Milla Burckhardt
Späte Begegnung
Unterm Pflaster rauscht das Meer
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Inhaltsverzeichnis
Titel Milla Burckhardt Späte Begegnung Unterm Pflaster rauscht das Meer Dieses ebook wurde erstellt bei
Späte Begegnung Späte Begegnung Milla Burckhardt Späte Begegnung Unterm Pflaster rauscht das Meer Roman Impressum Texte: © Copyright by Milla Burckhardt Umschlag: © Copyright by Maria Herrlich Verlag: Milla Burckhardt Viktoria-Luise-Platz 5 10777 Berlin Milla.Burckhardt@freenet.de Druck: epubli, ein Service der neopubli GmbH, Berlin Printed in Germany Liebe Marianne, du fragtest, wie es möglich sei, dass ich nun doch noch „unter die Haube“ gekommen bin, mit über siebzig. Das frage ich mich auch. Was hat Björn und mich so stark zueinander gezogen? Gibt es in unserem langen Leben Erfahrungen, die uns verbinden? Oder ist es die Unterschiedlichkeit des Erlebens, die unsere jeweilige Attraktivität ausmacht? Ich möchte unser beider Leben aufschreiben, um Antworten auf diese Fragen zu finden. Vielleicht erfahre ich sogar etwas über „die Liebe“. Hättest du Lust, meine Schreibversuche zu begleiten? Mir täte es natürlich gut, eine Gesprächspartnerin wie dich zu haben. Ich grüße dich von ferne Clara Liebe Clara, dein ganzes Leben bist du am Hafen der Ehe vorbei gesegelt, und nun das. Es ist mir in der Tat nicht nachvollziehbar, wie man – und vor allem du - sich in unserem hohen Alter einem wildfremden Menschen so schnell so nah fühlen kann. Das soll kein Vorwurf sein, nur eine Verständnisfrage. Zwischen euch liegen Jahrzehnte unterschiedlicher Erfahrungen – wie geht das zusammen? Ich bin gespannt, ob deine Aufzeichnungen darüber Auskunft geben. Schick mir, was du hast. Und du kennst mich ja: Ich spare nicht mit Kritik. In Liebe Marianne
Ein Kind sein
Unter Freundinnen (2)
Leben mit Schule
Unter Freundinnen (3)
Studienjahre
Unter Freundinnen (4)
Karriere - und Anderes
Unter Freundinnen (5)
Ein Kind bekommen
Unter Freundinnen (6)
Das Ende ist nicht das Ende
Anmerkungen
Impressum neobooks
Milla Burckhardt
Späte Begegnung
Unterm Pflaster rauscht das Meer
Roman
Impressum
Texte: © Copyright by Milla Burckhardt
Umschlag: © Copyright by Maria Herrlich
Verlag: Milla Burckhardt
Viktoria-Luise-Platz 5
10777 Berlin
Milla.Burckhardt@freenet.de
Druck: epubli, ein Service der neopubli GmbH,
Berlin
Printed in Germany
Liebe Marianne,
du fragtest, wie es möglich sei, dass ich nun doch noch „unter die Haube“ gekommen bin, mit über siebzig. Das frage ich mich auch. Was hat Björn und mich so stark zueinander gezogen? Gibt es in unserem langen Leben Erfahrungen, die uns verbinden? Oder ist es die Unterschiedlichkeit des Erlebens, die unsere jeweilige Attraktivität ausmacht? Ich möchte unser beider Leben aufschreiben, um Antworten auf diese Fragen zu finden. Vielleicht erfahre ich sogar etwas über „die Liebe“. Hättest du Lust, meine Schreibversuche zu begleiten? Mir täte es natürlich gut, eine Gesprächspartnerin wie dich zu haben.
Ich grüße dich von ferne
Clara
Liebe Clara,
dein ganzes Leben bist du am Hafen der Ehe vorbei gesegelt, und nun das. Es ist mir in der Tat nicht nachvollziehbar, wie man – und vor allem du - sich in unserem hohen Alter einem wildfremden Menschen so schnell so nah fühlen kann. Das soll kein Vorwurf sein, nur eine Verständnisfrage. Zwischen euch liegen Jahrzehnte unterschiedlicher Erfahrungen – wie geht das zusammen? Ich bin gespannt, ob deine Aufzeichnungen darüber Auskunft geben. Schick mir, was du hast. Und du kennst mich ja: Ich spare nicht mit Kritik.
In Liebe
Marianne
Björn
Seine Eltern trafen sich während des Studiums an der University of Southern California in Los Angeles. Finn war aus Skandinavien gekommen 1und wollte eigentlich schreiben, aber er brauchte Geld, und mit Literatur konnte er nichts verdienen. Es blieb die Wissenschaft und für das Fach Volkswirtschaft waren Stipendien ausgeschrieben. Er musste sich nicht sehr anstrengen, um eines zu gewinnen und war zunächst seiner finanziellen Sorgen ledig. Bei einem studentischen Fest lernte er Louise kennen und war fasziniert von ihrem Auftreten. Da er in den USA zunächst sehr alleine war, war er glücklich, dass sie sich zunächst auf ein Gespräch, dann auf mehrere Tänze einließ. Ihre großen Augen, ihr Lächeln und nicht zuletzt ihr Temperament beim Tanz verwirrten ihn, der bislang nur mit Männern näheren Kontakt hatte. Louise wiederum war unter Frauen aufgewachsen und hatte keinerlei Erfahrung mit Männern. Aber dass sie ein attraktives Mädchen war, das hatte sie schon als Jugendliche an den Reaktionen von Verwandten, Mitschülern und Freundinnen erfahren. Finn, den norwegischen Studenten, erlebte sie als höflich und liebenswürdig, ohne aufdringlichen Charme. Sein Flair aus der Welt Europas zog sie an, wie auch seine Klugheit. Sie verstanden sich auf Anhieb. Schnell wurden sie ein Paar. Sie wechselte ihr Studienfach und begann, ebenfalls VWL zu studieren. Beide fühlten sich einer intellektuellen Schicht in den USA zugehörig, die sozialistischen Ideen anhing und nicht nur in Amerika mehr Chancengleichheit realisieren wollte.
Finn wie Louise trugen an schwerem Kindheitsgepäck. Louises Eltern waren kurz nacheinander an der Spanischen Grippe 2gestorben, als sie fünf Jahre alt war. Sie wuchs bei der Großmutter auf, getrennt von ihren Geschwistern, die bei Schwestern ihrer Mutter untergebracht wurden. Finns Vater in Norwegen zog seinen Sohn alleine auf. Er konnte nicht verwinden, dass ihn seine Frau kurz nach der Geburt des Sohnes verlassen hatte. Sein Enkel erlebte ihn als einen Mann, der an der Welt und seinem eigenen Leben krankte. Finn wie auch Louise hatten frühe Bindung nur als eigene Sehnsucht erlebt. In die Ehe stolperten sie ohne sexuelle Erfahrungen.
Finn hatte Freude an wissenschaftlicher Arbeit und sie fiel ihm leicht. Sofort nach dem Abschluss des Studiums erhielt er eine Stelle als Assistenzprofessor in Charlottesville im Staat Virginia. Damit war der Lebensunterhalt für ihn und eine künftige Familie gesichert. Er mietete eine Wohnung und kaufte einen gebrauchten Model T Ford, ein Auto, das noch mit einer Kurbel in Gang gebracht werden musste. Das Baby, das er und Louise sich wünschten, kam 1936 zur Welt und wurde nach Finns Vater Björn genannt.
Louises Beziehung zu ihrem Kind war überschattet von beginnender Unzufriedenheit mit ihrer Hausfrauenrolle und ihrer Ehe. Sie fühlte sich weder sexuell noch intellektuell ausgelastet. Was der Ehemann ihr an Bestätigung nicht geben konnte und was ihr im Beruf fehlte, sollte nun ihr kleiner Junge bringen. Ein Kind zu haben, Mutter zu sein, bedeutete Erfolg im Leben einer Frau und einen Meilenstein auf dem Wege zu gesellschaftlichem Ansehen. Stolz fuhr sie mit dem Baby zu den Verwandten in Ohio, wo sie ihre Kindheit verbracht hatte. Und die Anerkennung für das kleine blonde Wesen blieb nicht aus: Alle waren angetan von dem aufgeweckten Baby. Louise freute sich, dass ihr in dieser Woche auch viel abgenommen wurde: Großmutter und Schwester wollten immer wieder das Baby füttern, wickeln und mit ihm spielen. Es gab auch ein Fest im Haus der Verwandten, an dem die junge Frau gerne teilnahm. Ihr Baby legte sie in einem Dachzimmer ins große Doppelbett, damit es schlafen konnte. Als sie nach dem Fest das Zimmer betrat, war sie entsetzt: das Baby hatte sich wider Erwarten bis zum Ende des Bettes gerollt und war hinunter gefallen. Louise dachte, ihr Sohn sei tot, bis sie merkte, dass er nach dem Sturz ruhig weiter geschlafen hatte. Sie war unendlich erleichtert. Ansonsten befand sich das Kind nicht im Zentrum ihres Denkens und Fühlens.
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