1 ...6 7 8 10 11 12 ...17 Wie man hieraus sieht, hatten unsere Ahnen das Bestreben, auch die fremdsprachigen Namen zu verdeutschen. Erst mit der völligen Herrschaft der römischen Sprache in der Kirche, Justiz und Schule, ganz besonders im Zeitalter der Renaissance, das heißt der wiederauflebenden Begeisterung für die alten Griechen und Römer, die man den Humanismus nannte, fingen die Gebildeten an, fremdsprachige Namen sich zuzulegen und die deutschen Namen lateinisch und griechisch umzumodeln und so wurde aus dem Schneider ein Sartor, aus dem Schuster ein Sutor, aus dem Wagner ein Rutor, aus denn Schwärzer ein Melanchthon, aus dem Holzmann ein Xylander, aus dem Zimmermann ein Faber, aus dem Hirt ein Pastor, aus dem Bäcker ein Pistor, aus dem Maler ein Piktor, aus dem Senf ein Sinapius, aus dem Bauer ein Agrikola. Mit der Reformation und ihrer eifrigen Verehrung der Bibel nahmen besonders fromme evangelische Leute auch altjüdische Namen wie David, Josua, Samuel, Saul usw. an. Als nach dem Dreißigjährigen Kriege der französische Einfluss in Deutschland das Bürgertum übertünchte, gab es Familien, die ihre Namen französisierten und mit ihrer Anbetung des Fremdtums bis auf den Hund und die Katze kamen, die sie Ami, Scholi, Lotte u. dgl. tauften. Mit dem Jahr 1870 besann sich das deutsche Volk wieder auf sich selbst und sein Reichskanzler Bismarck brachte als Staatsmann die deutsche Sprache wieder zu Ehren. Nach seiner Entlassung trat aber ein Rückfall ein, indem anstelle der Französelei die Engländerei trat, die uns aber im Weltkrieg mit Skorpionen heimgezahlt wurde. So zeigt uns auch die Namenforschung das Deutschtum in aufsteigender und erniedrigender Stellung.
Den Franken war das Deutschtum im Blut gelegen, sonst hätten sie nicht vor zwölfhundert Jahren die überlegene Kraft besessen, alle deutschen Stämme zu umfassen und ihnen ihr Gebot aufzuzwingen. Und ihrem deutschen Bewusstsein und Willen gaben sie auch durch die Namen Ausdruck, die sie den von ihnen im eroberten Lande gegründeten Orten und Burgen gaben. Während es bei uns noch in der neuesten Zeit Mode war, Schlösser, Landhäuser, Gasthöfe, Bäder und Geschäftsschilder mit französischen oder englischen Namen und Aufschriften zu verschandeln und dadurch den bedientenhaften Geist vor aller Welt zu zeigen, besaßen die alten Franken die stolze Eigenart, vor allem ihren Burgen deutsche Namen zu geben, die sie dem Boden entnahmen, wo sie einst die rote Fahne mit dem schwarzen Adler aufgepflanzt hatten. Darum bestrebten sie sich auch in Ostfranken die keltischen Worte und Namen möglichst zu verdeutschen und die verschiedenen Gewerbe mit deutschen Bezeichnungen zu benennen. Trotzdem blieb der seit Jahrhunderten wirkende Einfluss der keltischen Sprache in unserer fränkischen Volksmundart fortbestehen. Er zeigte sich besonders in der Menge der einsilbigen Wörter und namentlich in der auffälligen Gewohnheit, dass beim Infinitiv der Zeitwörter nur der einsilbige Stamm gesprochen und die bei den eigentlichen Franken und den übrigen Deutschen übliche Endsilbe „en“ weggelassen wird. So sagt man nicht: machen lassen, sondern: lass mach usw. Diese Redeform, ein Erbteil aus der keltischen Zeit, findet sich auch noch in England und Frankreich. Es fehlt auch bei uns nicht an keltischen Ausdrücken, so sagt man statt „hüben und drüben“ häufig noch „häßt agäst“ (das englische against = gegen, gegenüber). In der Rhön befiehlt der Bauer seiner Tochter: Hol a Läpper Brönn — das heißt einen Krug Wasser usw. Wer vergleichende Sprach- und Dialektstudien getrieben hat, der wird mir beipflichten, dass außer der Volkssitte und dem Volksaberglauben nichts standfester ist als die Volksmundart, die die Worte in der ursprünglichen Aussprache, Satzstellung und Bedeutung von Geschlecht zu Geschlecht überliefert, selbst wenn sie in Schriftstücken amtlich geändert oder irrtümlich verdorben wurden. So hat sich der ursprüngliche Dialekt der bayerischen, sächsischen, fränkischen und schwäbischen Auswanderer, die sich vor Jahrhunderten in Ungarn und Siebenbürgen angesiedelt hatten, unversehrt erhalten. Weil man aber bei uns auf diese Besonderheiten der Aussprache keine Rücksicht nahm, fand man für viele Namen gar keine, für andere eine ganz falsche Deutung. Darum wurde die Forschung nach der Herkunft vieler Familiennamen ungemein erschwert. Sie leidet eben immer noch an der deutschen Erbsünde, dass sie nicht beim Volk in die Schule geht, nicht an ihm und aus ihm lernt, sondern in die Ferne schweift, obschon das Gute und Richtige am nächsten liegt. Hierdurch wurde eine heillose Verwirrung angerichtet. Statt die für die Volkskunde so wichtige Namensforschung zu erleichtern, wurden deren Schwierigkeiten noch gehäuft. Allerdings ist es für Gelehrte norddeutscher und fremdländischer Abkunft — und gerade diese gelten auch für die mitteldeutsche Sprachforschung als Autoritäten — kaum möglich, die verschiedenen mitteldeutschen Mundarten mit ihrer eigenartigen Aussprache, Betonung und Wortdeutung mit dem Ohr zu packen, mit dem Verstand zu fassen und mit der Feder zu erklären.
Daher kommen dann die schiefen Ansichten und falschen Darstellungen in gelehrten Werken. So findet der Sprachforscher Dr. Albrecht Wirth bayerische Ortsnamen im Kaukasus (!) wieder und will damit die Völkerwanderung vom Kaukasus in die Alpenländer erklären. Der Gipfel des Unsinns wird von ihm erstiegen, indem er den Ort Leoni am Würmsee mit den Lebuini im Kaukasus in Verbindung bringt, obschon es feststeht, dass der königlich bayerische Kapellmeister Leoni in dem Ort Assenbuch ein Landhaus besaß, das später als Wirtshaus Leonihaus hieß und dem Ort seinen Namen gab. Sogar den Münchener Schimpfnamen Pazi leitet Professor Wirth von dem kaukasischen Batsi und der Silva Bacenis des Tazitus, statt vom — Lumpazi ab. Andere Gelehrte leiten viele Bezeichnungen unterfränkischer Personen-, Orts- und Flurnamen, statt ihrem Ursprung auf dem heimischen Boden und Volke nachzugehen, von lateinischen, angelsächsischen, gotischen und wendischen Wortstämmen ab, obwohl die Römer, Angelsachsen, Goten und Wenden unser Unterfranken niemals besetzt, also auch hier ihre Sprache nicht verbreitet haben. Selbst der fränkische Pfarrer Anton Schumm, der Verfasser des Unterfränkischen Ortsnamenbuches, hat in der Mundart seines Volkes nicht den Urquell seiner Forschungen erkannt. So kam er auch nicht dazu, die Irrtümer in den Wörterbüchern der nichtbayerischen Gelehrten, welche ihr Licht über Mittel- und Süddeutschland erstrahlen ließen, noch die argen Fehler der Katastereinträge und Kartographen zu korrigieren. Um nur einige markante Ortsnamen zu erwähnen, leitet er das Dorf Eckarts von „Eckhard“, das heißt von Eck (die Eiche) und Hard (der Wald) ab. Das Dorf hat aber bis zur Katasteranlegung Mäckers (von dem Mäckern der dort heimischen Ziegen hergeleitet) geheißen und heißt heute im Volksmunde nicht anders. Zeitlofs leitet Schumm von dem Personennamen „Zeitlof, Diedlof und dieses von dem gotischen Thiud oder Theut, einem den Kelten und Thüringern unbekannten Gott oder sagenhaften Helden“, ab. Das Dorf hieß aber bis zur Geburt des Katasters und heißt heute noch im Volksmunde Zeiles (von Zeile, nach der Bauart des Dorfes). Detter leitet Schumm gleichfalls von Theut, „Ort eines Deutschen“, ab, statt von Detter (dem Euter der Kühe und Ziegen), wovon auch Dettelbach, Dettingen und Duttenbrunn abstammen, denn Detter hat wie Dutten die gleiche Bedeutung und heute noch heißt in Altbayern Dutten das Euter. Die Gelehrten behaupten aber, dass all diese Ortsnamen von Thiud oder Theut abstammen. Und Einer schrieb es vom Andern ab. Die Summe dieser übereinstimmenden Meinungen und Behauptungen kristallisieren sich dann in der gelehrten Welt und bei ihren Nachbetern zu einem feststehenden Zeugnis der unfehlbaren wissenschaftlichen Autorität. Eine Änderung und Besserung trat bei uns erst mit der Gründung des „ Vereins für Volkskunde “ durch den Würzburger Prof. Dr. Brenner (†1920) und den leider zu früh verstorbenen Volksschullehrer Schmidtkonz ein, die beide um die Erklärung der Orts- und Flurnamen ein großes Verdienst sich erworben und auch mir wertvolle Anregungen gegeben haben. Das Verständnis des Volksmundes ist und bleibt die Voraussetzung für die Sprach-, Heimat- und Volkskunde. Sehr schön sagt Ludwig Bechstein:
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