1 ...6 7 8 10 11 12 ...17 „War das denn so unangenehm?“ „Nein, gar nicht.“ Puh, sie wusste nicht, was sie sonst darauf sagen sollte. Er rückte näher. „Also ganz angenehm?“, legte er mit dunkler Stimme nach.
Pat flüchtete ins Wohnzimmer und kehrte zurück zu ihrem ursprünglichen Thema: „Wohin willst du? Hast du an etwas Bestimmtes gedacht?“
‚Ans Schlafzimmer.‛ Ein Grinsen umspielte seine Mundwinkel.
Ratlos stand Pat im Raum. Zum Hinsetzen gab es genau ein Sofa. Groß zwar und mit integrierter Chaiselongue –‚ die ist ja fast so breit wie ein Bett‛ –, aber das half ihr auch nicht weiter. Eher im Gegenteil.
Also in die linke, die andere Ecke.
Er hielt nicht viel Abstand, als er sich schräg neben sie setzte.
„Nichts Außergewöhnliches, so nanntest du es doch, wenn ich mich recht erinnere“, übernahm er ihr Du . „Ein Stück die A5 runter, hinter Darmstadt schlagen wir uns in die Büsche“, er beugte sich näher zu ihr. „Ich kenne da ein nettes, kleines“, er machte eine Pause, „Restaurant. Und wenn das Wetter schön wird, schlendern wir durch Michelstadt, machen vielleicht noch einen Abstecher nach Amorbach. Dann durchs Grüne zurück oder, falls wir es eilig haben sollten, über die A3. Aber ich bin für alles offen.“ Er sah sie erwartungsvoll an.
„Hört sich gut an für den Anfang. Drehen wir also eine Runde durch den Odenwald.“
Sie wand sich aus der Sofaecke, stellte die Kaffeetasse ab und schlenderte, unter seinem aufmerksamen Blick, zum CD-Regal. Ließ die Finger über die Hüllen gleiten beim Lesen. Blieb an der Bruce-Springsteen-Sammlung hängen.
Auch sonst schien er einen ähnlichen Musikgeschmack zu haben wie sie. Sie fand allerdings keine aktuellen Alben. Aber vielleicht war er, im Gegensatz zu ihr selbst, auf modernere Medien als CDs umgestiegen.
Sie sah sich vergeblich nach Büchern um. Las er nicht oder hatte er sie in einem anderen Zimmer?
„Test bestanden?“ Sie drehte sich in Richtung seiner nahen Stimme. Er war ihr gefolgt, stand direkt hinter ihr. Sie brachte etwas Abstand zwischen sich und ihn. „Vielleicht.“
„Willst du in die Schränke sehen?“ Er machte eine entsprechende Handbewegung. „Ich habe nichts zu verbergen.“ „Danke, aber so neugierig bin ich auch nicht.“
„Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir hier landen.“ Er verringerte den Abstand zwischen ihnen wieder. „Ich habe also nichts eingekauft. Aber ich kann das nachholen und wir können später zusammen kochen, wenn du magst. Du könntest dich in Ruhe weiter umsehen, während ich weg bin.“
„Nein, ich, ich habe noch was vor heute Abend. Sobald der Trockner fertig ist, gehe ich.“
„Bist du eine von diesen Frauen, die alles auf einmal machen? Die, den Terminkalender randvoll, von einem Date zum nächsten springen?“
„Nein, gar nicht. Ich mache normalerweise eins nach dem anderen und wenn ich mich mit jemandem treffe, dann nur mit ihm … oder ihr … oder ihnen … also je nachdem. – Nur heute habe ich noch was vor“, log sie.
Das ging ihr alles viel zu schnell. Sie hatte nach dem Kaffeetrinken vielleicht noch eine Runde mit ihm die Zeil entlangschlendern, aber nicht auf seinem Sofa landen wollen. Oder hier direkt vor ihm, wo sie nicht einmal eine Armlänge voneinander trennte.
Er stand so verdammt nah, dass sie seine Körperwärme spürte. Ihr wurde wieder bewusst, dass sie seine Kleider trug. Dass der Stoff auf ihrer Haut sonst seine berührte. Ein angenehmer Schauder lief über ihre Haut.
Er deutete ihre Unruhe als Unbehagen, erlöste sie. „Ich sehe mal nach den Kleidern.“
Nachdem er in der Küche verschwunden war, wandte sich Pat wieder dem Fenster zu, sah auf die Straße. Die Hälfte der Passanten war ohne Schirm unterwegs. Es schien nur noch wenig zu regnen.
„Dauert noch so zehn Minuten, schätze ich.“ Er war zurück. Stellte sich hinter sie, folgte ihrem Blick nach draußen. „Wir könnten auch essen gehen, anstatt zu kochen, wenn dir das lieber ist.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe wirklich noch etwas zu erledigen.“ Eigentlich war das gar nicht gelogen. Sie hatte noch etwas vor, wenn auch nichts, das sie nicht problemlos hätte verschieben können.
Sie hatte sich umgedreht, lehnte an der Fensterbank. Sah ihn erwartungsvoll an. Der große Redner war er ja nicht gerade.
Das fand sie an sich sehr angenehm, aber sie war auch keine begnadete Small-Talkerin, das könnte ein Problem werden. Sie suchte nach einem Thema. Vielleicht könnte sie ihn etwas über sich erzählen lassen. Aber was?
Er sagte: „Ich weiß jetzt auch nicht so recht, was wir mit den verbleibenden zehn Minuten anfangen sollen.“ Sah an ihr vorbei nach draußen. „Es regnet noch. Ich werde dich nach Hause fahren.“
„Danke, das ist nicht nötig. Ich fahre von hier direkt zu meiner nächsten Verabredung“, log sie, entgegen ihrer Gewohnheit, ein zweites Mal. „Aber du könntest mir einen Schirm leihen.“
„Klar. – Ich kann dich auch zu deiner Verabredung fahren, wenn du willst.“ „Lieber nicht.“ Sie lächelte ihn verlegen an.
„Könntest du noch mal nach den Kleidern sehen?“ „Sicher.“ Sie folgte ihm in die Küche. Stolperte fast über den Schemel, der schon wieder neben der Tür stand. War das Absicht?
Sie nahm ihm schnell alle Kleidungsstücke aus den Händen, um sie selbst sortieren zu können, und verschwand mit ihren im Bad.
Zwischen Flur und Wohnzimmer trafen sie sich wieder. „Ich habe die Jogginghose und das T-Shirt auf dein Bett gelegt. Oder soll ich sie mitnehmen und waschen?“ „Nein, natürlich nicht. Das mache ich schon.“
Vor ihrem geistigen Auge sah sie, wie er an den Kleidungsstücken riechen würde, bevor er sie in die Maschine steckte. So wie sie es vorhin getan hatte. Oder er zog sie einfach so an, wie sie waren.
‚Vielleicht hätte ich sie doch mitnehmen sollen.‛ Andererseits fand sie die Vorstellung, wie er versuchte ihren Geruch aufzunehmen, angenehm erregend.
Kaum merklich schüttelte sie den Kopf, bevor ihre Gedanken ganz abschweiften. „Ich gehe dann jetzt.“ Sie drückte sich an ihm vorbei in den Flur.
„Ich bringe dich bis zur Bahn.“ „Nein, das ist nicht nötig.“ Er zögerte, aber ihr Nein hatte sehr bestimmt geklungen. Also hängte er seine Jacke zurück an die Garderobe.
„Wie du meinst. Wie ist deine Adresse?“
„Wieso willst du das wissen?“ „Ich muss dich irgendwo einsammeln nächste Woche.“ „Ich komme her. So um elf?“
Er nickte, hielt ihr einen Schirm hin.
„Danke.“ Sie nahm ihn, lächelte ihn an. „War ein netter Nachmittag.“ „Ja, sehr. Ich freue mich auf nächste Woche.“
Im Treppenhaus tauschten sie einen letzten Blick. Ein letztes Lächeln.
Er beobachtete ihren Gesichtsausdruck, während ihr Blick über die Autos in der Tiefgarage schweifte. Er blieb an einem geöffneten Mazda-Cabrio hängen.
Sie riss sich los und suchte weiter den BMW. Ein schwarzer SUV geriet in ihr Blickfeld. Er fuhr doch nicht etwa … Nein, oder?
Dominic drückte den Schlüssel, ließ den MX-5 aufblinken. Sie drehte sich in Richtung des Geräusches, sah erst den Wagen, dann fragend ihn an.
„Bei dem Wetter. Was blieb mir anderes übrig, als dir ein Cabrio zu bieten?“ Sie lächelte ihn an. „Super.“ Zufrieden grinsend hielt er ihr den Schlüssel hin. „Willst du fahren?“ „Später. Ich sitze auch gerne neben dran und schaue in die Gegend.“
„Bist du warm genug angezogen, Pät? Es ist zwar sonnig, aber der Fahrtwind auf der Autobahn … Sollen wir auf dem ersten Stück das Verdeck schließen?“ „Nein, wir probieren es so. Außer du hast vor, hundertachtzig zu fahren.“ „Ich glaube, wir machen es besser zu.“
Ohne LKW auf der Autobahn waren sie schnell in Darmstadt, kurz darauf an der Mathildenhöhe vorbei und auch schon auf der Landstraße.
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