Christian Kubitza - EINE WOCHE

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Ich bin Chris, Chris Keene.
Bis vor Kurzem war alles in Ordnung.
Aber jetzt habe ich eine Trennung hinter mir, die ich nicht wollte,
zwei Millionen Dollar auf meinem Konto, das ich nie eröffnet habe,
die fristlose Kündigung wegen einer Unterschlagung, die ich nicht begangen habe
und das FBI im Nacken, das ich nicht mehr los werde.
Wie das alles passieren konnte? Ich erzähl´s euch.

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Christian Kubitza

EINE WOCHE

Ein New-York-Roman

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Inhaltsverzeichnis Titel Christian Kubitza EINE WOCHE Ein NewYorkRoman - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Christian Kubitza EINE WOCHE Ein New-York-Roman Dieses ebook wurde erstellt bei

SONNTAG

MONTAG

DIENSTAG

MITTWOCH

DONNERSTAG

FREITAG

SAMSTAG

SONNTAG

MONTAG

Impressum neobooks

SONNTAG

Ich saß ihr gegenüber und in mir kam plötzlich ein Gefühl auf, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Diese Frau kam mir fremd vor. Fremd! Nach all den Jahren gemeinsamen Lebens. Ich musterte sie unauffällig, während ihre Worte an mir vorbeirauschten. Diese Frau dort, die ich ansah, die mich ansah, die mir Dinge erzählte, die ich nur zeitweise und teilweise mitbekam, da meine Gedanken kreisten, entfernte sich auch während des Gesprächs immer weiter von mir. Wie konnte es nur sein, dass mich dieses fast unwirkliche Gefühl beschlich und man sich in nur wenigen Wochen so weit voneinander entfernt hatte? Dabei machte sie nichts falsch. Es lag einzig und allein an meinem Eindruck, meinem Gefühl. Oder doch nicht? Ich hatte bemerkt, dass sie mir nicht richtig zuhörte. Alles musste ich mehrfach erzählen, was bei mir den Eindruck hinterließ, dass sie sich nicht mehr für mich interessierte. Was wohl auch so war und mich negativ berührte. Es waren Momente, in denen man einfach alles was passierte und gesagt wurde auf sich bezieht. Dabei hätte es ja durchaus sein können, dass Julie derzeit einfach viel um die Ohren hatte und deshalb so unkonzentriert war. Auf diese Idee kam ich jedoch erst gar nicht. Streckenweise dachte ich vielmehr, dass es überhaupt keinen Sinn mehr machte, sich noch mit ihr zu unterhalten. Ich fühlte mich plötzlich unwohl. Dabei hatte ich mich auf dieses Treffen gefreut. Nun kam es mir als Zeitverschwendung vor.

„Oder nicht?“, hörte ich Julie wie aus dem Nichts fragen. Plötzlich stand eine Frage im Raum, die ich aufgrund meiner Gedankenausflüge nicht zu beantworten vermochte. Ich blickte sie stumm an, bevor mich ein „Es tut mir sehr leid, aber ich muss heute Abend noch ein paar dringende Telefonate führen“ verließ. Jetzt blickte sie mich stumm an und ich sah ein Blitzen der Verärgerung in Ihren Augen, während ich nach meiner Brieftasche griff.

Ich bat die Kellnerin um die Rechnung, bezahlte und wir verabschiedeten uns wie gute Freunde mit einer Umarmung. Mit einer Umarmung! Vor zwei Monaten lebten wir noch zusammen! Taten wir das? Heute kommt es mir so vor, als hätten wir uns lediglich die Wohnungsschlüssel, Küche, Bad und Bett geteilt, zumindest im letzten gemeinsamen Jahr. Offenbar fand da schon die Entfremdung statt. Anders konnte ich mir meine jetzigen Gefühle nicht erklären. Ich setzte mich ins Auto und fuhr davon. Irgendwie war ich erleichtert. Irgendwie aber auch wehmütig.

Zu Hause angekommen, machte ich mir erst mal einen Drink. Jetzt war einer dieser genau richtigen Momente für einen Single Malt oder auch zwei. Ich war mir zwar nicht sicher, ob das die Wehmütigkeit tatsächlich bekämpfen oder doch eher verstärken würde, aber was soll´s! Drei Whiskey und eine Dreiviertelstunde CNN später – die hatten auch nicht wirklich was Positives zu berichten – ging ich zu Bett, versuchte Julie aus meinem Kopf zu verdrängen und döste dabei allmählich immer tiefer weg.

MONTAG

Gegen sechs wurde ich wach. Der Wecker hatte noch keinen Ton von sich gegeben. Ich hatte ihn auch nicht gestellt. Shit! Ich würde verflucht nochmal zu spät kommen! Das wäre dann das dritte Mal innerhalb einer Woche. Nicht gut. Gar nicht gut! Ich schwang mich mit einem mehr oder weniger eleganten Sprung aus dem Bett und steuerte zügig das Bad an. Was war nur los mit mir? Es konnte doch nicht angehen, dass mich die ganze Sache derart runterzog. Ich stellte die Dusche an. Ich spürte die einzelnen Wasserstrahlen wie Nadelstiche auf meinen Körper niederprasseln. Ich bemerkte erst, dass das Wasser viel zu heiß war, als ich aus meinen Gedanken zurückkehrte und laut in einem mich umhüllenden Nebel von Wasserdampf aufschrie. Dieser verdammte Boiler! Entweder war das Wasser zu kalt oder aber so heiß, dass man sich gleich verbrannte. Ich entschied mich für die erste Variante und drehte den Wasserhahn mit einem Ruck zur anderen Seite. Ich zuckte zusammen, als das Wasser unmittelbar darauf eiskalt wurde. Mein Herz pochte heftig und die Halsschlagader fühlte sich an, als wenn sie herausspringen wollte. OK, das reicht. Jetzt bin ich wach genug. Ich sprang in meine Bürouniform von Armani – einem von zwei wirklich edlen Anzügen, die mir noch von vor der Finanzkrise geblieben waren – und machte mich auf den Weg zur Metro. Ich besaß zwar einen Wagen, einen zwanzig Jahre alten LeBaron Convertible, um diese Uhrzeit aber damit über die Williamsburg oder gar Brooklyn Bridge zu fahren, war nahezu aussichtlos. Ich wäre im Leben nicht um halb acht im Büro. Einer der Vorteile meines nicht geplanten Umzuges nach hier vor gut zwei Monaten. Von unserer damaligen Wohnung im zugegebenermaßen viel schöneren Jersey City auf der anderen Seite des Hudson River war ich praktisch gezwungen, mit dem Auto zur Arbeit zu fahren und jeden Morgen in einem nicht enden wollenden Stau im Holland Tunnel zu stehen. Dafür wohnten wir in einem dieser kleinen Holzhäuser am Rande des Lincoln Parks. Kein Vergleich zu der Bude, in der ich jetzt hauste. Dennoch war es damals ein Glücksgriff, überhaupt so schnell etwas zu bekommen. Und auch in New York gab es ja schließlich weitaus schlechtere Gegenden als Brooklyn. Außerdem hatte ich jetzt die Metrolinien J und M gleich vor der Türe, was einerseits gut, andererseits ein Problem war, da die Bahn vor meiner Haustüre aufgeständerte Strecke war und mir damit nahezu durch die Wohnung im zweiten Stock fuhr. Sah ich aus dem Fenster, waren die Hochgleise keine zehn Schritte entfernt. Und hier fuhr mindestens alle fünf Minuten eine Bahn, zwei Linien in beide Richtungen. Daran musste ich mich erst noch gewöhnen.

Jetzt war ich allerdings froh, dass die Bahn kam. Ich stieg in die J, die voll war wie jeden Morgen. Zu voll. Ich quetschte mich zwischen eine Zwergenfrau, sie reichte knapp an meinen Solarplexus, und einen vor Schweiß triefendnassen riesigen Kerl mit kurzer Hose, T-Shirt und Oberarmen wie Oberschenkel. Auf diesen standen ganze Geschichten in Bildern, deren Sinngehalt ich allerdings bis zu der Haltestelle, an der ich aussteigen musste, nicht zu entschlüsseln vermochte. Der Kerl stand mir auch noch im Weg, als ich endlich aussteigen wollte.

„Sorry, dürfte ich mal!“, forderte ich ihn höflich aber bestimmt auf, mich aus der Bahn zu lassen. Mit einem Grunzen machte er Platz und ich drängelte mich an den bereits einsteigenden Leuten vorbei auf den Bahnsteig Broad Street, gleich an der New York Stock Exchange. Jeden Morgen dasselbe Spiel! Mein Hemd zeigte bereits einige Schweißspuren. Zum Glück nicht so schlimm, wie ich mich fühlte. Ich hätte schon wieder duschen können. Es war ein ziemlich schwüler Augusttag, Gewitter lagen in der Luft und warteten nur darauf, sich endlich entladen zu können. Das letzte in der vergangenen Woche hatte außer überschwemmten Straßen nicht viel gebracht. Es war bereits zwei Stunden danach ebenso drückend wie zuvor, wenn nicht schlimmer. Und dann kam der Gestank durch die übertretenden Gullys hinzu. Es war kaum auszuhalten, eine Straße entlangzugehen. Die Schwüle war nicht auszuhalten, der Gestank war nicht auszuhalten, das Leben war verdammt in diesen Tagen nicht auszuhalten! Reiß Dich zusammen!

Ich ging etwa zehn Minuten die Broad Street entlang.

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