„Niki, ich möchte immer bei dir bleiben. Mein ganzes Leben lang. Ich will dich heiraten. Willst du das auch?“
In diesem Moment verfinstere sich das Gesicht des beliebten Jungen. Er ließ die Hände seiner Mitschülerin los und wandte sich ab.
„Niki!“ rief Julia. „Was ist denn?“
Der Junge ging wieder auf den Schulhof, wo er von seinem Vater beobachtet wurde, der gerade im Lehrerzimmer aus dem Fenster schaute. Dort gab es eine Besprechung.
„Ich brauche wohl nicht zu betonen, dass Dominik das beliebteste Kind der Schule ist.“ begann Lichtl. „Und dass er sich die Sympathie der Eltern anderer Schüler erworben hat, dürfte wohl auch jedem bekannt sein. Sind Sie derselben Meinung, Herr Fischer?“
Der Unternehmer blickte auf und antwortete leise:
„Ja.“
„Herr Fischer.“ fuhr Rektor Lichtl fort. „Dominik ist seit den Osterferien noch beliebter geworden. Was ist denn passiert? Er hat nie darüber erzählt.“
„Das hatte ich erwartet.“ meinte der junge Unternehmer bestimmt. „Er hat sich sehr verändert seit seinem Abenteuer in den USA.“
General Wanner hatte etwas ungläubiges in seinen Augen, als er sprach:
„Ich habe in meiner ganzen Laufbahn noch nie einen Menschen erlebt, der so viel Macht über andere ausüben kann. Noch dazu ein Kind.“
Benny schaute aus dem Fenster und beobachtete seinen Sohn, der gerade von vielen Kindern umjubelt wurde. In seinen Augen spiegelte sich etwas, das noch nie jemand an ihm gesehen hatte.
„Herr Fischer.“ ertönte Lichtl´s Stimme.
Benny zuckte auf.
„Was?“ stieß er hervor.
„Wir sprechen von Ihrem Sohn.“ klärte ihn der Rektor auf.
„Ach so, ja.“ meinte Benny verwirrt.
„Haben Sie etwas dazu zu sagen?“ erkundigte sich Wanner. „Sie müssen doch stolz auf Ihr Kind sein.“
Benny schaute wieder aus dem Fenster, als er sagte:
„Ja. Niki hat etwas, um das ich ihn wirklich beneide.“
Kurz darauf ging Benny aus dem Lehrerzimmer und erblickte ein Mädchen, das zusammengesunken auf einer Bank der Halle saß. Das Mädchen weinte bitterlich und das war auch anderen aufgefallen.
„Das ist doch Julia.“ entfuhr es Benny.
„Sie hat wohl noch einen Schock von der Sache vorhin.“ hieß es aus verschiedenen Mündern.
„Das glaube ich nicht.“ dachte sich Benny. „Da muss etwas anderes passiert sein.“
Er näherte sich dem Kind und fragte:
„Hallo Julia. Was ist denn?“
Das Kind blickte auf.
„Ach, hallo Herr Fischer.“ stieß sie traurig hervor, dann sank sie zusammen und schluchzte:
„Niki hat mich nicht lieb!“
„Was?“ hauchte der Unternehmer. Nachdem er sich etwas gefangen hatte, wollte er wissen:
„Was ist denn passiert?“
Etwas später saß Benny bewegungslos auf der Bank. Julia war verschwunden. Rektor Lichtl, der Lehrer Baumgartner und die Lehrerin Gerold waren inzwischen erschienen.
„Nun, was ist?“ bohrte Frau Gerold. „Hat sie etwas gesagt?“
Benny erhob seinen Kopf und sagte leise:
„Ich habe manches vermutet, aber das nicht. Das niemals.“
„Wieso, was ist denn?“ fragte Lichtl.
Benny wandte sich an Baumgartner.
„Julia hat meinem Sohn einen Heiratsantrag gemacht.“
„Tatsache?“ entgegnete dieser. „Das ist mir neu.“
„Mir nicht.“ entgegnete Benny.
„Dominik ist sehr beliebt.“ kam es von Baumgartner zurück. „Da fällt für ihn eine einzelne Person wohl nicht auf. Warum? Hat Niki den Antrag abgelehnt?“
„Julia weiß nicht, dass Niki schon eine Freundin hat, die er heiraten möchte.“ erklärte Benny.
„Wen denn?“ erkundigte sich Lichtl.
In der Strehlerangerschule war gerade Unterrichtsschluss. Einige Kinder der Klasse 3h waren schon draußen im Gang, als ein Mädchen aus dem Klassenzimmer lief und schrie:
„Mellie! Schnell, hör mal, was da im Radio kommt, da reden sie von deinem Freund Niki!“
Das blonde Mädchen sauste schnell zum kleinen alten Radio, das im Klassenzimmer stand. Dort kam gerade durch:
„Unblutig endete eine Geiselnahme im Münchner Werner-von-Siemens-Gymnasium durch das beherzte Eingreifen des 9-jährigen Schülers Dominik Fischer. Er hatte den 14-jährigen Ahmet Gülüz, der mitten im Unterricht völlig durchgedreht war, durch seine unbeschreibliche Art zur Aufgabe überredet. Dominik Fischer gilt deshalb als Held des Tages und soll am kommenden Samstag vom Münchner Oberbürgermeister dafür mit der Tapferkeitsmedaille belohnt werden. Der Schulrektor Lichtl lässt mitteilen, dass der weitere Unterricht für den heutigen Tag ausfällt.“
Mellie strahlte vor Glück und Stolz, als sie das hörte. In diesem Moment kam durch den Schullautsprecher eine Durchsage:
„Die Schülerin Melanie Hauser bitte zum Rektorat kommen.“
Mellie horchte auf und blickte ihre Lehrerin Frau Kerner an. Die nickte lächelnd und sagte:
„Ich komme mit. Es ist bestimmt wegen deinem Freund.“
Schon gleich darauf war Mellie mit ihrer Lehrerin im Rektorzimmer angekommen.
„Ein gewisser Benny Fischer hat uns angerufen.“ berichtete Rektor Roedel. „Kennst du ihn?“
„Das ist Nikis Papa.“ gab Mellie zur Auskunft. „Was hat er denn gesagt?“
„Er erwartet dich im Werner-von-Siemens-Gymnasium.“ antwortete Herr Roedel. „Weißt du, warum?“
„Niki ist in dieser Schule.“ antwortete Mellie.
Herr Roedel grinste.
„Aha.“ gab er von sich. „Dein Freund Dominik.“
„Ich will zu Niki.“ rief Mellie.
„Da sollte dich jemand hinfahren.“
„Ich werde es selbst erledigen.“ bot Frau Kerner an. „Mein nächster Unterricht beginnt erst in zwei Stunden. Da habe ich genug Zeit.“
Schon kurz darauf brauste der Wagen mit der vor Glück strahlenden Mellie am Rücksitz durch die Straßen und kam etwa 10 Minuten später am Ziel an. Wortlos sprang Mellie aus dem Wagen und sauste auf die Schule zu. Sofort erkannte sie im Schulhof ihren Freund, der von vielen Kindern umringt neben dem Eingang stand, und lief ihm aufgeregt entgegen.
„Niki!“ schrie sie.
„Mellie!“ ertönte die glückliche Stimme ihres Freundes. Alle Kinder machten Platz. Beide liefen aufeinander zu und fielen sich in die Arme. Alle anderen Kinder jubelten und umringten die beiden. Zum ersten Mal konnten sie Nikis Freundin sehen, von der er des Öfteren erzählt hatte. Nur Julia, die in der Halle geblieben war, wirkte sehr traurig.
Es dauerte einige Minuten, bis Benny aus dem Schulhaus trat. Er hatte Mellie bereits gesehen, wollte aber sie und seinen Sohn bei der Begrüßung nicht stören. Langsam näherte er sich den beiden Kindern. Der Ring öffnete sich ehrfürchtig und schon erkannte auch Mellie den Vater ihren Freundes.
„Hallo, Onkel Benny.“ begrüßte sie ihn fröhlich.
„Hi, Mellie!“ Der Promoter nahm das Kind in seine Arme. „Na, wie fühlst du dich als Freundin eines Helden?“
Mellie blieb still, doch ihre Augen sagten mehr als alle Worte. Sie schmiegte sich an Niki und strahlte ihn an.
Danach stiegen sie in den Wagen und brausten zu Alex, der sie bereits erwartete. Mit Niki an der Hand flitzte Mellie nach oben und sprang zu ihrem Vater. Nur ein dickes Küsschen, und schon wandte sich der hagere Alex dem Jungen zu.
„Ja hallo, Niki. Herzlichen Glückwunsch.“ begrüßte er ihn. "Ich hab´s gerade in den Nachrichten gehört."
Kurze Zeit darauf erzählte Niki, was sich in der Schule ereignet hatte. Mellie klammerte sich fest an ihren Freund, die anderen lauschten. Niemand unterbrach Niki, als er wie ein Wasserfall die Einzelheiten berichtete.
Die Szene zeigte den Geiselnehmer und die anderen Schüler zusammen im Klassenzimmer.
"Wehe, einer rührt sich!" schrie der Geiselnehmer.
"Aber Ahmet, warum tust du das?" fragte Niki.
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