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Eine Woche Probezeit | Bekenntnisse einer Nymphomanin
von Jascha Bending
Jascha Bending wurde 1980 in Inverness, Schottland, als Kind eines Schotten und einer Norwegerin geboren. Aufgewachsen in Fort William und später in Bergen, lebt Jascha seit 1999 in Hamburg. Dass hinsichtlich seiner sexuellen Ausrichtung etwas nicht der sogenannten Norm entsprach, realisierte Jascha endgültig nach dem Ansehen von „Gwendoline“, der 1984 verfilmten Umsetzung des Comics „Sweet Gwendoline“. Anfangs noch sehr zurückhaltend, merkte Jascha in den folgenden Jahren mehr und mehr, dass er mit den eigenen Vorlieben keinesfalls allein dastand. Die Gesellschaft öffnete sich und die Hemmschwellen bei Themen wie Fetisch und BDSM sanken. Dennoch gestaltete sich die Suche nach einem passenden Partner als schwierig und erfüllte sich erst nach dem Umzug in die Hansestadt, wo Jascha auch die bereits existente Idee zum Schreiben von erotischen Geschichten in die Tat umsetzte. Einige der in den Büchern beschriebenen Erlebnisse beruhen auf wahren Erlebnissen, andere wiederum sind Teil einer außerordentlich blühenden Fantasie. Aber in beiden Fällen achtet Jascha darauf, die Erzählungen für beide Geschlechter gleichermaßen attraktiv zu gestalten.
Lektorat: Jasmin Ferber
Originalausgabe
© 2019 by blue panther books, Hamburg
All rights reserved
Cover: © Honored_member @ shutterstock.com © Eky Studio @ shutterstock.com
Umschlaggestaltung: MT Design
ISBN 9783862775217
www.blue-panther-books.de
Samstag
Aus der Musikkonserve des DJs erklingt Allein, Allein.
Na, wie passend, denkt Henry. Er geht zur Theke, holt sich ein neues Bier, um sich dann außerhalb der Halle auf eine Mauer zu setzen. Dabei ignoriert er die Grüppchen seiner Kolleginnen und Kollegen um sich herum und nimmt kaum wahr, dass das Betriebsfest, insbesondere auf der Tanzfläche, so langsam seinen Höhepunkt erreicht. Das kühle Bier läuft seine Kehle hinunter, als er aus seiner innerlichen Isolation heraus eine Stimme vernimmt.
»So allein hier?«
Fast schon erschrocken blickt er auf. Vor ihm steht Sarah. Die Suche nach Worten gestaltet sich in diesem Moment für Henry schwieriger als sonst, wenn sie ihm tagtäglich im Büro gegenübersitzt. Er ist sicher nicht auf den Mund gefallen. Zumindest dann nicht, wenn es um den üblichen Gesprächsstoff der Arbeitswelt und den ein oder anderen Spaß geht. Schwieriger wird es aber, wenn es mit seinen Gefühlen und den damit verbundenen Problemen zu tun hat. Und diese Situation hier ist geradezu prädestiniert, um voller Ehrfurcht im Erdboden zu versinken oder sich dieser durch spontane Selbstauflösung zu entziehen.
Andererseits hat er in den Tagen zuvor an nichts anderes gedacht, als exakt in diese Situation zu gelangen. Auch wenn er nicht wirklich daran geglaubt hat.
Er versucht, sich nichts anmerken zu lassen. »Singen sie doch gerade: Allein, allein« Er bezweifelt, dass es ihm gelungen ist. Das sollte eigentlich auch nur eine Floskel sein, die auf den Song und seinen Aufenthalt abseits des Trubels hinweist. Doch schon wenige Sekunden später merkt er, dass hinter seiner Antwort mehr Tiefe steckt, als er eigentlich beabsichtigt hat. Und er spürt, dass sie es bemerkt hat. Also versucht er, die berührende Stille der Situation zu entschärfen, indem er sie anschaut, leicht lächelt und mit den Schultern zuckt.
Sie hat ihn bereits nach einiger Zeit des gemeinsamen Arbeitens gefragt, warum er denn eigentlich schon so lange solo wäre. Sie könne das überhaupt nicht verstehen. Er schon. Seine Begründung ist eine Mogelpackung. Er habe die Richtige eben noch nicht gefunden. Was im Grunde auch der Wahrheit entspricht. Aber eben nicht nur.
Sarah setzt sich neben ihn und seufzt. »Ich habe mich von Brian getrennt. Letzte Woche schon.«
Sofort schießt Henry angesichts dieser Aussage das Adrenalin ins Blut. Sie und Brian, sie waren gefühlte hundert Jahre zusammen. Zumindest, solange er Sarah kennt. Warum sagt sie das? Und warum ausgerechnet jetzt? Allerdings erklärt das auch, warum Sarah in der letzten Woche so schlecht drauf war.
Er hat es bemerkt und sie auch darauf angesprochen. Frauengeschichte, lautete ihre Antwort. Kein Grund für ihn, näher darauf einzugehen.
Und jetzt sitzt er hier und kann kaum glauben, was er da hört. Auf diese Situation ist er überhaupt nicht vorbereitet. Selbst wenn er es wäre, würde es an seiner mentalen Verlorenheit nichts ändern.
Schon seit Langem ist er in Sarah verliebt. Aber er hat sich nichts anmerken lassen. Zumindest meint er das. Denn er wollte nicht in eine bestehende Beziehung drängen. Nicht in ihre. Dennoch kann er nichts dafür, dass er sich magnetisch zu ihr hingezogen fühlt und Tag und Nacht an sie denken muss. Ihr Humor ist so schräg wie sein eigener, und sie lachen so viel über die absurdesten Dinge, bis ihnen die Tränen in die Augen treten. Und ganz nebenbei sieht Sarah auch noch verdammt gut aus.
Henry besinnt sich wieder und kehrt in die Realität zurück. »Was ist denn passiert?«
»Hm. Ich denke, ich habe endlich kapiert, worauf es im Leben ankommt.«
Unweigerlich wird Henry nervös. »Aha … und worauf?«
»Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.«
Henry lächelt. »Versuche es mit Worten.«
»Würde ich tun, wenn ich sie hätte.«
»Warum soll es dir besser ergehen als mir?«
»Wieso?«
Ups. Ein Schritt zu weit, denkt sich Henry. »Nichts, nichts. Erzähl weiter.«
Sarah atmet seufzend aus. »Ich habe endlich gemerkt, dass Brian keine Ahnung davon hat, was das Wort ‚Beziehung‘ eigentlich bedeutet? Er ist nicht mehr als ein gut aussehender Armleuchter.«
Oha. Was genau will sie damit sagen? Sein Herz beginnt zu rasen. »Aha«, versucht es Henry zunächst in der Hoffnung, es würden noch weitere Worte folgen. Doch Sarah schweigt und Henry scheint mit diesem Statement hoffnungslos überfordert. Und warum betont sie gut aussehend? Warum hebt sie ihm das gegenüber so hervor? Brian ist vom Typ her tatsächlich der blonde und muskelbepackte Sonnyboy, den man sich am besten mit Surfbrett am Strand im Sonnenuntergang vorstellt.
Henry hält sich selbst auch nicht für unattraktiv. An fehlenden Möglichkeiten hat es zumindest nicht gelegen, dass er noch solo ist. Aber es passte bisher eben nicht. Und jetzt ist er plötzlich und unerwartet voller Hoffnung, dass Sahras Intention seiner Sehnsucht entspricht. Wenn es so ist, wie geht es dann weiter? Für ihn fühlt es sich so an, als ob sich die so lange verschlossene Tür endlich öffnet, um sogleich vor der nächsten verschlossenen Tür zu stehen. Eine Wolke unausgesprochener Worte scheint die Situation zu umhüllen. Sie liegen in der Luft, doch ist sich keiner von beiden sicher, ob es die Worte sind, die der andere hören möchte.
Als Sarah weiter schweigt, überwindet sich Henry zur Fortsetzung der Konversation. »Wie definierst du denn Armleuchter?«
Sarah muss darüber schon schmunzeln. »Jemand, der nur für sich selbst da ist. Brian hat mir nicht wirklich zu verstehen gegeben, was ich ihm bedeute oder mich spüren lassen zu wissen, was mir wichtig ist.«
Henry ist voller Anspannung. Jetzt nur nichts Falsches sagen: »Du wärst also lieber mit jemandem zusammen, der dazu fähig ist, aber nicht ganz so gut aussieht?«
Ach du Kacke. Hat er das wirklich gesagt? Falscher geht es schon gar nicht mehr, und er spürt, wie ihm die innerliche Hitze Schweißperlen auf die Stirn treibt. Natürlich hat er sich selbst gemeint, und Sarah hat es gemerkt. Sie sieht wirklich verdammt gut aus und könnte mit einem Fingerschnippen problemlos neue Partner finden. Langes braunes Haar, eine gesunde Größe und auch sonst ist alles an ihr wohlproportioniert. Außerdem ist sie Mitte Zwanzig und er gute zehn Jahre älter. Warum also sitzt sie jetzt hier? Mit ihm? Er spürt die Luft knistern. Möchte sie ihm tatsächlich etwas mitteilen? Er hockt nur wortlos da.
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