1 ...7 8 9 11 12 13 ...17 „Falls du doch willst, sag Bescheid.“ Er hatte an der Seite angehalten, um das Verdeck öffnen zu können, sah sie kurz an.
„Nein, du fährst gut.“
„Als Chauffeur würdest du mich also nehmen?“ Sie waren schon wieder unterwegs. „Auf jeden Fall.“
Beide fielen in entspanntes Schweigen, genossen die Fahrt durch die unspektakuläre, aber erfrischend grüne Hügellandschaft. Bei Sonnenschein sah es hier wunderschön aus, fand Pat.
„Hier ist es“, er fuhr auf einen Restaurant-Parkplatz, „wenn es dir gefällt.“ „Klar, sieht nett aus.“
Dominic parkte neben einem Trampelpfad, der auf einen Hügel führte. „Wir könnten vor dem Essen eine Runde zu Fuß drehen, da oben gibt es einen kleinen Weiher.“ „Gute Idee.“ Sie streckte sich, nachdem sie ausgestiegen war.
Sie hatten den Weiher fast umrundet, als er auf eine sonnenbeschienene Bank deutete. Sie nickte.
„Erzähl mir was über dich, Pät.“ Sie lehnte sich entspannt nach hinten, blinzelte in die Sonne. „Was willst du wissen?“ „Irgendwas.“ Er legte probeweise den Arm hinter ihren Schultern auf die Lehne. Sie schien sich nicht daran zu stören.
„Das ist kein Verhör, Pät. Was macht dir Spaß? Was war dein erstes Auto?“
„Das erste, das ich gefahren habe? Ich glaube, ein VW.“ „Das weißt du nicht mehr? So was vergisst man doch nicht.“ „Lass mal nachdenken. Ich kann mich noch genau an die Strecke erinnern, schön kurvig. Hat mir gleich Spaß gemacht, war wie Autoscooter. Und ging so gut, dass mir die Fahrlehrerin nicht glauben wollte, dass ich vorher noch nie gefahren war.“
„Du bist zum ersten Mal in der Fahrschule gefahren?“, fragte er ungläubig.
„Ja. Jetzt weiß ich wieder, es war ein Golf.“
„Ich dachte, alle hätten spätestens mit sechzehn mal das Auto ihres Vaters ausgeliehen.“ „Ich glaube, das machen nur Jungs.“
„Das erste“, fuhr sie fort, als er sie erwartungsvoll ansah, „das mir so richtig gut gefallen hat, war ein rotes Coupé. Ein schönes Rot, und er war so schön geschwungen.“ Sie zeichnete die Form mit einer ausladenden Armbewegung nach, ließ die Linie auslaufen. „Der Kadett meiner Mutter, aber ich hatte leider noch keinen Führerschein. Und bis ich so weit war, hatte sie einen D-Kadett. In einem nicht besonders hübschen Hellgelb, aber dafür konnte das Auto ja nichts.“
„Und was für eins war dein erstes eigenes?“ „Ich hatte nie eins. Ich bin immer die von meinen Eltern oder von meinem Freund gefahren. In der Stadt brauche ich keins, und im Urlaub habe ich Mietwagen. Ich fahre gerne und nehme, was ich kriegen kann. ‒ Aber vor allem bin ich Kadett und dann Astra gefahren. Ab D habe ich so ziemlich alle Modelle durch. Einen bin ich so lange gefahren, dass ich fast geweint hätte, als er nicht mehr durch den TÜV kam.“
Ihre Gedanken wanderten zurück. Sie schwieg kurz, als lege sie eine Gedenkminute ein, bevor sie weitererzählte.
„Ich hab mich mit Automatik-Getrieben und Golf-Kupplungen rumgeärgert. Ich bin einen Honda CR-V gefahren, bevor es das Wort SUV überhaupt gab. Aber das erste Mal, dass ich kapiert habe, was ein paar PS mehr ausmachen, war in den Kasseler Bergen. Ich hatte einen großen Audi, um jemandem beim Umzug nach Hamburg zu helfen. Das war ein Unterschied zu dem 50-PS-Kadett, den ich gewohnt war. Am Berg beschleunigen zu können, anstatt die Geschwindigkeit zu halten oder gar hinter einem LKW zu verhungern. Das hat richtig Spaß gemacht.“ Sie strahlte ihn an.
„Und du, was war dein erstes?“
„Mein erstes eigenes war ein Golf und ich fand die Kupplung völlig in Ordnung.“ Er musste über ihren skeptischen Blick lachen. „Bin ich jetzt bei dir unten durch, Pät?“
„Nein, nein. Es soll ja jeder fahren, was ihm Spaß macht. Und der Golf scheint irgendwelche positiven Eigenschaften zu haben, so viele wie es davon gibt.“ „Du kennst bloß keine?“ „Was fährst du heute? Da war kein BMW in der Garage“, wechselte sie das Thema.
„Golf.“ „Lustig.“
„Du meinst das doch nicht ernst? Du willst mich nur aufziehen“, schob sie hinterher, als kein Widerspruch kam. Zweifelnd ergründete sie sein Gesicht, aber er verzog keine Miene.
„Ich kriege schon raus, was du wirklich fährst.“ Als Erstes würde sie nach seinem Schlüsselbund Ausschau halten. Vielleicht lieferte der einen Anhaltspunkt.
„Ich kann kaum erwarten, dass du es aus mir herauskitzelst. Hast du besondere Methoden, um einen Mann zum Reden zu bringen, Pät?“
„Wieso sagst du immer Pät? Ich habe dir gesagt, dass es Pat heißt.“ „Weil es albern klingt. Außerdem muss ich dann sofort an Pat und Patachon denken.“
„Wenn das so ist, werde ich dich Nick nennen. Wie den kleinen Nick.“ „Der kleine Nick? Spielst du damit auf irgendwas an?“ „Wie sollte ich. Ich habe ihn …“, abrupt brach sie ab.
Setzte neu an: „Kennst du den nicht? Eine Comic-Figur. Der kleine Nick mit der großen Nase.“
Er schluckte die Bemerkung runter, die ihm auf der Zunge lag. Sagte stattdessen: „Ich habe gar keine große Nase.“
„Stimmt, aber ich heiße ja auch nicht Pät. Also dann eben Nick wie nicken, wie so ein Wackeldackel.“ Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht bei der Vorstellung, wie er auf der Heckablage saß und mit dem Kopf wackelte. Wurde breiter.
Ihr Grinsen gefiel ihm gar nicht. „Ich lass mir was anderes als Pät einfallen, wenn du mich nicht Nick nennst.“
„Okay, Dom.“
„Ich weiß nicht, ob ich das viel besser finde. Oder meinst du Dom wie Herr und Meister?“ „Ach, das würde dir gefallen?“
„Welchem Mann gefällt das nicht.“ „Es soll ein paar geben. Aber lass mal hören, was du vorzuschlagen hast.“
„Tricia, Trischa … Triets. Wie findest du Triets?“ „Wie die Treets zum Essen?“ „Du meinst die, die jetzt M&M’s heißen?“ „Ja.“ „Wenn du so willst. Triets halt.“ „Okay, Dom.“
„Ich weiß nicht, ob ich mich daran gewöhnen kann, Triets.“ „Ich auch nicht, Dom.“
„Wollen wir jetzt essen gehen, Triets?“ „Ja. ‒ Dom.“
Die nächste Etappe bis Michelstadt fuhr Pat. „Fährt sich gut.“ Sie tätschelte das Armaturenbrett. „Vielleicht sollten wir einfach weiterfahren?“, sie sah ihn kurz fragend an. „In Michelstadt gibt’s eigentlich eh nichts zu sehen, was meinst du?“
„Ist gut, wir könnten stattdessen in Miltenberg einen Kaffee trinken gehen und eine Runde durch die Altstadt spazieren. Oder Amorbach?“ „Lieber Miltenberg, da war ich noch nie.“
Nach einem Schaufensterbummel streckten sie in einer Eisdiele die Beine aus und die Gesichter in die Sonne. „Willst du kein Eis, Triets?“ „Das Tiramisu sieht lecker aus, aber die Portion ist riesig.“ Sie sah ihn aufmunternd an.
„Ich nehme die Hälfte“, ging er gehorsam darauf ein.
Als das Dessert vor ihr stand, markierte sie die Mitte, bevor sie den ersten Bissen nahm.
„Hast du Angst, dass ich dir was wegesse?“, wollte er wissen. „Besser, das ist geklärt. Kennst du nicht die Geschichte von dem Kosakenzipfel?“ Sie drehte sich suchend nach der Kellnerin um. „Sie hat den zweiten Löffel vergessen.“
„Fang einfach an. Von Loriot? Du meinst die, wo sie zum Schluss zerstritten sind? Ich streite nicht wegen eines Nachtischs.“
„Was müsste es denn bei dir sein?“ „Beim Essen? Nichts.“ „Was ist dein Lieblingsessen?“ Er dachte nach. „Weiß ich nicht, Rindsrouladen vielleicht, aber auch deswegen würde ich keinen Streit mit dir anfangen.“
„Aber es ist doch praktisch. Ohne Markierung wüsste ich gleich nicht mehr, wo die Mitte ist.“ „Blau, du bist durch und durch blau. Iss doch einfach, so viel du magst.“
Ein missbilligender Blick traf ihn.
„Du machst dir zu viele Gedanken, Triets.“
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