und ist es noch.
Für diese Überzeugung würd ich töten.
(Nickend:)
Ich spüre es, der Wald hat Augen.
Und sie sind nicht des Panes ...
URANUS. Eine neue Macht
oder Gestalt?
THEMIS. Irgendwas Großes schlummert hier,
ich weiß nicht mal,
wo ich es suchen soll.
Ob in der Luft in Baumeskronen,
auf der Erde leichten Schrittes wohlbemoost
oder im Grunde, wo es knorrend und umborkt
auf seine neuen Opfer wartet.
URANUS. So denkt sie wirklich,
dass sich's um etwas Böses handelt?
THEMIS. Ich weiß es nicht.
Was hält es sich verborgen
und zeigt sich nicht,
als ich es darum bat?
URANUS. Wie's auch sei.
Los, gehen wir,
die Tiefe hier erwartet uns.
(Er zeigt in den Gang hinter dem Loch. Eine stark abfallende Schräge liegt dahinter und führt tiefer in das Erdreich.)
THEMIS. Wie's aussieht,
können wir hinunterrutschen.
URANUS. Irgendwelche letzten Worte?
THEMIS. Wieso?
Ist's der Tod, der darin haust?
URANUS. Wer weiß?
Wir werden's bald erfahren.
THEMIS. So geh er vor,
ich lass ihm gern den Vortritt.
(Sie verneigt sich gekünstelt.)
URANUS. Wie sie meint.
Eher kommen wir hier doch nicht fort.
So stürze ich mich todesmutig in das Dunkel,
das hier aus diesem Boden klafft.
(Er springt in das Loch und rutscht hinunter. Uranus ab.)
THEMIS (schulterzuckend) .
Was bleibt mir andres übrig?
(Sie springt hinterher und rutscht in die Finsternis. Im selben Moment schließt sich die Luke und lässt den Waldboden aussehen, als wäre nichts geschehen. Themis ab.)
Finsternis.
URANUS. THEMIS. Beide gleiten schnell hinunter in die Dunkelheit.
URANUS (rutschend und zu der Themis hochrufend. Wurzeln und Äste rasen peitschend an ihm vorbei) .
Ich hoffe, sie ist hinter mir
und hat den Weg hinab gefunden!
(Etwas peitscht ihm durchs Gesicht.)
Au! Vermaledeit!
Ich hoff, es war das letzte Mal,
die Striemen brennen mir schon auf den Wangen.
THEMIS (rutschend und in die Finsternis unter sich rufend) .
Mache er sich keine Sorgen!
Ich schieße hinter ihm schon her,
auch wenn ich ihn nicht sehe!
URANUS (von vorbeirasenden Wurzeln gepeinigt) .
Fühlt sie sich so schlimm gequält wie ich?
Ich durchrase kaum 'nen Meter,
ohne dass mich etwas peitscht!
THEMIS. Von peitschend Wurzeln keine Spur,
er scheint sie alle vor mir zu entschärfen!
URANUS. Ich hoff,
sie weiß es gut zu schätzen!
THEMIS. Mein Dank,
er gilt dem alten Herrn!
URANUS. Das will ich auch ...
(Er gerät in freien Fall.)
Was beim ...
(Er schlägt dumpf auf.)
Umpf!
THEMIS. Was hat ...
(Sie fällt ...)
(... und schlägt ebenfalls auf. Wenn auch etwas weicher.)
Uff!
Nanu,
was liegt dort unter mir?
(Sie betastet etwas unter sich.)
URANUS. Der Himmel selbst ist's.
Wer sonst soll's sein,
der ihren Sturz so weich hier bremste
und desto mehr an Schmerzen leidet?
THEMIS. Es gebührt ihm wohl mein Dank.
Wenn's ihn tröstet:
Der Sturz war trotzdem nicht sehr angenehm.
Ich leide mit ihm.
URANUS. Ihr Mitleid hier in allen Ehren,
doch bitte gehe sie von mir herunter.
Einen besseren Gefallen gibt es nicht.
THEMIS (von ihm herunterrollend) .
Verzeiht,
ich musste erst ermitteln,
wo oben und wo unten ist.
Ich glaub,
ich hab's herausgefunden.
(Sie rappelt sich auf. Um sie herum ist alles schwarz.)
URANUS (sich aufrappelnd) .
Jetzt bin fast ich's,
der sich bedanken muss dafür,
dass sie die Last von mir genommen.
THEMIS. Heb er den Dank sich nur für später auf,
es gilt, die Finsternis zu meistern.
(Kaltes Entsetzen mischt sich in ihre Stimme.)
Schnell, bevor ich den Verstand verlier!
URANUS. Ist's etwa wieder schon so weit?
Beim letzten Mal schafft' sie noch ein paar Meter,
ehe sie in Angst verfiel.
THEMIS. Ja, das war beim letzten Mal.
Doch hab ich diesen Schock
noch immer nicht verwunden.
Gib er mir die Hand und untersteh sich,
mit dem Reden aufzuhören.
So kann ich's überleben.
URANUS. Mache sie sich nicht verrückter,
als sie ist,
es ist noch kaum ein Mensch
vor Angst gestorben.
THEMIS. Ein Mensch vielleicht nicht,
aber eine Titanin:
Mit großer Macht rast schon heran
die lebensdrohend Schreckvision.
Schnell voran,
ich halt's kaum aus!
URANUS. Wenn ich den Raume hier betaste,
so scheint es mir,
als ob's nur eine Richtung gibt.
THEMIS. Das kann jetzt gut oder schlecht sein.
URANUS. Es nimmt uns ab die Qual der Wahl.
(Er schlägt eine Richtung ein und zieht Themis mit sich.)
Auf,
nur schnell hier diesen Weg voran!
THEMIS. Rede er mit mir,
ich seh schon die Gesichte.
(Schildwälle kommen ihr entgegen, sie rennt hindurch. Geistspeere fliegen über ihren Kopf hinweg, rasen auf sie zu und durch sie hindurch. Von allen Seiten rast das Geschrei kämpfender und sterbender Männer auf sie zu. Das Einzige, was sie an die wahre Welt erinnert, ist der feste Griff des Uranus und das Gefühl, unaufhaltsam durch die Todesvisionen gezogen zu werden. Uranus bekommt von alledem nichts mit.)
Was wird's mir übel,
wie er mich durch die Bilder zieht!
URANUS. Fast hab ich das Gefühl,
die Hand wird kälter,
die ich so fest umschließe.
THEMIS. Eile er sich,
mir schwinden schon die Knie.
(Ihre Schritte werden wackliger und wackliger.)
URANUS. Jetzt spür ich sie schon torkeln.
Soll ich sie nehmen auf die Arme?
(Die verzerrte Fratze des Kronos fliegt auf sie zu. Er lacht. Ein schwarzer Koloss erhebt sich über ein Heer aus Köpfen und trampelt alles nieder. Die Riesengestalt der Gaia stellt sich ihm entgegen und fällt schließlich – unsichtbar getroffen – zu Boden. Uranus steht auf einem Berge und breitet die Arme aus. Sturm und Regen gehen auf ein Heer aus Dämonen nieder, ebben ab, als ein riesiger Speer den Protogenos durchbohrt.)
THEMIS (schwankend) .
Sie ...
Sie ...
Sie gehen alle unter ...
(Sie fällt.)
URANUS (sie auffangend) .
Diese hier geht keinen Meter mehr,
so komme sie auf meine Arme,
damit ich trage sie von dannen.
(Er sieht sich im Dunkel um.)
Keinen Meter weit kann ich hier was erkennen,
was gäb ich für die Fertigkeit,
im Dunkeln gut zu sehen!
Doch hilft hier alles Jammern nicht,
ich muss den Weg vollenden.
Hoffen wir,
dass ich nicht in die Falle laufe!
(Er tastet sich - so gut es ihm mit der Themis auf den Armen möglich ist - an der Wand entlang.)
Es kann nicht allzu weit mehr sein,
wenn Perdix hier die Gaia führte
durch die Finsternis
und hatte noch den Ikas auf den Armen.
(Er stößt gegen eine Wand.)
Nanu?
Hab ich das Ende schon erreicht,
wo ich soeben erst von sprach?
(Er betastet die vor ihm liegende Wand.)
Ist's etwa nur 'ne Biegung,
um die herum ich muss mich winden?
Verzeih sie mir,
sonst geht's nicht weiter.
(Er legt die Themis vor sich ab.)
(Die Wände weiter befühlend:)
Nein, nichts dergleichen.
Der Gang, er hört hier einfach auf,
als wär das Ende eines Stollens hier erreicht.
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