Er wollte sich an Knolle vorbeizwängen. Doch der packte seinen Arm und drehte ihn auf den Rücken. Der Schmerz fuhr von der Schulter über den Rücken bis in den Kopf. „Ich kann … nicht. Mein Onkel … hat mich erwischt.“
„Das ist dein Problem.“
Knolle drückte Dennis’ Arm höher.
„Au!“
„Es wird noch viel mehr wehtun, wenn du nicht spurst." Knolle ließ Dennis los.
Er sackte zusammen, rieb seinen Arm. Nach Wolfgangs Warnung konnte er unmöglich diese Mengen bei Fermesio rausschaffen. Er musste unbedingt eine Möglichkeit finden, aus dieser Scheiße rauszukommen. „Ich brauche mehr Zeit.“
Knolle packte erneut Dennis’ Arm und drückte die glühende Zigarette darauf aus.
Dennis schrie.
„Halt die Klappe. Beim nächsten Mal drück ich sie in deinem hübschen Gesicht aus.“ Knolle warf die Zigarette weg. „Abgemacht?"
Im Moment hätte Dennis alles versprochen.
Ohne Vorwarnung versetzte Knolle ihm mit der Faust zuerst einen Schlag ins Gesicht, dann in die Magengrube. „Kleiner Vorgeschmack auf das, was dir blüht, wenn du glaubst, du kannst uns reinlegen.“
Ein Auto hupte. Dennis krümmte sich vor Schmerz. Seine Beine gaben nach. Er hielt sich an der Mülltonne fest, rutschte dann an ihrer Wand auf den Boden. „Das war erst der Anfang!", drohte Knolle im Gehen.
Dennis schloss die Augen. Es war vorbei. Sein Magen verkrampfte sich.
5. Kapitel
Lena lehnte ihr Fahrrad beim Eingang des Fitnesscenters an die Wand und verschloss es.
„Hi", grüßte Sina.
„Hi“, antwortet Lena und ging weiter in den Personalraum. Dort schlüpfte sie in eine alte Jeans und streifte sich ein schlampiges T-Shirt über. Unter der Notfallliege zog sie den Putzeimer hervor und füllte ihn am Waschbecken mit Wasser.
Auch heute hatte sie eine Weile am Bett ihrer Mutter gesessen, es aber nicht lange ausgehalten. Sie reglos daliegen zu sehen, brachte sie völlig aus dem Gleichgewicht. Das war nicht mehr ihre ewig meckernde Mutter.
Und die Sache mit Nicole und Dennis trug auch nicht gerade dazu bei, dass sie sich besser fühlte. Aber dieses Mal sollte sich Nicole zuerst melden. Zornig wrang sie den Putzlumpen aus. Schließlich war sie es gewesen, die sich so unmöglich verhalten hatte. Sie warf den Lappen zurück in den Eimer und verließ den Personalraum. Jetzt brauchte sie erst einmal einen Kaffee.
Sie setzte sich an die Theke. Den Kopf auf die Hand gestützt, rührte sie in der Tasse. Trotz Zucker schmeckte er bitter.
„Was ist denn mit dir los?" Sina zog sich einen Hocker heran.
Normalerweise plauderte sie gerne mit Sina, aber heute hatte sie keine Lust. „Nichts weiter.“ Sie schüttelte den Kopf und leerte die Tasse. Verstohlen sah sie sich nach Dennis um. Er war nicht hier. Das war auch besser so. Nach dem Fiasko gestern Abend hatte sie keine Lust, auch hier dumm angemacht zu werden.
Sie schwang sich vom Hocker und deutete auf die Kartons hinter dem Tresen. „Braucht ihr die noch oder soll ich sie raustragen?"
„Das wäre super. Ich bin im Moment allein und kann nicht weg."
Lena faltete die leeren Kartons zusammen. Sina hielt ihr die Tür auf. Auch wenn sie nicht viel wogen, waren sie doch unhandlich und drohten schon nach wenigen Metern, zwischen ihren Fingern durchzurutschen.
Ein blauer Ford raste ihr entgegen. Sie sprang zur Seite. Einige der Kartons fielen auf den Boden. „Idioten!", schrie sie den Insassen hinterher. Schimpfend sammelte sie die Kartons ein und schleppte sie weiter. Bei den Müllcontainern hinter den Palisaden entdeckte sie einen metallicblauen Golf.
Mist, Dennis war also doch da. Sie drückte die Kartons dicht an sich. Sein dämliches Grinsen und die blöden Bemerkungen ertrug sie heute nicht. Nur heute? Der Kies knirschte bei jedem Schritt unter ihren Sohlen. Sie hatte es nicht mehr eilig, zurück ins Studio zu kommen. Die unhandlichen Kartons waren jetzt das geringere Übel.
Quatsch! So weit kam es noch, dass sie sich wegen diesem Kerl beim Müll verkroch. Sie richtete sich auf und beeilte sich, ihre Last loszuwerden.
Im ersten Augenblick hätte sie fast losgelacht, als sie Dennis mit dem Rücken an die braune Tonne gelehnt sitzen sah. Doch dann bemerkte sie das Blut, das ihm aus der Nase tropfte, die aufgeplatzte Lippe und das Erbrochene neben ihm. Es gab also doch so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit. „Hast du dich mit Klitschko angelegt?" Sie stellte die Kartons ab.
Dennis sah hoch. Erst jetzt schien er sie zu bemerken. Er war kreidebleich, starrte sie fast erschrocken an. „Lass mich einfach in Ruhe und verschwinde." Er versuchte sich aufzurappeln, schaffte es aber nicht.
„ Nichts lieber als das“, wollte sie schon antworten, aber die Verletzlichkeit, die sich kurz in seiner Miene zeigte, hielt sie zurück. Sie kniete sich neben ihn und reichte ihm wortlos ein Taschentuch.
Widerwillig wischte er sich den Mund ab.
„Waren das die Typen mit dem Ford?"
„Das geht dich nichts an."
Oh, auch noch stolz. „Wenn du meinst." Sie stand wieder auf, verschränkte die Arme über der Brust und sah auf ihn hinab. „Die Geister, die er rief, ward er nicht mehr los - der Zauberlehrling, wenn ich nicht irre."
Da er ihre Hilfe ablehnte, sogar patzig reagierte, sollte sie ihn eigentlich sitzen lassen, verdient hätte er es.
Aber er sah wirklich erbärmlich aus. In den blonden Haaren klebte Blut. Und dann entdeckte sie die runde Wunde auf seinem Oberarm, deren Ränder verkohlt waren. Das musste schrecklich wehtun. So konnte sie ihn nicht zurücklassen. Von dem sportlichen Schönling war nur ein Wrack übrig. Sie beugte sich über ihn und zog ihn hoch. Er ließ es geschehen, sogar dass sie seinen Arm um ihre Schulter legte und ihn beim Gehen stützte.
An Sina vorbei führte sie ihn zum Personalraum. „Was ist denn mit dir passiert?“, fragte Sina.
„Später", antwortete sie.
Sie schleppte ihn zum Waschbecken, wo er sich den Mund ausspülte und sich das Gesicht wusch. Auch wenn er versuchte, den Coolen zu spielen, konnte er nicht verbergen, wie schmerzhaft die Verletzungen sein mussten. Sie blieb bei ihm stehen, da sie fürchtete, er könnte jeden Augenblick zusammenklappen.
Es musste ihm ziemlich dreckig gehen, wenn er sogar ein „Danke" herauswürgte. Da er leicht wankte, führte sie ihn zur Notfallliege, wo er sich sofort hinlegte, die Beine angewinkelt, wie ein Embryo. Sie war fast versucht, ihm übers Haar zu streichen. „Soll ich die Polizei holen? Ich kann die Kerle beschreiben."
„Untersteh dich!" Dennis erwachte unvermittelt zum Leben und setzte sich auf.
Lena brachte ihm ein Glas Wasser und hockte sich neben ihn. Seine Hand zitterte. „War wohl ein unzufriedener Kunde?" Der Spott war Balsam für ihre Seele.
„Das geht dich einen feuchten Dreck an." Er sah auf seine Brandwunde.
Da haben wir ihn wieder, unseren alten Dennis, dachte Lena. „Wenn du meinst. Jetzt hat es wenigstens mal den Richtigen erwischt.“
„Hör zu, das mit Nicole, damit habe ich nichts zu tun!“ Er richtete sich auf.
„Ach ja? Wer hat ihr denn gestern dieses Zeug angedreht?“
Er schloss die Augen, als müsse er sich darauf konzentrieren, was er als Nächstes sagte. Er schluckte, kaute auf seinen Lippen. Fast könnte er einem schon wieder leidtun.
„Ja, okay, Nicole hat ein paar Pillen von mir bekommen.“ Seine Stimme zitterte.
Saß da tatsächlich Dennis Finkel vor ihr? Der musste ja mordsmäßig was auf die Mütze gekriegt haben, wenn er so eingeschüchtert war.
Dann starrte er sie an. Wow, waren die Augen braun und groß. Bei diesem Blick konnte sie Nicole verstehen, dass sie so auf ihn abfuhr.
„Du musst mir glauben, diese Pillen sind ganz bestimmt nicht schuld daran, dass Nicole tot ist.“
„Tot? Was quatschst du da für einen Senf?“
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