Hendrik Asten
Durch und durch
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Inhaltsverzeichnis
Titel Hendrik Asten Durch und durch Dieses ebook wurde erstellt bei
Über das Buch Über das Buch Es ist 1953 als Lisa ihre Stelle als Lehrerin antritt. Durch den Kollegen und Galeristen Kurt Nollendorf kommt sie jedoch wieder mit der Malerei in Berührung, ihrer eigentlichen Leidenschaft. Als ihr Jugendfreund aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrt, kann sie sich ein Leben an seiner Seite als Hausfrau nicht mehr vorstellen. Kunst, Kurt und die Schülerin Marion erwecken in ihr ein anderes Bedürfnis. Ein delikater Vorfall an ihrer Schule erleichtert ihre Entscheidung, in Italien einen neuen Anfang als Malerin zu versuchen. Der Weg dahin ist nicht ganz einfach, aber sie ist nicht alleine.
1944 - Gut Hollstein
Mai 1945
1947 - Gut Hollstein
Düsseldorf
Die Pension
Die Schule
Die Stadt
Marion
Abstrakte Kunst
Herbert
Engländer
Unterricht
17. Juni 1953
Die Galerie
Das Angebot
Zeichnen gegen die Angst
Vermisst
Lisa und Kurt
Leichtigkeit
Lisa und Marion
Der Fund
Kunstrichtungen
Ein neuer Versuch
Die Beichte
Freunde
Das Komplott
Exkurs: Souvenirs für Engländer
Eskalation
Suche nach den Schuldigen
Wiedergutmachung
Der Abschied
Die Dame
Der Auftrag
Ägypten
Kurt und Marion
Schuldgefühle
Kurt und die Kunst
Nollendorf
Marion und Lisa 2
Napoleon
Aufbruch
Auf nach …
Ankunft
Das Weingut
Das Porträt
Das Fest
Giovanni
Die Schuld
Vendemmia
Fotografie
Krise
Lysergsäurediethylamid
Lisa und Marion 3
Ausklang
Impressum neobooks
Es ist 1953 als Lisa ihre Stelle als Lehrerin antritt. Durch den Kollegen und Galeristen Kurt Nollendorf kommt sie jedoch wieder mit der Malerei in Berührung, ihrer eigentlichen Leidenschaft. Als ihr Jugendfreund aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrt, kann sie sich ein Leben an seiner Seite als Hausfrau nicht mehr vorstellen. Kunst, Kurt und die Schülerin Marion erwecken in ihr ein anderes Bedürfnis. Ein delikater Vorfall an ihrer Schule erleichtert ihre Entscheidung, in Italien einen neuen Anfang als Malerin zu versuchen. Der Weg dahin ist nicht ganz einfach, aber sie ist nicht alleine.
Es wird bald vorbei sein. Ein Tupfer Blau. Herbert ist der Richtige und er hat Glück. Es wird bald vorbei sein. Er riecht so herb, angenehm herb, nicht wie alter Schweiß, nicht wie Knecht Alfred. Die Felder – mehr Braun. Es ist schon geerntet. Ein Herbstbild. Dieses Licht! Durch die aufsteigende Feuchtigkeit verwischen die Konturen. Ja, sie hat gehört von den Impressionisten. Sie, die nie so malt, heute ist sie eine Impressionistin. Wie lange noch?
„Jetzt ziehen sie auch die ganz Jungen und die Alten.“ Bauer Hollstein schüttelt heftig den Kopf. Vor sich hat er den „Völkischen Beobachter“. Die Ärmel hochgekrempelt hält er das Blatt weit von sich, als wolle er es nicht an sich heranlassen. Er liest: „Deutsche, wir müssen kämpfen und alle Kraft aufbieten.“
Die Frau blickt auf. „Herbert“, fragt sie mit flacher, kraftloser Stimme. „weiß Lisa es schon?“
„Ich habe ihr gesagt, dass Alfred vergessen hat, die Zeitung zu holen. Herbert wird es ihr wohl heute selbst sagen.“
„Wie lange noch?“, fragt sie, ohne mit einer Antwort zu rechnen.
Lisa tupft gerade braune und gelbe Blätter auf die Leinwand, als sie am Himmel eine Bewegung wahrnimmt: Schwäne im Schwarm. Weißgrau gegen Blau. Sie schüttelt den Kopf und dann malt sie sie doch, denn es wird bald vorbei sein.
In ihrem Zimmer stellt Lisa die Staffelei in die Ecke und das Schwanenbild zu den anderen, die aneinander gelehnt an der Wand stehen. Sie wechselt ihre Kleidung, tauscht Rock und Bluse gegen Baumwollhemd und Männerhose. Der Vater empfängt sie im Stall nur mit einem kurzen Nicken, fragt nicht, ob sie Glück hatte. Es liegt etwas in der Luft, aber was? Sie nimmt eine Forke und beginnt ihre Arbeit. Immer wieder blickt sie hoffnungsfroh zur Tür, was der Vater zur Kenntnis nimmt.
Herbert strampelt vergnügt gegen den Wind. Der Feldweg ist holprig und er muss oft den Unebenheiten ausweichen. Aber das macht er beschwingt und nahezu elegant. Schließlich hat er heute die frohe Botschaft bekommen. Was will ein Mann mehr? Endlich dabei! Schon vor dem Hof klingelt er und ruft nach Lisa.
Im Stall hören Lisa und der Vater Herberts Fahrradklingel. Lisa blickt fragend zum Vater, der wieder nur nickt. Sie läuft jedoch nicht auf den Hof, sondern durch die Hintertür ins Haus.
In der Küche steht die Mutter.
„Zieh doch dein neues Kleid an.“
„Das Neue? Ist was?“
„Nein, nein, nur so.“
Auch die Mutter ist heute anders, denkt Lisa. In ihrem Zimmer wäscht sie sich an der Waschschüssel und blickt zwischendurch immer wieder durch das Fenster auf den wartenden Herbert. Aber sie nimmt nicht das neue Kleid.
Dann sitzt sie vor Herbert auf der Fahrradstange. Sie singen. Herbert weicht im letzten Moment vor einem Stein aus, das Fahrrad schlingert und Lisa jauchzt. Aber sie schaffen es, nicht umzustürzen. Am Rand einer Lichtung streicht Herbert ihr sanft über den Rücken. Lisa genießt es, bleibt aber in züchtiger Haltung und hält schließlich seine Hand fest.
„Ich kann es mir schon vorstellen: Wir werden in der Stadt wohnen, eine große Familie haben und …“
„Und …“?
„Endlich ins Theater, in die Oper, ins Museum gehen können.“
„Davon träumst du?“, fragt er skeptisch.
„Ja! Du nicht?“
„Wir sind im Krieg, Lisa.“
„Aber der wird doch bald vorbei sein. Und du wirst nicht belangt werden können, weil du nicht dabei warst.“
„Doch, Lisa, ich werde dabei sein. Ich habe meine Einberufung erhalten.“
Lisa ist entsetzt. „Nein! Jetzt noch?“
„Ich bin stolz darauf, schließlich bin ich ein Mann!“
„Du bist ein kleiner dummer Junge, wenn du dich auf den Krieg freust. Du musst dich verstecken, es hat doch keinen Sinn mehr“, versucht sie es mit zitternder Stimme.
„Doch, Lisa, das hat es, wenn wir alle daran glauben.“ Herbert steht auf, verschränkt die Arme. „Soll alles umsonst gewesen sein? Alles, was in den letzten Jahren wichtig war? Die vielen Opfer, die Entbehrungen, die Ideale. Unsere Aufgabe ist eine ganz große!“
Lisa schüttelt den Kopf: „Das ist wohl nicht mehr so“, sagt sie und blickt ratlos von unten auf den Möchtegernmann, der sein Kinn, wie ein Soldat beim Befehlsempfang, entschlossen nach vorne streckt, der jetzt um so viel mehr ernster wirkt, als sie ihn kennt. Bald wird es vorbei sein, denkt sie wieder, aber diesmal beruhigt es sie nicht. Sie hat Angst.
„Lisa, ich tue nur meine Pflicht!“ Auch seine Stimme ist nicht mehr dieselbe.
Nun steht auch Lisa auf, blickt aus Verlegenheit auf die Lichtung, weil sie nicht weiß, wie sie ihm begegnen soll. Sie als Soldatenbraut. Dann schaut sie ihm in die Augen, will es noch einmal versuchen. Vielleicht kann sie ihn doch umstimmen, ihn an die gemeinsame Zukunft erinnern. Oft hat ihr Blick ihn erweichen, von etwas abbringen können. Aber als sich ihre Blicke treffen, wird ihr klar, dass es diesmal anders ist.
„Es geht wohl nicht anders?“
Herbert schüttelt den Kopf.
Lisa umarmt ihn fest, sehr fest, will ihn halten, festhalten. Aber es ist, als ob sie einen Stein umarmt. Er lässt sich eher zerdrücken, als dass er weich wird und sie spürt.
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