„Ja, das auf jeden Fall. Ob Herr Rieder die ganze Zeit an der Heizung herummanipulieren konnte? Aber die Hauptsache ist doch, dass du bis Februar gut über den Winter kommst.“
„Genau. Kannst du dir vorstellen, wie froh ich bin, wenn ich endlich umziehen kann?“
„Ich glaube schon!“ lachte Ute. „Und – steht schon ein weiterer Termin mit Eduard und Karl fest? Unternehmen wir was zusammen?“
„Äh – ich weiß nicht. Wir haben nicht über die nächste Zeit gesprochen.“
„Ich habe ein tolles Rezept für einen pikanten Käsekuchen, das ich gerne mal ausprobieren würde. Was hältst du davon, wenn ich einen kulinarischen Abend bei mir veranstalte? Da wären die beiden doch sicherlich für zu haben?“
„Das könnte ich mir schon vorstellen. Am besten rufst du sie mal an.“
Ute runzelte die Stirn.
„Stimmt etwas nicht? Du wohnst doch fast neben ihnen und läufst ihnen ständig übern Weg. Und jetzt soll ich sie für so eine Einladung anrufen?“
Olga druckste noch ein bisschen herum, aber dann erzählte sie doch von dem Vorfall am Vorabend. „Wir hatten mehrere Gläser Wein getrunken, vielleicht hat das die Schranken ein wenig verschoben“, endete sie. „Aber irgendwie – nun, ich weiß nicht so recht, wie ich ihm wieder gegenübertreten soll.“
„Das ist wirklich eine dumme Situation. Vielleicht tust du einfach so, als wäre nichts gewesen. Ich könnte mir vorstellen, dass ihm das auch am liebsten ist. Schade, wenn so etwas unsere Freundschaft belasten würde. Ich habe mich grade so an die Beiden gewöhnt!“
„Ein bisschen Pfeffer in unserem ach so trüben Leben! Aber es sollte halt wirklich bei Freundschaft bleiben. Mehr kann ich mir weder bei Eduard noch bei Karl vorstellen. Oder könntest du dir vorstellen, dich in einen von ihnen zu verlieben?“
Ute zögerte etwas, dann zuckte sie die Schultern.
„So etwas kann man kaum planen, oder? Es sind auf jeden Fall nette Jungs, aber es wird schon einen Grund haben, dass sie am Wochenende immer nach Hause fahren. Bei Eduard war es ja offensichtlich und bei Karl – er spricht wenig über sein Privatleben. Ich betrachte sie als nette Freunde und hoffe, dass das noch eine Weile so bleibt.“
„Genauso geht`s mir auch. Ich möchte nur deine Einladung dieses Mal nicht einfach so übermitteln. Vielleicht gelingt es uns, ihnen ganz „zufällig“ über den Weg zu laufen und sie dann zu fragen.“
„Unsere Diplomatin!“ lachte Ute. „Aber nun ja, das dürfte nicht so schwierig sein.“
Das war es auch tatsächlich nicht. Sie kam am nächsten Spätnachmittag vorbei, um Olga zu einem Spaziergang abzuholen, und just zu diesem Zeitpunkt kamen Karl und Eduard von ihrer Hochschule nach Hause und sie nutzte die Gelegenheit sofort. Beide fanden die Idee toll und als sie erfuhren, dass Olgas Heizung wieder funktionierte, freuten sie sich aufrichtig.
Als sie Olga davon berichtete, war diese auch froh.
„Was hattest du für einen Eindruck von Eduard“, wollte sie aber doch noch wissen.
„Mir kam er ganz normal vor. Auch seinen Ehering trägt er weiterhin.“
„Gut. Dann werde ich mich auch ganz normal benehmen, wenn wir uns bei dir treffen. Oder noch besser, ich werde sie fragen, ob sie bei mir mitfahren wollen.“
*
Im Nachhinein fragte sich Olga, ob sie tatsächlich zu viel in jenen Vorfall hineininterpretiert hatte. Der Abend bei Ute verlief wie so viele Abende davor, die sie gemeinsam verbracht hatten und die Gespräche waren vollkommen unverfänglich. Das Thema Ehefrau blieb völlig unberührt, wobei Olga nicht wusste, ob sie sich darüber freuen oder misstrauisch werden sollte, denn warum hatte er ihr davon erzählt und tat nun so, als wäre gar nichts gewesen?
Doch letztlich war sie einfach nur froh, dass ihr Verhältnis nicht getrübt war.
Die folgenden Wochen vergingen wie im Flug. Der Stress der Vorweihnachtszeit ließ sie kaum zum Verschnaufen kommen und sie empfand es als das schönste Geschenk, dass es mit ihrer Klasse weiterhin so gut lief. In den Weihnachtsferien fuhr sie zu ihren Eltern und genoss es, wieder einmal so richtig verwöhnt zu werden. Als die Schule wieder anfing, näherte sich auch die Zeit des Umzugs mit den vielen Vorbereitungen dafür. Rieders waren freundlicher geworden, was damit zusammenhing, dass sie eine Nachmieterin gefunden hatten.
„Eine sehr nette, zuverlässige junge Frau“, vertraute Herr Rieder ihr an, als sie ihm über den Weg lief. „Sie hat sich die Wohnung angesehen und war sofort begeistert!“
„Das freut mich für Sie“, gab Olga zurück. „Diese Wohnung ist ja auch ideal, wenn man sich gut versteht.“
Karl und Eduard hielten Wort und halfen ebenso wie Ute tatkräftig mit, als die Kisten und Kleinmöbel geschleppt und transportiert werden mussten. Olga konnte ihr Glück kaum fassen, als sie endlich ihre abgeschlossene Privatsphäre hatte. Sie fühlte sich so frei und unbeschwert wie lange nicht mehr, als sie die erste Nacht in ihren eigenen vier Wänden verbrachte, auch wenn sie behelfsmäßig nur eine alte Matratze als Bett hatte. Die vollständige Einrichtung würde noch einige Zeit in Anspruch nehmen, aber auf die Besuche in Möbelhäusern und die Suche nach ihrem ersten eigenen Inventar freute sie sich schon jetzt.
Die Arbeit war getan und die Faschingszeit nahm ihren Lauf. Überall fanden Veranstaltungen statt und Ute und Olga ließen sich nicht zweimal bitten, als Karl und Eduard sie zu einer einluden. Das war fast so etwas wie eine Belohnung nach der anstrengenden Umzugsphase.
Sie alberten wie alle anderen herum und als Karl Olga zum Tanzen aufforderte, sprang sie sofort auf und ließ sich von ihm zur Tanzfläche ziehen. Sie überboten sich mit komischen Verrenkungen und amüsierten sich prächtig. Irgendwo im Gewimmel machte Olga auch Ute aus, die mit Eduard tanzte. Sie war dankbar, dass es Karl war, der sie zuerst aufgefordert hatte. Wenn Eduard es gewesen wäre hätte sie wahrscheinlich nicht so spontan mitgemacht. Trotz aller Lockerheit fühlte sie sich ihm gegenüber doch noch etwas befangen.
Als die Musik ruhiger und gefühlvoller wurde, zog Karl sie wie selbstverständlich eng an sich. Sie ließ es geschehen und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie auch Ute und Eduard sich nahe gekommen waren.
„Das gehört zum Tanzen dazu“, dachte sie trotzig und musste sich eingestehen, dass sie diese Situation ausgesprochen angenehm fand. Sie schloss die Augen und erwischte sich dabei sich vorzustellen, dass sie in Richards Armen läge. Doch dann hörte die Band auf zu spielen und sie war schnell wieder in der Realität gelandet. Karl nahm sie fest an der Hand und führte sie zu ihrem Platz zurück, wo sie schnell einen Schluck von ihrem Wein trank.
Kurz danach kamen auch Ute und Eduard zurück. Ute warf einen Blick auf die Uhr.
„Schon fast Mitternacht“, seufzte sie. „Wenn wir morgen nicht arbeiten müssten, könnte ich die ganze Nacht durchmachen!“
„Ich denke auch, dass wir langsam aufbrechen sollten“, stimmte Olga zu.
„Schade, jetzt fängt`s gerade an, richtig Spaß zu machen“, versetzte Karl und drückte Olgas Hand. Sie lächelte ihn unsicher an und traf dabei Eduards Blick, der sie ziemlich gleichmütig musterte.
„Vielleicht besuchen wir noch eine weitere Veranstaltung, bevor alles vorbei ist“, murmelte sie und schaute Ute an. „Aber die Kinder haben kein Erbarmen mit uns, wenn wir morgen früh nicht fit sind.“
Die beiden Männer begleiteten sie noch zu Utes Auto, mit dem sie und Olga hierher gekommen war, wo sie sich herzlich verabschiedeten und betonten, was für ein schöner Abend es gewesen war. Die beiden Frauen stiegen ein und winkten noch kurz, ehe sie losfuhren.
„Hat es dir gefallen?“ fragte Olga.
„Ja, natürlich. Dir etwa nicht?“
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