgestoßen, sodass er auf mich fiel. Dann hat er das Silberzeug aus dem Besteckkasten in eine Plastiktüte gepackt und sich davongemacht!« Hunold hob hilflos die Schultern. »Mich hat er hier liegen gelassen. Wenn der Junge und seine Freundin mich nicht gefunden hätten...«
Seine Freundin! Betty wurde rot, aber als sie sah, dass auch Stefan rot wurde, fand sie das gar nicht mehr schlimm. Stefan ihm denn jetzt schon wieder verdächtig vorkam. Dann fiel auch ihr es auf. »Der Mann lügt ja!«, sagte sie. Die Feuerwehrmänner schauten sie verblüfft an. Stefan hatte schon sein Handy herausgeholt. »Kriminalpolizei?«, fragte er. »Kann ich mal Kommissar Hansen sprechen?«
»He!«, meinte der Einsatzleiter der Feuerwehr. »Wie kommt ihr beiden darauf, dass der Schrotthändler hier nicht die Wahrheit erzählt hat?«
Betty zwinkerte Stefan zu. »Aber das ist doch ganz logisch!«
Und Stefan sagte: »Herr Hunold hat bestimmt zusammen mit seinem Neffen Udo den Einbruch beim Grafen begangen. Sie haben die Beute hier versteckt und sind heute wohl darüber in Streit geraten - und dann hat sich Udo damit davongemacht und seinen Komplicen hier hilflos liegen gelassen.«
Was war Stefan und Betty aufgefallen?
Lösung:
Der Schrotthändler behauptete, sein Neffe habe den schweren Gefrierschrank allein zur Seite gehoben, um an die versteckte Beute zu kommen. Das konnte nicht stimmen: der Schrank war so schwer, dass erst zwei Feuerwehrleute es schafften, ihn beiseite zu heben. Also konnte auch Udo nur mit Hunolds Hilfe den Schrank zur Seite bewegt haben.
03. Diebstahl in der U-Bahn
In der U-Bahn herrschte wieder einmal das übliche Gedrängel - wie jeden Dienstag, wenn sie nur fünf Stunden hatten und deshalb in den Mittagsverkehr gerieten. »He!«, protestierte Max, als Stefan ihm beim Einsteigen auf den Fuß trat.
»Sorry!«, sagte Stefan, aber in Wirklichkeit war es ihm irgendwie egal, denn in diesem Moment kam Betty über den Bahnsteig gehetzt. Sie schaffte es gerade noch in den Wagen.
Max fand, dass sich Betty ziemlich auffällig für Stefan interessierte. Das lag wahrscheinlich daran, dass Stefan Skateboard fuhr und so blond war wie die Jungs von der Boygroup, für die alle Mädchen in Moment schwärmten.
»Ich habe gehört, dass ihr Detektiv spielen wollt?«, meinte Max zu Stefan und Betty. »Stimmt das?«
Betty musterte Max. Max war etwas kleiner als sie, und auch ein bisschen weniger sportlich. Aber dafür hatte er ein nagelneues Smartphone dabei.
»Detektiv spielen?«, fragte sie grinsend. »Lass mich raten: Du willst dabei mitmachen?«
Max nickte. »Ich kann alle Informationen heranschaffen. Ich habe einen neuen Computer daheim, mit superschnellem Internet-Anschluss und...«
»Detektive brauchen keine Computer!«, meinte Stefan. »Detektive brauchen Beobachtungsgabe, logisches Denkvermögen und Intuition.«
»Hab ich auch!«, meinte Max. Natürlich hatte er das. Hatte das nicht jeder?
Betty war seltsam still geworden. Sie stieß Stefan an. »Siehst du das?«
Ein schlanker, gut gekleideter junger Mann mit Gel im Haar hatte seine Hand in den Rucksack einer blonden Frau geschoben, die sich gerade mit ihrem Stadtplan beschäftigte. Allem Anschein nach war die Blondine eine Touristin. Und der Mann…
»Der klaut!«, zischte Max.
»Und zwar ziemlich geschickt!«, kommentierte Betty. Immerhin war ihr Vater ein Variete-Zauberer und hatte ihr ein paar Taschendieb-Tricks beigebracht.
Der junge Bursche zog ein grünes Portmonee aus dem Rucksack der Blondine und wandte sich dann schnell um.
»Nächste Haltestelle Burgplatz!«, kam die Ansage aus den Lautsprechern.
»Wir müssen die Polizei holen!« Stefan hantierte mit seinem Handy.
»Hier im Tunnel funktioniert dein Handy nicht!«, belehrte Max ihn: »Aber auf dem Bahnsteig stehen immer Männer vom Sicherheitsdienst. Sagt denen Bescheid. Ich halte den Dieb auf!«
Ehe die beiden noch fragen konnten, was er damit meinte, stoppte die U-Bahn auch schon. Stefan und Betty drängten sich nach draußen, um nach den Männern des Sicherheitsdienstes Ausschau zu halten. Auch der Dieb hatte es auf einmal ziemlich eilig - er stieg aus und ließ dabei das Portmonee fallen. Als er sich zur Rolltreppe wandte, zerrte Max auf einmal an seiner Jacke und rief mit weinerlicher Stimme: »Nein, bitte, Vati, lass mich nicht alleine, bitte, bitte nicht!«
Die ersten Leute wurden aufmerksam, als der Dieb versuchte, sich von Max loszumachen. Max klammerte sich aber noch fester an ihn und jammerte weiter: »Ich will nicht zurück ins Heim! Ich möchte weiter bei dir bleiben.«
Der Dieb sah sich hektisch um. »Unerhört!«, sagte eine Frau.
»Der arme Junge!«, meinte jemand anderes.
»Das ist nicht mein Junge!«, schrie der Dieb. Er versuchte wegzulaufen, aber Max hielt ihn fest. Und dann tauchten auch schon Betty und Stefan mit zwei Wachmännern auf.
Zehn Minuten später saßen Max, Betty und Stefan im kargen Wachzimmer des Sicherheitsdienstes. Fenster gab es nicht, denn das Büro lag gleich am Bahnsteig auf der untersten Ebene der U-Bahn-Station. An den Metalltischen spielten ein paar Wachleute Skat.
Hinter einer Glastür, im Büro des Schichtleiters, wurde im Moment der Taschendieb befragt. Die Polizei war auch schon verständigt. Am Wachtisch mit den zahlreichen Videomonitoren knatterte der Sprechfunk. »Wir haben die blonde Touristin gefunden, die bestohlen worden ist!«, meldete sich eine Streife, die am nächsten Bahnhof gewartet hatte. »Wir bringen sie mit der nächsten U-Bahn zum Burgplatz zurück.«
Max lächelte zufrieden. »Damit hätten wir den Fall ja aufgeklärt!« Betty musterte ihn - zum ersten Mal richtig, wie es Max vorkam. »Das war eine gute Idee von dir, um den Dieb aufzuhalten!«, sagte sie.
»Detektive müssen nicht nur logisch denken, sondern auch improvisieren können!«, sagte Max.
Stefan schüttelte ungläubig den Kopf. »Nun hör dir diese halbe Portion an!«, grinste er.
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