1 ...8 9 10 12 13 14 ...17 Die Pflege der Musik, die zum Beruf der Druiden gehört hatte, erhielt sich nach deren Vertreibung bei uns nicht bloß durch den Tellert, sondern auch durch den Baggertoder Backert. Das Wort hat nichts mit Beckert, dem Bäcker, zu tun, sondern stammt von bag = Sack. Der bei uns noch häufige Personenname Backert erinnert an den Dudelsack, das nationale Instrument der Kelten, das in Franken sich noch bis ins 18. Jahrhundert erhielt, heute noch bei den ländlichen Tanzmusiken in Irland und Wales gespielt wird und auch noch in England wie in Schottland gebräuchlich ist. Der Dudelsackpfeifer ist sogar der eigenartige Spielmann bei den schottischen Regimentern. Der Dudelsack heißt bei den Kelten Bagtell und bei den Engländern Bagpipe = Sackpfeife. Bei uns hat sich das Wort als Backpfeife für Ohrfeige (Ohrpfeife) erhalten, deren Wirkung manchmal in einer dem Dudelsack ähnlichen Schwellung des Backens besteht. Alle diese Worte sind stammlich verwandt. — Eine Ergänzung zum Tellert und Baggert war der Gäbert, Gebert oder Geipert, von dem Keltischen ins Englische übergegangenen Wort gab (sprich gäb), das schwätzen und fabulieren bedeutet und eine Verwandtschaft mit dem englischen Wort gay = fröhlich, lustig hat. Die Druiden erzogen ihr Volk nicht zu trübseligen Ohrenhängern, denen die Welt als ein Jammertal erschien, sondern ließen dem angeborenen Frohsinn der Leute sein Recht. Darum erscheint der Gäbert als der Spaßmacher, der Humorist, der durch drollige Einfälle, launige Späße, lustige Lieder, witzige Anekdoten und allerlei Zauberkünste seiner Umgebung einen munteren Zeitvertreib verschaffte. Der Name Gäbert und andere Namen keltischer Abkunft sind auch in Frankreich ebenso heimatberechtigt wie bei uns. Vielleicht in Erinnerung an die ursprüngliche Herkunft des Namens Gäbert legten die Franzosen ihrem berühmtesten Gelehrten des 10. Jahrhunderts, dem Bischof Gebert oder Gerbert, der als Papst den Namen Silvester II. (999-1003) führte, die Eigenschaft eines Zauberers bei und die Römer behaupteten gar, dass ihn der Teufel geholt habe. Der deutsche Gäbert hat sich bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts in den Spinnstuben unserer Frankendörfer erhalten, wurde aber samt den Spinnstuben durch die fanatischen Umtriebe, Hetzereien und Verfolgungen weltfremder Zeloten, die gegen den natürlichen Verkehr der Geschlechter maßlos eiferten und geiferten, ausgerottet. Durch die Zunahme der geheimen Sünden, widernatürlichen Laster und die traurigen Folgen des Weltkrieges (Heiratsflucht, Geburtenrückgang usw.) wurden jene verkehrten und übertriebenen Anschauungen gedämpft und allmählich wieder zur Vernunft und Natur zurückgeleitet. — Außer dem Gäbert sorgte in jeder Gemeinde ein Vollert(von fol, englisch fool ) als Poltergeist und Auftreiber, namentlich bei Hochzeiten, für Spaß und Scherz, außerdem noch der Laffert(von laff), ein anderer Eulenspiegel, der die Leute zum Narren hielt.
Die Druiden übten auch die ärztliche Kunstaus, die sie wie alle ihre Wissenschaften mit dem Schleier des Geheimnisses umgaben. Nach der Vertreibung der Druiden sank der ärztliche Beruf zum Handwerk und Pfuschertum herab. Unter den Medizinmännern nahm der Beineinrichter, der die gebrochenen Glieder einrichtete, die erste Stelle ein. Er hieß Limbert, von dem keltischen Wort limb, das im Englischen zergliedern heißt. Für die inneren und Hautkrankheiten gebrauchten die Kelten die volkstümlichen Haus-, Sympathie- und Zaubermittel, von denen mancherlei noch heute gebraucht werden. Unter ihnen befanden sich außer dem Pfriemenkraut namentlich noch geistige und gärende Getränke. Eine hervorragende Bedeutung hatte das Gill (Erdefeu), wovon der Gilbert, der Apotheker, seinen Namen hatte. Aus den Blättern, Blüten und Fruchten des Gill wurde eine Universalmedizin bereitet und außerdem zu einer Universalsalbe verwendet, die bei uns noch bis ins 18. Jahrhundert gebraucht wurde. — Neben dem Menschenarzt erscheint der Tierarzt, der Lippert, der nicht bloß die Pferde und Schweine lippelte (beschnitt) und die Tierarzneikunde betrieb, sondern auch nach der alten Meinung „was für die Tiere gut ist, das kann auch für den Menschen gut sein“ die Menschen in die Kur nahm, sowohl gebrochene Glieder einrichtete, als auch Medizinen, Salben und Zaubertränke für Mann, Weib und Kind bereitete. Als Spezialarzt übte der Helfert (von help = helfen) als Geburtshelfer die ärztliche Praxis aus. Später ist aus ihm ein Helferich geworden. Für alle möglichen Gebresten des Leibes und Geistes wurde auch der Witschertoder Wütschert, der Hexenmeister oder Hexenbanner beigezogen. Der Wütschert kommt als Personennamen bei uns noch öfter vor, ohne dass Jemand eine Ahnung von seiner Herkunft hat. Er stammt nämlich von dem keltischen Wort Witsch ab, englisch witch , das noch heute die Hexe heißt. Was eine Witsch ist, das erzählt uns in Buchers „Karfreitagsprozession“ ein Pater Kapuziner: „Ist zu mir auch einmal eine gekommen und hat's gewagt und sich schon hinaufg'legt g'habt auf mich nach aller Schwere. Ich merk's aber, rumpl auf und gleich J. N. R. J. (im Namen Jesu) und nach dem Weihbrunnkrügel tappt. Witsch ist's draus g'wesen.“ — Bruder Berthold von Regensburg, der im 13. Jahrhundert seine Predigten niedergeschrieben hat, erwähnt neben dem Gickelvech (Gockelvieh) den Wütschenbrün (das Totenkäuzlein). Etwas später führt Konrad von Megenberg, der seinen Namen von seiner Geburtsstätte Mainberg oder Majenberg abgeleitet hat, in seiner Naturgeschichte, dem ersten deutsch geschriebenen Werk dieser Art, den Wütsch oder Wutsch als den Nachtvogel, Steineul, Strix oder Ama an, der bekanntlich heute noch von den abergläubischen Leuten als Totenkündiger gefürchtet wird. Das mittelalterliche Hausbuch nennt den gelbblühenden Ginster (Pfriemenkraut, Spartium) das Witschen, das stellenweise auch Hexenkraut genannt wird. Auf Besen aus Pfriemkraut fahren die Hexen in der Trudennacht — Walpurgisnacht, 1. Mai — aus und halten auf Kreuzwegen und gewissen Orten wie auf dem Blocksberg ihre Kränzchen und Tänze ab. Das junge Volk auf dem Lande pflegte bei diesem Anlass auf dem Kuhhorn zu tüten und mit der Geißel zu schnalzen, um die Unholden auszuplatschen. Eine aus der keltischen Zeit stammende Sitte, auf den Türschwellen, Türen und Bettstellen das Fünf- oder Sechseck — den Drudenfuß — anzubringen, um die bösen Geister und Hexen abzuhalten, ist bis heute geblieben. Nur wird seit längerer Zeit anstelle des Drudenfußes ein dreifaches Kreuz mit den Anfangsbuchstaben der Hl. drei Könige C. M. B. (Caspar, Melchior, Balthasar) angebracht. (Über das Fünf- oder Sechseck siehe Näheres in dem Kapitel über die Pythagoräer und ihre Zahlenmystik.)
In einem altvlamischen Volkslied, dem Toveressenlied (Zauberlied) wird der Hexenspuk geschildert. Darin kommt die Stelle vor:
Om middernacht by mondenscheen
Der Druiden lag oft zynen steen,
Daar kwam de jonckvrouw door den bosch
De rave kraayt, den uil vliegt los!
Zu Deutsch:
Um Mitternacht bei Mondenschein
Der Druide lag auf seinem Stein,
Da kam die Jungfrau durch den Busch,
Der Rabe krächzt, die Eul' fliegt husch!
Julius Cäsar hat uns wohl von den Druiden berichtet und ihren großen Einfluss angedeutet, aber sie nicht in Verbindung mit den Auswüchsen des Volksaberglaubens gebracht, denen nachher die Kelten und ihre Besitznachfolger verfallen sind. Das war die eine der bösen Folgen, die überall eintreten, wo die Intelligenz gewaltsam ausgeschaltet wird. Mit der Vertreibung der Druiden war anstelle des gebildeten Priestertums der Aberglaube, anstelle der wissenschaftlichen Bildung die Einbildung, anstelle der ärztlichen Kunst die Pfuscherei, anstelle des gesunden Menschenverstandes die Hexerei getreten. Während die orientalische Kirche von den zahlreichen Hexen-Prozessen und Massenbränden verschont blieb, mit denen die römische Kirche ihren Ruf schändete, hat ein französischer Bischof sogar die Jungfrau von Orleans, die Retterin des Vaterlandes und Nationalheilige, auf den Scheiterhaufen geliefert. Die meisten Opfer aber hat der Hexenwahn gerade in den Fürstentümern des ehemaligen Keltenlandes im ganzen Gebiet des Mains, insbesondere in der fränkischen Hauptstadt Würzburg gefordert, bis der Schwedenkönig Gustav Adolf 1631 dem abscheulichen Unfug und Unflat ein für allemal ein Ende machte. Auf den Hexenwahn trifft das Wort des Dichters Geibel zu:
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