»Herr Schreiber hat gesehen, wie der Täter das Opfer in die Garage geschleift hat und dann den Bentley hineinfuhr«, sagte der Streifenführer. »Wir gehen davon aus, dass der Täter dann das Garagentor schließen wollte, um dann in aller Ruhe im Haus nach Wertgegenständen zu suchen.«
»Soso!«, meinte der Kommissar nur.
»Der Junge hier kann alles bezeugen!«, sagte Schreiber und deutete auf Stefan.
Der Kommissar zwinkerte Stefan zu. »Ja? Kannst du das?«
Stefan trat von einem Fuß auf den anderen. »Ich denke, Herr Schreiber lügt!«, meinte er. »Den maskierten Täter hat es gar nicht gegeben. Herr Schreiber selbst hat Herrn Kienzle niedergeschlagen! Die Geschichte mit dem Überfall hat er sich schnell ausgedacht, als ich plötzlich in der Auffahrt aufgetaucht bin und die Polizei gerufen habe. Fliehen konnte er dann auch nicht mehr, weil er sich dann sofort verdächtigt gemacht hätte. Also hat er weiter den zufälligen Zeugen gespielt.«
Schreiber schnappte nach Luft. »Das ist... Sie werden doch diesem Bengel nicht glauben?«
Der Kommissar lächelte nur knapp und fuhr Stefan durchs Haar. »Warum sollte ich meinem Sohn denn nicht glauben, Herr Schreiber oder wie Sie auch sonst heißen?«
Schreiber starrte Stefan an. Der sagte nur: »Sonst mische ich mich ja nicht in die Arbeit meines Vaters ein, aber hier war ich ja sozusagen von Anfang an dabei. Es gibt einen ganz klaren Beweis, dass Ihre Geschichte von dem Überfall nicht stimmt.«
Was war Stefan aufgefallen?
Lösung:
Schreiber behauptete, der unbekannte Täter habe Kienzle niedergeschlagen, ihn dann in die Garage geschleift und anschließend den Bentley hineingefahren. Doch in der Garage hatte Stefan gesehen, dass die Reifenspur des Bentley die Schleifspur des bewusstlosen Kienzle überlagerte. Das bewies eindeutig, dass zuerst der Wagen in die Garage gefahren worden war, ehe Kienzle hineingezerrt wurde. Damit war Schreiber als Täter überführt.
Betty hatte nichts gegen Stefan. Überhaupt nicht. Betty mochte Stefan sogar, und das nicht nur, weil er ihr gerade seine Matheaufgaben zum Abschreiben gegeben hatte. Bloß das Stefan sie immer »Blondie« nannte, mochte sie nicht.
»Was sagt denn dein Vater dazu, wenn du dich in seine Arbeit als Kommissar einmischst?«, fragte sie, während sie schnell die Lösungen für die drei Gleichungen in ihr Heft eintrug. Auf dem Schulhof des Einstein-Gymnasiums herrschte wie immer in der großen Pause Radau. Frau Schiller und Herr Kindler hatten Aufsicht und sorgten dafür, dass die Raucher aus der Oberstufe in ihrer Ecke blieben und es keine Prügeleien zwischen den Jungs aus der Unterstufe gab.
Stefan zuckte mit den Schultern. »Warum soll mein Vater etwas dagegen haben? Schließlich will ich später auch mal zur Kripo!«
»Ach!« Betty klappte ihr Matheheft zu.
»Mein Vater bildet neben seiner Arbeit im Einbruchsdezernat junge Polizisten an der Polizeischule aus und gibt Kurse für Kollegen aus anderen Städten«, erklärte Stefan.
»Klingt interessant!«, meinte Betty.
Stefan sah sie an.
»Ist was?«, wollte sie wissen.
»Du bist im Zirkus aufgetreten?«
»Im Varietee«, berichtigte Betty. »Als Assistentin bei meinem Vater. Er möchte, dass ich später einmal seine Nummer übernehme.«
»Und was für eine Nummer ist das?«
Betty hielt Stefan grinsend seinen Schlüsselbund hin. »Er ist einer der besten Zauberer, die es gibt. Seine Spezialität sind Taschendieb-Tricks.«
Stefan starrte verblüfft auf seine Schlüssel. »Du hast doch nicht etwa...«
Mit einem zufriedenen Lächeln gab Betty ihm den Schlüsselbund zurück. »Doch, hab ich.«
»Ich habe gar nichts gemerkt!«, sagte Stefan.
Wieder grinste Betty. »Natürlich nicht! Sonst hätte ich ja auch was falsch gemacht. Bei einem Taschendieb merkst über überhaupt nichts!« Und damit hielt sie Stefan sein Portmonee hin, das er eben noch in der Hosentasche gehabt hatte.
Dass Stefan Betty am Nachmittag auf der Wiese neben dem Recyclinghof wiedertraf war reiner Zufall. Oder auch nicht, denn irgendwie hatte er sich daran erinnert, wie sie gesagt hatte, dass sie nachmittags manchmal auf der Wiese wäre. Betty hatte eine Decke ausgebreitet und brütete über ihren Englisch-Aufgaben.
»Hi!«, sagte sie, als Stefan auftauchte. »Bist du in Englisch genauso gut wie in Mathe?«
»Geht so«, meinte Stefan. Jedenfalls waren sie zusammen gut genug, um die Aufgaben ziemlich schnell fertig zu machen.
»Super!« Betty verstaute ihre Sachen in ihrem Rücksack. Als ihr Handy herausfiel, hob Stefan es auf. »Gibst du mir deine Nummer?«
»Wozu?«
Stefan wedelte mit seinem Handy. »Damit ich dir schreiben kann. Und zum Anrufen.«
»Du willst mich anrufen?
»Warum nicht?«
»Na gut.«
Stefan programmierte gerade Bettys Nummer ein, als drüben auf dem Recyclinghof ein Motor aufheulte und gleich darauf Reifen quietschten. Ein dunkler Volkswagen schoss aus der Einfahrt raste davon.
»Komisch!«, sagte Betty.
Stefan spitzte die Ohren. »Ich glaube, da ruft jemand um Hilfe!«
In einem großen Bereich des Recyclinghofes türmten sich meterhoch alte Waschmaschinen, Kühlschränke und Küchenherde. Weiter hinten waren Autowracks gestapelt, und überall gab es Haufen mit Metallschrott. »Altmetall Gert Hunold« stand auf der Tafel über dem properen Bürocontainer.
»Hallo?«, rief Betty.
Nichts.
Stefan kletterte die Metallstufen zum Bürocontainer hoch und sah drinnen nach. Der Platz hinter dem abgestoßenen Schreibtisch war leer. Auf dem Computermonitor flimmerte der Bildschirmschoner. »Niemand da!«, meldete er.
Betty spitzte die Ohren. »Da hinten!«
»Da hinten« war hinter dem Bürocontainer, und da fanden sie schließlich den Schrottplatzbesitzer. GERT stand auf dem Etikett an der Brust seines verdreckten Blaumanns. »Hilfe!«, stöhnte Gert Hunold. Er lag mit den Beinen unter einem zerschrammten Gefrierschrank. Um ihn herum türmten sich ausrangierte Küchengeräte.
Stefan versuchte den Gefrierschrank anzuheben. »Ich schaffe es nicht!«, stöhnte er. »Los, Betty, fass mal mit an!«
Aber auch gemeinsam gelang es ihnen nicht, den schweren Schrank hochzuheben. Stefan zog sein Handy heraus und wählte den Notruf. »Ich rufe die Feuerwehr!«
Der Schrotthändler verdrehte die Augen. »So ein verdammter Mist!«, fluchte er. »So ein Mist, verdammter!«
»Tut Ihnen was weh?«, fragte Betty. »Haben Sie sich was gebrochen?«
Gert Hunold schüttelte heftig den Kopf. »Ich glaube nicht. Ich hänge hier nur fest!«
Während Betty sich um Hunold kümmerte, sah Stefan sich um. Die Stelle, an der der hohe Gefrierschrank gestanden hatte, war noch deutlich zu erkennen. Die Umrisse des Rahmens hatten sich im Boden eingedrückt, das Gras unter der Standfläche war gelb. Direkt daneben blitzte etwas in der Sonne. Ein silberner Löffel, mit einem Wappen am Stiel. Zwei frische Fußspuren konnte Stefan noch in dem Matsch ausmachen. Die eine - eine geriffelte Gummisohle - stimmte genau mit den Gummistiefeln des Schrottplatzbesitzers überein. Die andere war ebenso frisch und stammte offenbar von ein Turnschuhen. Nur knapp einen Meter weiter lag ein leerer Besteckkasten, der so neu war, das er zwischen dem Schrott auffiel. »Leer!«, stellte Stefan fest, als er den Kasten öffnete.
»Was ist denn?«, flüsterte Betty.
»Irgendwas stimmt hier nicht!«, erwiderte Stefan ebenso leise.
Ehe er erklären konnte, was er meinte, rollte schon der Einsatzwagen der Feuerwehr auf den Platz. Der Einsatzleiter erfasste die Lage von Gert Hunold sofort und versuchte, den Gefrierschrank anzuheben. Doch es gelang ihm nicht, ihn von der Stelle zu bewegen. Erst als ihm ein Kollege zur Hand ging, schafften sie es gemeinsam, den Schrank zur Seite heben. Stöhnend setzte der Schrotthändler sich auf. Er betastet seine Beine. »Alles heil!«
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